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NHL.com/de beleuchtet jeden Dienstag der regulären Saison 2019/20 aktuelle Trends in der Liga und Storylines. In dieser Ausgabe geht es um die Ausgeglichenheit in der NHL.

Mit dem Winter Classic im Cotton Bowl zwischen den Dallas Stars und den Nashville Predators ist die NHL in das neue Jahrzehnt gestartet. Über 80.000 Zuschauer sahen das Spektakel, das längst zu einer eigenen Marke am Neujahrstag geworden und aus dem Kalender der Liga nicht mehr wegzudenken ist. Das Winter Classic ist ein Beleg dafür, dass es der Liga gut geht. Innerhalb einer Serie von Hunderten von kleinen Events setzt die NHL auf einen spektakulären Höhepunkt.
Der NHL geht es zu Beginn des dritten Jahrtausends gut. Was hauptsächlich daran liegt, dass die Liga so ausgeglichen ist wie nie. Die Formulierung "jeder kann jeden schlagen" trifft hier zu wie in kaum einer anderen der vier großen nordamerikanischen Profiligen NHL, NFL (American Football), NBA (Basketball) und MLB (Baseball). Das beste Beispiel dafür lieferte die Spielzeit 2018/19. Im Januar waren die St. Louis Blues noch Letzter. Doch mit einem unglaublichen Lauf von Januar bis Juni holten die Blues erstmals den Stanley Cup nach Missouri.
Solche Aschenputtel-Geschichten sorgen dafür, dass die NHL populärer wird und auch Leute erreicht, die vorher eher weniger mit Eishockey zu tun haben. Im speziellen Fall der Blues ging dann auch noch eine besondere persönliche Geschichte mit einher. Wer außer den absoluten Experten kannte vor einem Jahr Jordan Binnington? Mittlerweile ist er eine feste Größe im Tor der Blues. Auch solche Einzelschicksale machen die Liga von Jahr zu Jahr attraktiver.

Top-10 Saves 2018/19: Jordan Binnington

Doch der Titelverteidiger ist nicht automatisch der Favorit auf den Titel in der aktuellen Saison. Den Pittsburgh Penguins gelang 2017 die Titelverteidigung. Zuvor war das letztmals 1998 den Detroit Red Wings gelungen. Serien wie Anfang der 1980er-Jahre, als die New York Islanders und die Edmonton Oilers jeweils viermal den Cup holten, sind in der modernen NHL nicht mehr vorstellbar. Die Islanders sicherten sich den Titel sogar viermal in Serie. Das ist in der NHL im dritten Jahrtausend fast unvorstellbar.
Die Zeiten, in denen ein Team das Geschehen in der Liga über Jahre hinweg nach Belieben dominiert, sind Geschichte. Und selbst wenn eine Mannschaft in einer Saison von Rekord zu Rekord eilt, ist das in den Playoffs noch lange keine Garantie dafür, dass diese Truppe am Ende auch den ganz großen Preis mit nach Hause nimmt. Bestes Beispiel sind dafür die Tampa Bay Lightning, die in der Spielzeit 18/19 in der Vorrunde alles in Grund und Boden spielten. In der K.o.-Phase ging ihnen aber die Puste aus und sie unterlagen in der ersten Runde der Playoffs den Columbus Blue Jackets sensationell mit 0:4. Den anderen Divisionsmeistern erging es nicht anders und erstmals scheiterten alle vier gleich in der Auftaktrunde.
Ähnliches: 14. [Powerranking: Maple Leafs und Lightning klettern]
Der Salary Cap hat sich als Segen für die NHL entpuppt. An den einzelnen Standorten müssen die General Manager mit den gleichen finanziellen Rahmenbedingungen auskommen. Die Zeiten, in denen die Mannschaften aus den wirtschaftlich potenteren Märkten wie die New York Rangers ihren Standortvorteil nutzten und ein Team von Superstars bilden konnten, gibt es nicht mehr. Und selbst wenn man zum Beispiel zwei absolute Weltklasseakteure in seinen Reihen hat, wie aktuell die Edmonton Oilers mit Leon Draisaitl und Connor McDavid, ist das noch lange keine Garantie, dass man zumindest das Finale um den Stanley Cup erreicht. Im Gegenteil. In der vergangenen Saison sind die Oilers noch nicht mal in die Playoffs gekommen.
Wie eng es in der Liga derzeit zugeht, beweisen die Zahlen nach 638 NHL-Partien (3. Januar). Nur fünf Punkte haben da die fünf besten Scorer der Liga getrennt. Das Rennen um die Art Ross Trophy als bester Scorer wird wohl erst auf der Zielgeraden entschieden. Damit einher geht, dass es auch mehrere Kandidaten gibt, wenn die Vergabe der Hart Trophy für den wertvollsten Spieler ansteht. 631 Spieler hatten sich in die Torschützenliste eingetragen. Das waren 76,9 Prozent aller 821 Akteure. Nur in der vergangenen Spielzeit waren es mit 640 noch mehr. 31 Spieler haben einen Hattrick erzielt. Vieren gelang dieses Kunststück sogar zweimal (Noel Acciari, David Pastrnak, Connor McDavid und James Neal).

