Blues ohne Umbruch auf Mission Titelverteidigung
NHL.com/de 31 in 31: St. Louis vertraut wieder dem Kader, der den Stanley Cup geholt hat
von Christian Treptow @NHLde / NHL.com/de Autor
Ab dem 1. August nimmt NHL.com/de mit seiner 31 in 31 Serie jedes Team genauer unter die Lupe. Von den wichtigsten Geschehnissen und Spielern bis hin zu Stärken und Schwächen, bieten wir eine umfassende Bestandsaufnahme der Klubs in der Liga.
In dieser Ausgabe geht es um die St. Louis Blues.
Es war eine dieser Geschichten, auf die vor allem die amerikanischen Sportfans so stehen. Anfang des Jahres waren die St. Louis Blues das schlechteste Team in der NHL. Doch die Mannschaft schaffte unter der Leitung von Craig Berube - damals noch Interims-Headcoach - die Wende. Und am Ende standen der Gewinn des Stanley Cups - zum ersten Mal in der Franchisegeschichte - und eine Siegerparade durch die Straßen der Stadt.
Und jetzt? Jetzt wird es die große Kunst von Berube - mittlerweile "richtiger" Headcoach und mit einem Drei-Jahresvertrag ausgestattet - sein, dafür zu sorgen, dass die Spieler begreifen, dass sie sich für die Erfolge der vergangenen Saison nichts kaufen können. Doch eine Titelverteidigung in der NHL - das hat die Vergangenheit gezeigt - ist alles andere als einfach. Zumal niemand mehr die Blues unterschätzen wird.
[Ähnliches: St. Louis vertraut Coach Craig Berube]
Die Schlüsselspieler
Die St. Louis Blues sind in diesem Sommer nicht durch großartige Trades oder Free-Agent-Verpflichtungen auffällig geworden. Offenbar sind Berube und General Manager Doug Armstrong der Meinung, dass der Kader, der in der Finalserie der Saison 2018/19 die Boston Bruins 4:3 besiegt hat, auch in der neuen Spielzeit gut genug ist, um zumindest in die K.o.-Runde einzuziehen.
Entsprechend sind auch die Protagonisten in Missouri dieselben wie in der vergangenen Saison. Die Hauptverantwortung lastet in der Offensive auf Ryan O'Reilly und Vladimir Tarasenko. O'Reilly bestritt alle 82 Spiele der regulären Saison, traf in diesen 28 Mal und bereitete 49 weitere Treffer vor. Das macht 77 Scorerpunkte, womit er bester Scorer der Blues war. Ein Connor McDavid bringt da sicherlich mehr Punkte zustande. Der Wert zeigt, dass die Blues die offensive Last lieber auf mehrere Schultern verteilen, statt sich von einem einzelnen Spieler abhängig zu machen. In den Playoffs war O'Reilly mit 23 Punkten (acht Tore, 15 Assists) bester Punktelieferant der Blues.
Video: BOS@STL, Sp4: O'Reilly bringt Blues mit 2. Tor in Fro
Bester Torschütze der Blues in der abgelaufenen Runde war Vladimir Tarasenko mit 33 Treffern. Einen ähnlichen Wert muss er auch wieder abliefern, wenn die Blues einen erneuten Angriff auf die begehrteste Trophäe im Vereinseishockey wagen wollen. Tarasenko musste sich im Sommer einer Knieoperation unterziehen. Er soll aber rechtzeitig zum Start der Saison wieder fit sein.
In der Verteidigung ist Alex Pietrangelo der Eckpfeiler. Mit 19 Punkten war er drittbester Scorer der Blues in den Playoffs. Hinzu kamen 41 Punkte (13 Tore, 28 Vorlagen) in der Vorrunde. Pietrangelo wird aller Wahrscheinlichkeit nach wieder das erste Verteidigerpärchen der Blues mit Carl Gunnarsson bilden. Und vielleicht sogar noch eine Schippe draufpacken. Denn am Ende der Saison kann er Unrestricted Free Agent werden.
Kann Binnington eine ganze Saison lang zaubern?
Jordan Binnington war die große Sensation in einem Team, das seit Januar von Schlagzeile zu Schlagzeile eilte. Am 7. Januar 2019 stand er erstmals im Tor der Blues. Beim 3:0 gegen die Philadelphia Flyers hielt er gleich seinen Kasten sauber. Der Rest ist Geschichte. Binnington zeigte auch in den Playoffs fantastische Leistungen und war einer der Hauptgründe dafür, dass der Cup erstmals nach St. Louis ging. Jetzt muss der 26-Jährige zeigen, dass er in seinem zweiten Jahr nicht in ein Loch fällt und auch über eine komplette Saison zaubern kann.
