Ottawa Senators v Winnipeg Jets

In einem Mediengespräch am Montagvormittag (Ortszeit), an dem auch NHL.com/de teilnahm, sitzt Tim Stützle vor einem Fenster. Im Hintergrund rieseln dicke Schneeflocken vom Himmel. In Weihnachtsstimmung aber ist der Mittelstürmer der Ottawa Senators noch nicht. Das liegt einerseits am eng-getakteten Spielplan, andererseits daran, dass er die Feiertage wohl ganz bewusst alleine verbringen möchte. Denn Stützle hat viel vor: Sowohl mit den Senators in der NHL, als auch mit der deutschen Nationalmannschaft bei den Olympischen Spielen Milano Cortina 2026.

Home Alone: Tim allein zu Haus

Zweifelsohne steht Stützle derzeit voll im Saft: Der 23-jährige Stürmer aus Viersen reitet eine Punkteserie von sieben Spielen (6-8-14), ist nach 35 Partien in dieser Saison der Top-Torjäger (17 Treffer) und -Scorer (17-21-38) seiner Mannschaft und taucht auch bei defensiven Werten wie Checks (59 Hits; 4.), geblockte Schüsse (25 Blocks, 7.) und Plus-Minus-Bilanz (+6, 4.) überraschend weit vorne auf. Mit anderen Worten: Der Linksschütze hat sein Spiel nicht nur in der Offensive, sondern auch in der Defensive auf ein neues Niveau gehoben.

„Ich habe vor allem in den Playoffs gemerkt, was ich machen muss, um erfolgreich zu sein, wie ich der Mannschaft helfen kann, Spiele zu gewinnen. Vor allem in den letzten Spielen hat das extrem gut geklappt“, sagt Stützle. „Wenn jeder das System perfekt spielt, dann wird es schwierig für andere Mannschaften, gegen uns ein Tor zu schießen.“

OTT@BOS: Stützle baut die Führung aus

Über die Weihnachtsfeiertage hegt der Deutsche deshalb die Befürchtung, diesen Schwung ein wenig zu verlieren.

„Der Plan war, bei einen meiner Teamkollegen mitzugehen. Claude Giroux hat gefragt, ob ich mit seiner Familie die Weihnachtsfeiertage verbringen möchte. Das wären dann aber drei Tage ohne Training. Ich fühle mich im Moment aber sehr gut und weiß nicht, on ich das möchte. Ich denke daher, dass ich hierbleiben werde“, erklärt Stützle.

Oder um es mit dem Titel eines umbenannten Weihnachtsfilme-Klassikers zusammenzufassen: Tim allein zu Haus.

Ein klarer Aufwärtstrend

Stützles vorbildliche Einstellung wird sicherlich durch den Blick auf die Tabelle verstärkt: Ottawa (18-13-4) ist Sechster in der Atlantic Division und hat einen Punkt Rückstand auf einen Wildcard-Platz in der engen Eastern Conference.

„Die Liga ist im Allgemeinen sehr eng. Jede Nacht kann jede Mannschaft jeden schlagen, zu jedem Zeitpunkt. Es sind viele neue gute und junge Spieler in die Liga gekommen. Früher war es so, dass wir eine Mannschaft waren, bei der andere Teams dachten, dass 70, 80 Prozent reichen würden, um eine Chance zu haben, zu gewinnen. Das ist jetzt nicht mehr so. Auch aus unserer Sicht gibt es keinen Gegner mehr, den wir schlagen können, wenn wir nicht 100 Prozent geben.“

Nach einem etwas holprigen Start in die Saison nahmen die Senators zuletzt an Fahrt auf. Seit dem 7. November zählen sie zu den zehn besten Mannschaften in der NHL (12-8-1).

CHI@OTT: Stützle mit einem Tor und zwei Assists

„Ich glaube, dass wir am Anfang der Saison genau so gestartet sind, wie letztes Jahr. Wir hatten ein bisschen Schwierigkeiten mit der Konstanz, ich genauso. Unser Unterzahlspiel war nicht gut genug und wir haben viele Gegentore gekriegt. Jetzt sind wir so langsam dabei zu verstehen, was wir machen müssen, um konstant zu gewinnen. Wir haben gedacht, dass wir letztes Jahr in den Playoffs waren und dadurch dieses Jahr alles einfacher wird. Aber genau das Gegenteil ist der Fall: es ist noch schwerer. Das haben wir jetzt verstanden“, betont Stützle.

