Minnesota hat wieder alle Mann an Bord
Nino Niederreiter ist wieder zurück und die Wild können weiter Fahrt aufnehmen
von Bernd Rösch / NHL.com/de Chefautor
Damit hatten sie nicht gerechnet. Seit fünf Jahren befanden sie sich in ruhigem Fahrwasser, doch plötzlich wogten die Wellen hoch, die Gischt schlug ihnen ins Gesicht, die Stromschnellen wurden reißender und kamen in immer kürzeren Abständen auf sie zu. Das rettende Ufer blieb stets in Sichtweite, doch nur millimeterweise konnten sie sich ihm nähern.
Die Ausgangssituation der Minnesota Wild hatte sich so schnell geändert wie der Wasserstand des Kettle River nach einer längeren Regenperiode, wenn aus dem Rinnsal schlagartig ein bedrohlicher Wildfluss wird, der selbst den erfahrensten Raftern alles abverlangt.
Die Wild sind eine von nur sechs Mannschaften, die sich in den vergangenen fünf Spielzeiten jeweils für die Stanley Cup Playoffs qualifizieren konnten. In der Western Conference gelang dies nur noch den Anaheim Ducks, den Chicago Blackhawks und den St. Louis Blues.
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Mit Bruce Boudreau als Verantwortlicher hinter der Bande hatte sich im vergangenen Jahr das in St. Paul beheimatete Team zu einer Spitzenmannschaft entwickelt, die mit 106 Zählern die zweitmeisten Punkte im Westen einfahren konnte.
Doch die Wild haben in der laufenden Spielzeit mit Unwägbarkeiten zu kämpfen, die sie zurückwarfen. Leistungsträger aus der Vorsaison wie Rechtsaußen Mikael Granlund, ihr Topscorer aus 2016/17 mit 26 Toren und 43 Assists, oder der erfahrene Zach Parise standen ihnen zum Saisonstart nicht zur Verfügung. Kurz bevor Granlund nach seiner Leistenverletzung (5 Spiele Pause) wieder mitwirkte, brach sich Mitte Oktober Center Charlie Coyle, mit 56 Punkten (18 Tore, 38 Assists) ihr fünftbester Scorer in der Vorsaison, das rechte Wadenbein und der Schweizer Flügelstürmer Nino Niederreiter, Minnesotas drittbester Vollstrecker in 2016/17 (25 Tore, 57 Punkte) verstauchte sich den linken Fuß. Noch weitere zwei Mal musste Niederreiter Zwangspausen einlegen, ebenso wie Verteidiger Jared Spurgeon (25.11.-17.12) oder Schlussmann Devan Dubnyk (12.12.-27.12.), die im Dezember neun und sechs Spiele verletzungsbedingt verpassten. Summa summarum versäumten alle verletzten Spieler der Wild 102 Partien.
Niederreiter hatte sich so sehr seine Rückkehr ersehnt, wie er immer wieder bekundete. Am Freitagabend, als sich die Vegas Golden Knights im Xcel Energy Center die Ehre gaben, war es endlich soweit. Der gebürtige Churer setzte, auch wenn ihm kein Scorerpunkt gelang, Akzente mit zwei Torschüssen und einem +/-Wert von +2 in 15:16 Minuten Eiszeit. Die Wild entschieden dieses Duell mit 5:2 für sich, punkteten zum zehnten Mal in Folge vor heimischer Kulisse (8-0-2) und stellten ihre Franchisebestmarken aus der Spielzeit 2013/14 (7-0-3, 16.1.-15.3.) ein.
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Den unvorhersehbaren Einflüssen zum Trotz kämpften sich die Wild durch die jetzige Saison. Ende Oktober belegten sie nur den drittletzten Rang in der Western Conference, bis Ende November hatten sie sich auf den elften Platz verbessert, zum Jahreswechsel fehlte ihnen nur noch ein Zähler auf einen Wildcard-Platz und aktuell, nach dem triumphalen 5:2-Heimerfolg über das punktbeste Team der Western Conference, nehmen die Wild den zweiten Wildcard-Platz ein und haben sogar einen der ersten drei Ränge in der Central Division fest im Visier.
Der Kettle River fließt in den St. Croix River, dieser mündet in den Mississippi River der schließlich direkt nach St. Louis führt. Für die Wild sind es nur noch vier Punkte bis zu den Blues. Und sie haben alle Mann an Bord.