GettyImages-55848023

In der Serie „Catching Up With…” spricht NHL.com/de regelmäßig mit ehemaligen NHL-Profis, die mittlerweile außerhalb von Nordamerika spielen oder sich vom aktiven Eishockey als Spieler zurückgezogen haben.

In dieser Ausgabe: Martin Gerber

Der frühere Schweizer Torwart Martin Gerber kam erst spät in die NHL, legte allerdings eine umso beeindruckendere Karriere hin. Mit drei unterschiedlichen Teams erreichte er das Finale um den Stanley Cup, einmal gewann er die Trophäe. Allerdings erlebte Gerber auch Tiefpunkte in der NHL. Heute ist der 51-Jährige im Nachwuchsbereich der SCL Tigers aktiv und blickt im Gespräch mit NHL.com/de zurück.

Hallo Martin, Du bist heute im Nachwuchsbereich der SCL Tigers aktiv. Wie sieht dein Aufgabenfeld aus?

Ich kümmere mich um die Stufenleitung der U16. Ich betreue dort zwei Teams mit insgesamt 44 Spielern. Meine Aufgabe ist es, das Playbook des Clubs zu implementieren und im Training umzusetzen sowie die Ausbildung der Jugendlichen zu fördern. Das ist so mein Aufgabenbereich.

Du warst als Jugendlicher selber für den Nachwuchs der SCL Tigers aktiv. Hast du damals bereits von der NHL geträumt?

Nein, das war damals zu weit weg. Es war hier auch gar nicht so bekannt, was die NHL überhaupt ist. Das kam dann erst mit der Zeit. Ich hatte immer das Ziel, einfach die nächste Stufe zu erreichen, den nächsten kleinen Schritt zu machen. Damit bin ich eigentlich ziemlich gut gefahren.

Du warst bereits 26 Jahre alt, als Du 2001 in der achten Runde an Position 232 von den damaligen Mighty Ducks of Anaheim gepickt wurdest. Warum bist du so spät gepickt worden?

Ich habe auch sehr spät angefangen – mit zwölf Jahren – und konnte anfangs gar nicht richtig Schlittschuh laufen. Ich brauchte ein paar Jahre, um da Fuß zu fassen. Durch zusätzliches Training konnte ich das Defizit etwas aufholen. Ich war halt ein klassischer Spätzünder.

GettyImages-52311392

Kam es für dich überraschend, überhaupt gedraftet zu werden?

Ja, ich hatte den Fokus eigentlich auf Schweden gelegt. Ich hatte zwei, drei Jahre versucht, dort Fuß zu fassen. Das war mein Hauptziel. Der Draft war nicht wirklich auf meinem Radar. Das kam eher überraschend.

Nach einer Zwischenstation in Schweden bei Färjestad BK bist du zu den Ducks gewechselt und warst zunächst Backup von Jean-Sébastien Giguère. Wie blickst du auf Deine Anfangszeit in der NHL zurück?

Das Jahr in Schweden war eine super Erfahrung – vom Spielstil, vom Leben her, aber auch im Umgang mit Druck, weil man auf einmal der Ausländer ist und nicht mehr der Schweizer. Das war für mich sehr lehrreich. Der Start bei den Ducks war dann wieder etwas ganz Neues. Wir waren eine neu zusammengestellte Mannschaft und wurden in allen Rankings als Letzter oder Vorletzter eingeschätzt. Wir hatten ein, zwei Stars, aber der Rest war eher unbekannt. Umso cooler war es zu erleben, wie die Saison lief und wie die Mannschaft zusammengefunden hat. Das war eine sehr coole Erfahrung.

Die Mannschaft erreichte damals sogar das Finale um den Stanley Cup und verlor nur knapp mit 3:4 gegen die New Jersey Devils. Du selber kamst allerdings nur in zwei Playoff-Spielen zum Einsatz…

Ja, ich habe damals nicht viel gespielt, Jean-Sébastien Giguère war in Topform. Aber das ganze Drumherum – die Medien, das Ambiente – das war eine unglaublich coole Erfahrung.

Im Jahre 2004 bist du zu den Carolina Hurricanes gewechselt. Wie hast du den Trade damals aufgenommen?

Das war auf meinen Wunsch hin. Ich wollte einfach mehr spielen. Die Ducks hatten den Vertrag mit Giguère um vier Jahre verlängert. Dann kam das Gespräch auf, dass es wohl besser wäre, wenn sie etwas Neues für mich suchen. Ich war froh, dass ich diese Chance bekam. Wohin es gehen würde, wusste ich damals noch nicht, aber es hat sich als Glücksfall herausgestellt.

In der Saison 2005/2006 hast du mit den Carolina Hurricanes den Stanley Cup gewonnen. Für dich persönlich liefen die Playoffs durchwachsen, weil du durch den 22-jährigen Cam Ward als Nummer eins ersetzt wurdest. In der Finalserie gegen die Edmonton Oilers kamst du gar nicht zum Einsatz. Denkst du trotzdem gerne daran zurück?

