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Ab dem 1. November nimmt NHL.com/de mit seiner 31 in 31 Serie jedes Team genauer unter die Lupe. Von den wichtigsten Geschehnissen und Spielern bis hin zu Stärken und Schwächen, bieten wir eine umfassende Bestandsaufnahme der Klubs in der Liga.
In dieser Ausgabe geht es um die San Jose Sharks.

Wer hätte das gedacht? Nachdem es die San Jose Sharks 2018/19 noch bis ins Western Conference Finale geschafft hatten (2:4 gegen den späteren Stanley-Cup-Sieger St. Louis Blues), beendeten sie die Saison 2019/20 auf dem letzten Platz im Westen. Durch den Corona-bedingten Abbruch der regulären Saison sowie dem Scheitern an einer Teilnahme für die Stanley Cup Qualifikation absolvierten die Nord-Kalifornier seit über acht Monaten kein Spiel mehr. Der Hunger auf Eishockey in der Bay Area ist entsprechend groß - genauso wie die Fragezeichen hinter der Mannschaft.
Bilanz 2019/20: 29-36-5, 15. Platz in Western Conference
Postseason 2020: Nicht qualifiziert
Trainer: Bob Boughner, 2. Saison (1. Saison als Cheftrainer)
Zugänge: C Ryan Donato, G Devan Dubnyk, C Patrick Marleau, LW Matt Nieto, RW Ozzy Wiesblatt
Abgänge: C Jonny Brodzinski, D Brandon Davidson, G Aaron Dell, D Tim Heed, C Melker Karlsson, C Joe Thornton
Zwar gab es in San Jose keinen großen personellen Umbruch, doch ein großer Name hat die Sharks dennoch verlassen: Joe Thornton wird erstmals seit 2005 nicht mehr die Farbe "Teal" tragen. Bis heute hält er den Franchise-Rekord für die meisten Assists (804), ist Zweiter in Sachen Spiele (1104) sowie Scorerpunkte (1055) und schoss die viertmeisten Tore (251). Nun aber schloss sich der 41-Jährige als Unrestricted Free Agent den Toronto Maple Leafs an. Die Hoffnung von "Jumbo Joe": Im Spätherbst seiner Karriere doch noch einmal den Stanley Cup zu gewinnen.
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Rein sportlich mag der Abgang sogar Sinn machen: Zwar ist Thornton noch immer ein grandioser Passgeber mit guter Übersicht und mit seinem Körper (1,93 Metern groß, 100 Kilogramm schwer) nur schwer vom Puck zu trennen. Doch zählt der Mittelstürmer nicht mehr zu den schnellsten und beweglichsten Spielern in dieser Liga. Die Sharks allerdings setzen zur neuen Saison voll auf Tempo und verpflichteten ausnahmslos Spieler, die über eine hohe Geschwindigkeit verfügen. Ob Thornton noch in dieses Schema gepasst hätte, ist fraglich. "Wir müssen unseren Spielstil wiederherstellen", fordert General Manager Doug Wilson. "Ich kann Joe voll verstehen. Wir als Organisation mussten auch in der Vergangenheit schon diese Situationen bewältigen und haben uns schnell davon erholt. Wir müssen jetzt an die Arbeit gehen und aus dem letzten Jahr lernen."

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Als Person und Charakter allerdings wird "Jumbo Joe" ein riesiges Loch reißen. Entsprechend hoch war auch der Aufschrei innerhalb der Mannschaft, als Thorntons Wechsel bekannt wurde. "Mann, ich werde dich vermissen. Ich bin sehr dankbar dafür, dass ich mit dir spielen durfte und wir gute Freunde geworden sind. Ich werde sicherstellen, dass der Sitzplatz neben mir am Ende des Flugzeugs frei bleibt, bis zu zurückkommst", schrieb Stürmer Evander Kane auf Twitter. ""Miiiist… Ich werde viel mehr vermissen, als nur mit diesem Typen zu lachen. Er ist der ultimative Teamkollege, Freund und Kerl, von dem du lernen kannst. Maple Leafs, zu euch kommt ein großer Spieler", pflichtete Verteidiger Brent Burns bei. "Ich werde diesen Typen sehr vermissen! Ich kann gar nicht beschreiben, wie viel es allen Jungs in unserem Team bedeutet hat. Vor allem mir", so Stürmer Marcus Sorensen. "Mentor, Reihenkollege, Freund und noch viel mehr. Ich werde es vermissen, ihn um mich herum zu haben. Spieler wie er werden nicht mehr gemacht. Ihr bekommt einen guten Spieler, Maple Leafs. Viel Glück in Blau, Jumbo!", textete Kevin Labanc. Und auch der Schweizer Timo Meier zeigte sich ergriffen: "Ich werde diesen Kerl in San Jose vermissen! Ein wahrer Anführer und unglaublicher Teamkollege, von dem ich an jedem Tag auf und neben dem Eis lernen konnte."
Den Sharks droht somit das nächste Führungsspieler-Vakuum. Im Jahr davor konnte Kapitän Joe Pavelski nicht gehalten werden und wechselte stattdessen zu den Dallas Stars. Gerade in einer Saison die von Inkonstanz und vielen Verletzungen geprägt war, hätte ein Spieler von diesem Schlag enorm geholfen. Nun aber geht San Jose ins erste Jahr nach der Ära Joe Thornton.
Gefordert sind nun andere Spieler. Allen voran Kapitän Logan Couture sowie seine Assistenten Brent Bruns, Erik Karlsson und Tomas Hertl. Aber auch Schlüsselspieler wie Evander Kane, Kevin Labanc und Timo Meier müssen künftig noch mehr Verantwortung tragen. Insbesondere in einer Saison, in der die Sharks in unbekannten Gewässern jagen müssen. "Sie müssen ihr Niveau auf das nächste Level heben", fordert Wilson. "Was wir brauchen ist, dass jeder Spieler etwas beiträgt, insbesondere die Liebe, Bissigkeit und Energie, die Jumbo aufs Eis gebracht hat."

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Neben diesem Gerüst an Leistungsträgern müssen viele weitere Spieler eingebaut werden, die bislang vor allem in der AHL gespielt haben. "Wir haben fünf Top-6-Stürmer", so Wilson. "Jetzt brauchen wir Spieler, die reinkommen und um diesen sechsten Platz kämpfen."
Ein großes Fragezeichen steht auch hinter dem Goalie-Gespann Martin Jones und Devan Dubnyk. Hinter beiden liegt jeweils eine schwache Saison. Und da wäre noch die Frage, ob Bob Boughner als Coach funktioniert. Boughner hatte im Dezember 2019 zunächst als Interimslösung übernommen und wurde trotz vieler prominenter Namen auf dem Trainermarkt zum Chef befördert.
San Jose steht also vor einer Saison mit vielen Fragezeichen und muss sich erstmals 15 Jahren ohne "Leuchtturm" Thornton orientieren.