EDM@TOR: McDavid trifft nach schöner Bewegung

Die NHL profitiert auch davon, dass die Offensive immer mehr in Mode kommt. 3918 Tore (inklusive der entscheidenden Treffer im Penaltyschießen) sind in den 638 Partien gefallen. Das waren die zweitmeisten in den vergangenen 23 Jahren. Nur 2005/06 hatten die Zuschauer mit 3981 Toren öfter Grund zum Jubeln. 6,1 Tore pro Spiel in dieser Saison reichen immerhin für den geteilten zweiten Platz (2018/19) hinter der Spielzeit 2005/06 (6,2).
2953 Treffer sind bei gleicher Anzahl von Spielern auf dem Eis gefallen, die entscheidenden Tore im Penaltyschießen nicht eingerechnet. Das ist der höchste Wert zur Halbzeit seit 1992/93 (3092). 445 Spiele wurden mit einem Tor Differenz entschieden oder mehreren Treffern mit wenigstens einem davon ins leere Tor.
Die neu entdeckte Offensivpower führt auch dazu, dass Führungen keine Garantie mehr sind. 269 Mal wurde ein Spiel von einer Mannschaft gewonnen, die mit wenigstens einem Tor zurück lag. Das sind zur Halbzeit einer Saison die viertmeisten Comebacks in der Geschichte der Liga. Unabhängig vom Resultat wurde in 140 Partien von einem Team ein Rückstand von zwei Treffern aufgeholt. 77 Mal gewann eine Mannschaft noch, nachdem sie wenigstens einen Zwei-Tore-Rückstand aufgeholt hatte. Auch das ist der vierthöchste Wert zur Halbzeit einer NHL-Saison.
Ein Spitzenwert zur Mitte einer NHL-Spielzeit sind gar die 33 Siege, die die Teams eingefahren haben, nachdem sie im dritten Drittel mit mindestens zwei Treffern hinten waren. Wer jetzt aber denkt, dass dabei die Spannung abhandengekommen ist, der irrt. 154 Mal ging es in die Verlängerung.
Und auch in der Tabelle ist die Ausgeglichenheit der Liga deutlich abzulesen. Nur ein Punkt trennte die besten drei Mannschaften in der Liga zur Halbzeit. 23 Teams waren entweder auf oder innerhalb von fünf Punkten von einem Playoff-Platz. Darunter waren auch sieben Teams, die es im Frühjahr 2019 nicht in die Endrunde geschafft haben.
Die Liste ließe sich fast beliebig fortführen. Die Statistiker dürfen fast täglich neue Bestleistungen für die Rekordbücher vermelden. Alex Ovechkin (Washington Capitals) ist auf seiner Jagd nach 700 Toren in seiner NHL-Karriere nicht aufzuhalten. Auch Verteidiger wie Roman Josi (Nashville Predators) und John Carlson (Washington Capitals) haben ihre Liebe fürs Scoren entdeckt.

ARI@NSH: Josi haut Handgelenkschuss vom Punkt rein

Dabei muss die NHL keine Angst haben, dass ihr irgendwann die Talente ausgehen. Im Draft werden jährlich die besten jungen Spieler aus aller Welt ausgewählt. Jack Hughes (New Jersey Devils) und Kaapo Kakko (New York Rangers) stehen gerade erst am Anfang ihrer Karrieren. Wenn sie auch nur ansatzweise das halten, was die Eishockeywelt von ihnen erwartet, haben die Fans weltweit und speziell die Anhänger im Großraum New York viel Spaß in den kommenden Jahren.
Diese einmalige Kombination aus viel Talent, Offensive und gleichmäßig verteiltem Talent wird auch von den Fans goutiert, die keinen Platz in den Arenen bekommen. Die Einschaltquoten stimmen, was in einem Jahr, in dem der Vertrag mit NBC ausläuft, nur hilfreich sein kann. Der aktuelle Kontrakt ist 2011 unterschrieben worden und garantierte der Liga über einen Zeitraum von zehn Jahren 200 Millionen US-Dollar per anno. Laut NBC Sports sahen 424.000 Fernsehzuschauer im Schnitt die Spiele in der Saison 2018/19 - ein Plus von zwei Prozent gegenüber der Spielzeit 2017/18. Spiel 7 der jüngsten Finalserie zwischen den Boston Bruins und den St. Louis Blues sahen im Schnitt neun Millionen Zuschauer vor den Bildschirmen - so viele wie noch nie.
Die Chancen stehen gut, dass diese Zahlen weiter in die Höhe gehen. Denn mit Seattle bekommt die Liga eine 32. Franchise. Damit sind dann auch endlich in jeder Division acht Mannschaften. Und dass Expansion Teams in der neuen NHL nicht wie früher erst mal ein paar Jahre Fallobst sein müssen, bewiesen die Vegas Golden Knights, die in ihrer Premierensaison erst im Stanley Cup Finale von den Washington Capitals in die Schranken gewiesen wurden.
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Also alles im grünen Bereich? Bestimmt, wenn man die Liga im Allgemeinen anschaut. Doch in Kanada sehnt man sich danach, den Cup endlich wieder im Mutterland des Eishockeys feiern zu können. Die Montréal Canadiens waren 1993 das letzte kanadische Team, das den Cup gewann. Die Toronto Maple Leafs schicken sich an, das nächste heiße Eisen im Feuer für die Ahornblätter zu sein. Ein Stanley Cup Sieger aus Kanada würde der Liga noch mal einen enormen Schub verleihen und vielleicht sogar den Weg frei machen für eine weitere Franchise im Norden.
Doch auch wenn man sich in Kanada ein bisschen gedulden müsste: Der Popularität der Liga würde das nicht schaden. Die NHL macht in der Gegenwart schon ein gutes Bild. Und die Zukunft sieht ebenfalls äußerst rosig aus.