Klar. Zuvor mit Anaheim im ersten Jahr im Finale zu stehen und Spiel 7 zu verlieren, war ein richtig mieses Gefühl. Eine riesige Arbeit, eine unglaublich lange Saison – und am Ende hat es nichts gebracht. Während der Playoffs mit Carolina war das immer im Hinterkopf: Jetzt wieder dieser Aufwand – da muss was rausspringen. Die Erleichterung, dass es dann mit dem Stanley Cup geklappt hat, war enorm groß.

GettyImages-71281106

Es war zuvor nicht zwingend zu erwarten, dass ihr mit den Hurricanes so eine erfolgreiche Saison spielen würdet, oder?

Nein, es war ähnlich wie in Anaheim: Wir wurden wieder sehr tief eingestuft. Wir hatten damals den noch sehr jungen Eric Staal in der Mannschaft. Man wusste, dass er gut werden würde, aber nicht wie gut. Ansonsten gab es im Kader viele Rollenspieler, nicht die großen Stars. General Manager Jim Rutherford hat einen super Job gemacht, die Puzzleteile haben perfekt zusammengepasst. Zur Trade Deadline konnten wir Mark Recchi und Doug Weight holen – das hat uns in den Playoffs sehr geholfen.

Auch mit deinem nächsten Team, den Ottawa Senators, hast du in der Saison 2007/2008 das Finale um den Stanley Cup erreicht. Du selbst kamst in vier Playoff-Spielen gegen die Pittsburgh Penguins zum Einsatz. Im Finale habt Ihr 1:4 gegen Dein Ex-Team, die Anaheim Ducks, verloren.

Wir hatten in Ottawa eine sehr starke erste Reihe, die eigentlich alle Tore gemacht hat. Wir fanden keinen Weg, die Torausbeute auf mehr Spieler zu verteilen. Mit Carolina oder Anaheim war es in der Finalserie immer eng, mit Ottawa hingegen nicht. Wir waren in den Viertel- und Halbfinals dominant, aber im Finale gegen Anaheim waren wir chancenlos. Uns fehlte die Tiefe in der Offensive, während Anaheim sehr kompakt spielte.

2008/2009 warst du in Ottawa nur noch die Nummer 3 hinter Alex Auld und Brian Elliott. Wie schwer war dies zu verarbeiten?

Das war keine coole Zeit, aber es gehört dazu. Ich wusste nicht recht, wie es weitergeht. Dann wurde ich bei der Deadline nach Toronto getradet. Das war für mich eine sehr coole Zeit. Für die Playoffs hat es leider nicht gereicht, aber dort zu spielen war eine super Erfahrung.

Du spieltest zum Ende deiner NHL-Karriere nicht nur für Toronto, sondern auch noch für die Edmonton Oilers. Wie hast du insgesamt die Eishockey-Euphorie in Kanada wahrgenommen?

Das war am Anfang sehr beeindruckend. In Kanada wird Eishockey wirklich gelebt – es wird davon geträumt, gesprochen, es ist nonstop das Thema. In den USA ist das anders: In den Playoffs ist das Interesse groß, aber während der Saison ist es viel ruhiger. Diese ständige Euphorie in Kanada – daran muss man sich erst gewöhnen.

GettyImages-84174641

Wie sehr verfolgst du heute noch die NHL?

Ich schaue mir gerne Highlights an. Vor allem um zu sehen, was Nino Niederreiter oder Roman Josi machen. Die kenne ich persönlich, und das verfolge ich schon.

Mit welchen Teams fühlst du dich am meisten verbunden?

Mit Carolina auf jeden Fall, weil dort noch Coaches und viele Leute im Club sind, die ich kenne. Wir haben zwar keinen großen Kontakt, aber von der Sympathie her finde ich, dass das eine coole Organisation ist.

Wie nimmst du Nino Niederreiter und Roman Josi wahr?

Roman Josi ist über all die Jahre ein unglaublich dominanter, starker Spieler und eine große Persönlichkeit. Beeindruckend zu sehen, wie er sich entwickelt hat. Ich kenne ihn seit seiner Jugend. Und Nino arbeitet wie ein Verrückter, rackert immer, findet stets einen Weg, in seinem Team eine wichtige Rolle zu spielen. Das ist sehr inspirierend.

NSH@TOR: Josi schickt einen Handgelenksschuss durch den Verkehr und erzielt sein erstes Saison-Tor

Es gibt mit Akira Schmid auch einen Schweizer Goalie, der aktuell bei den Vegas Golden Knights unter Vertrag steht. Wie siehst du seine Situation?

Ich verfolge auch seine Karriere sehr. Für ihn ist es schwierig, endlich regelmäßig Spielzeit zu bekommen. Ich hoffe, dass es dieses Jahr klappt und er sich wirklich etablieren kann – das würde ich ihm sehr gönnen.

DET@VGK: Schmid behält gegen die Red Wings eine Weiße Weste und feiert seinen zweiten NHL-Shutout

Wie sieht es bei den jungen Spielern aus, die du jetzt im Nachwuchs betreust: Ist die NHL für sie ein Thema oder eher weit weg?

Das ist sehr unterschiedlich. In den neuen Generationen sind manche sehr interessiert an der NHL, andere spielen einfach gerne, ohne viel Wissen über die großen Ligen zu haben. Die großen Stars sind in der Garderobe natürlich immer ein Thema, aber insgesamt ist das sehr unterschiedlich von Spieler zu Spieler.

Verwandte Inhalte