Zuletzt gab es für Ottawa vier Siege in Serie. Der Trend zeigt also weiter steil nach oben.

„Wir wissen ganz genau, dass wir eine gute Mannschaft haben“, so Stützle. „Wenn wir unser Spiel spielen, dann haben wir immer eine Chance, zu gewinnen. Vor allem die letzten zehn, zwölf Spiele haben uns gut gefallen. Auch bei Niederlagen haben wir es so empfunden, dass wir gut gespielt und unverdient verloren haben. Wenn wir so weiterspielen, dann wird eine Siegesserie folgen. Wir müssen einfach weitermachen.“

„Daddy’s Trip“ und Vorfreude auf Olympia

Unterstützung erhielt Stützle zuletzt aus der eigenen Familie. Beim alljährigen „Daddy’s Trip“ stattete ihm sein Vater einen längeren Besuch ab.

„Jedes Mal, wenn die Familie hier ist, bedeutet mir das extrem viel. Ich weiß, wie gerne Beide Eishockey schauen. Wir waren in Philadelphia und haben eine Tour im Football- und Baseball-Stadion gemacht, was cool war. Es hat extrem viel Spaß gemacht“, erinnert sich Stützle. „Mein Vater ist auch noch für vier weitere Heimspiele geblieben. Ich sehe meine Eltern nicht so oft, sie unterstützen mich trotzdem und versuchen, jedes Spiel von mir anzuschauen.“

Auch bei den Olympischen Spielen Milano Cortina 2026 soll die Familie Stützle von den Tribünen aus mitfiebern, wenn Sohn Tim die eine oder andere Überraschung mit der Nationalmannschaft landen soll. Obwohl das Olympische Eishockey-Turnier nur noch anderthalb Monate entfernt sind, fühlt es sich für Stützle noch sehr weit weg an.

OTT@WPG: Stützles drei Assists führen Senators zum Overtime-Sieg

„Ich habe mir noch nicht viele Gedanken gemacht, weil wir jeden zweiten Tag spielen und viel herumreisen, da ist mein Fokus zu 100 Prozent im Hier und Jetzt“, sagt Stützle, muss dann aber doch zugeben: „Für jeden einzelnen Spieler ist es wahrscheinlich das größte Turnier, das man spielen kann. Wenn man sein Land vertreten darf, dann ist es eine riesengroße Ehre. Die Vorfreude ist riesig. Wir werden eine sehr coole Mannschaft haben und müssen so schnell wie möglich akzeptieren, wie wichtig jeder einzelne Spieler für das Team ist, egal aus welcher Liga er kommt. Jeder ist genau gleich wichtig. Wir müssen schnell zusammenfinden, wollen eine coole Zeit haben und wie eine Familie zusammenwachsen.“

Bewunderung für Draisaitl

Bis dahin will Stützle in der NHL fleißig weiterpunkten. Sein Landsmann Leon Draisaitl durchbrach jüngst die unglaubliche Schallmauer von 1000 Scorerpunkten. Stützle steht bei 364 Punkten (402 Spiele, 132-232-364), ist aber voll auf Kurs, diesen Meilenstein eines Tages selbst zu erreichen.

„Ich freue mich mega für Leon! Mir war bewusst, dass er die 1000er Marke knacken kann. Ich habe mir das Spiel angeschaut. Als sie ins Powerplay gekommen sind, wusste ich, dass es passieren wird. Er ist ein sehr netter Mensch und ein guter Eishockey-Spieler, wir verstehen uns sehr gut. Ich selbst habe über so eine Zahl noch nicht nachgedacht, da bin ich noch weit davon weg“, erzählt Stützle, während im Hintergrund die nächsten Flocken herunterrieseln.

Trotz Schneefall und zweistelligen Minusgraden erwartet Stützle ein heißer Winter: Erst mit den Senators in der besten Liga der Welt und dann mit Deutschland auf Olympischen Eis.

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