Jake Allen, den Binnington als Nummer 1 verdrängte, wird sich im Trainingscamp einen heißen Kampf um den Posten des Starters im Tor mit Binnington liefern. Für Allen spricht die Erfahrung von mittlerweile 265 NHL-Spielen. Er ist auf jeden Fall ein verlässlicher Back-up.
Video: Top-10 Saves 2018/19: Jordan Binnington
Sie könnten nachrücken
Was passiert, wenn Binnington oder Allen in ein Formtief kommen? Oder wenn sie sich verletzen? Dann steht bei den Blues Plan C schon bereit. Besser gesagt: Plan H. Dann könnte die Stunde von Ville Husso schlagen. Die Blues haben den Finnen 2014 in der vierten Runde an 94. Stelle im Draft gezogen. Er wartet noch auf sein erstes NHL-Spiel. Aber mit 24 Jahren wird es langsam auch Zeit, den Sprung in die NHL zu schaffen. Seine Statistiken im Farmteam in San Antonio waren in der vergangenen Saison allerdings nicht berauschend (Gegentorschnitt 3,67; Fangquote 87,1 Prozent).
Mit deutschen Spielern haben die St. Louis Blues in der Vergangenheit gute Erfahrungen gemacht. Hier begann Jochen Hecht seine NHL-Karriere. Treten die beiden Stürmer Nikita Alexandrov und Dominik Bokk in dieser Saison schon in Hechts Fußstapfen? Alexandrov hat Anfang August einen Entry-Level-Vertrag unterschrieben. Allerdings ist das ein Zwei-Wege-Vertrag. Er wird die Saison wohl eher im Farmteam beginnen. Auch Bokk, ebenfalls schon mit einem Entry-Level-Vertrag ausgestattet, muss sich wohl noch ein bisschen gedulden auf seinen ersten NHL-Einsatz. Er bleibt noch bei den Växjö Lakers in der schwedischen Eliteliga.
Sollten die Blues Bedarf an Stürmern haben, dann kommen aus ihrem Talentepool wohl am ehesten Klim Kostin und Jordan Kyrou infrage. Letzterer hat in der vergangenen Runde schon NHL-Luft geschnuppert. In 16 Spielen erzielte er ein Tor und verbuchte zwei Vorlagen. Kostin, an 31. Stelle 2017 im Draft gezogen, hatte in der vergangenen Spielzeit 24 Punkte (zehn Tore, 14 Assists) in San Antonio.
Stärken
Der große Umbruch nach dem Cup-Gewinn ist ausgeblieben. General Manager Armstrong hat darauf verzichtet, das Team komplett auf links zu drehen. Große Free-Agent-Verpflichtungen gab es nicht. Und auch in Sachen Trades hielt man sich vornehm zurück. Der Vorteil: Das Team ist eingespielt. Jeder kennt jeden. Die Automatismen sollten bekannt sein.
Die Blues vertrauen wieder auf die Ausgeglichenheit der Mannschaft. In den Scoring-Statistiken wird man die Blues-Akteure wohl auch in der kommenden Runde nicht ganz vorne sehen. Das werden die Spieler aber locker verschmerzen können, wenn am Ende wieder der ganz große Wurf gelingen sollte.
Entwicklungspotenzial
Was soll man bei einer Mannschaft noch verbessern, die als Titelverteidiger in die Saison startet? Wohl nicht viel. Head Coach Craig Berube und sein Team werden aber darauf achten müssen, dass die Blues nicht noch mal so einen Fehlstart wie in der vergangenen Runde hinlegen. Für Berube gilt es, neue Reize zu setzen. Neue Spieler muss er nicht integrieren. Er muss vielmehr darauf aufpassen, dass sich bei den Etablierten nicht der Schlendrian einschleicht, dass sie nicht satt werden. Hinzu kommt, dass die Blues von nun an der Gejagte sind. Jedes Team wird sich gegen den Titelverteidiger besonders ins Zeug legen.
[Lies noch mehr 31 in 31 Saison-Vorschauen von NHL.com/de]
Playoff-Chancen
Der Titelverteidiger nicht in den Playoffs? Klar, gab es schon. Aber dass das den St. Louis Blues in der Saison 2019/20 passiert, ist eher unwahrscheinlich. Wenn die Mannschaft den Spirit aus den vergangenen Playoffs mit in die nächste Saison nehmen kann, sollte die Qualifikation für die Endrunde kein Problem sein. Vielleicht geht ja auch was in Richtung Titel in der Central Division. Die Konkurrenz dort ist mit den Nashville Predators, Colorado Avalanche, Dallas Stars, Winnipeg Jets, Chicago Blackhawks und Minnesota Wild allerdings nicht ohne.