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Marco Sturm hat zwar nie den Stanley Cup gewinnen können, aber er hat als Deutscher in der NHL die meisten Spiele absolviert und Punkte geholt. Von 1997 bis 2012 war er in der NHL für sechs Mannschaften aktiv und hat 938 Spiele in der regulären Saison und 68 Playoff Spiele gespielt. Der heutige deutsche Bundestrainer wird in einer regelmäßigen Kolumne exklusiv für NHL.com/de seine Ansichten zu Teams, Spielern und brennenden Fragen teilen.
Hier die neueste Ausgabe:

Tobias Rieder geht von den Arizona Coyotes zu den Los Angeles Kings. Das war die Meldung für das deutsche Eishockey in der NHL. Ich sehe diesen Wechsel in mehreren Sichten als absolut positiv für Tobi. Darum habe ich auch gleich unmittelbar nach der Bekanntgabe Kontakt mit ihm aufgenommen und ihm persönlich dazu gratuliert. Ich denke es ist ein guter Zeitpunkt, aus Arizona wegzukommen, denn die Situation war nicht ganz einfach dort. Wenn du mehrere Jahre hintereinander spielst und keine Chance hast in die Playoffs zu kommen, dann fällt die Motivation schon schwer und es ist teilweise frustrierend.
Er ist mit 25 Jahren ein junger Spieler mitten im Reifungsprozess, der noch einiges vor sich hat. Jetzt ist er an einem Standort gelandet, an dem ich auch schon gespielt habe. Für mich ist es einer der besten der NHL. Die Kings sind top organisiert und haben ein Top-Personal mit einer sehr guten Mannschaft. Von daher freut es mich ungemein, dass Tobi jetzt ein King ist.

Sie sind mitten im Rennen um die Stanley Cup Playoffs und ich hoffe für ihn, dass sie diese schaffen. Die Erfahrung in den Playoffs zu spielen, wird Tobi noch stärker machen. Es ist etwas, was ihm in seiner Karriere noch fehlt. Man lernt einfach unter noch höherem Druck zu spielen. Die Spiele verlaufen komplett anders als in der regulären Saison. Die Intensität nimmt deutlich zu und es wird als Stürmer noch schwieriger Akzente zu setzen bzw. man muss mehr Gas geben, um diese zu setzen. Am Ende des Tages macht genau diese Erfahrung einen Spieler stärker.
Los Angeles ist aber auch ein noch schwierigeres Pflaster als Arizona. Ich hoffe sehr für Tobi, dass er länger bleiben darf, als ich damals oder Christian Ehrhoff danach. Die Voraussetzungen sind gut, denn ich denke, dass der Trainer diesen Trade mit abgesegnet hat, Tobi als Spieler wollte und ihm nicht wie bei Christian und mir damals die Rückendeckung des Trainers fehlen wird. Von daher hoffe ich auf das Beste und dass er seinen Vertrag dort verlängern kann.
Trotzdessen ich bereits nach 17 Spielen weggeschickt wurde, möchte ich nochmals betonen, dass die Kings für mich eine überragende Organisation sind. Das hat sich seit ihren Stanley Cup Siegen 2012 und 2014 sogar noch gesteigert. Ein Spieler kann sich dort absolut wohlfühlen, weil er perfekt umsorgt wird und mit Los Angeles in einer tollen Stadt und mit Kalifornien in einer tollen Region spielen kann.
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Ähnlich verhält es sich mit den New York Rangers. Sie haben sich für Viele sehr frühzeitig und überraschend von den Playoffs verabschiedet, obwohl der Rückstand eigentlich nicht sehr groß war. Doch das Management merkt schon während einer Saison, ob etwas geht oder nicht. Das ist für mich der Beweis, dass sie schon erkannt haben, dass es selbst wenn es mit der Qualifikation zu den Playoffs noch geklappt hätte, es nicht lange gut weiter gegangen wäre.
Bei den Rangers gibt es immer große Erwartungen. Die Fans sind womöglich jetzt erst einmal enttäuscht, aber der große Knall ist manchmal besser für die zukünftige Entwicklung, um so mit neuen Spieler und vielen Draft-Picks neu durchzustarten. Ich finde diese Vorgehensweise nicht schlecht. Alle New Yorker Teams in allen Profisportarten wollen vorne dabei sein und deswegen wird von ihnen am Free Agent Markt im Juli sicher investiert werden und dann können wir in den kommenden Jahren sicher auch wieder andere, erfolgreichere Rangers erleben.
Nicht gut läuft es leider für Dennis Seidenberg bei den New York Islanders. Er kommt nur sporadisch zum Einsatz und hat so kaum Möglichkeiten sich für einen neuen Vertrag zu empfehlen. Das ist für ihn nach seiner tollen Karriere natürlich unbefriedigend. Ich sehe, dass er trotz seines Alters von 36 Jahren immer noch das Zeug dazu hätte ein solider NHL-Verteidiger zu sein und er hat für mich selbst dieses Jahr den Beweis dazu angetreten. Der Trend in der NHL geht allerdings aufgrund des Salary Cap sehr stark zu jungen Spielern und darunter leiden natürlich ältere Spieler wie Dennis. Ich hoffe für ihn, dass es noch zu einem neuen Vertrag reicht. Im anderen Fall muss er für sich entscheiden, ob er seine Karriere beendet oder noch in Deutschland spielen möchte, wie ich es damals gemacht habe. Eine Empfehlung in die eine oder andere Richtung kann ich nur aufgrund meiner eigenen Erfahrung nicht aussprechen.

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Gemausert haben sich die Philadelphia Flyers, die zuletzt einen deutlichen Sprung nach vorne gemacht haben. Ich finde, dass sie bereits die komplette Saison sehr konstant auftreten. Sie scheinen eine sehr kompakte und intakte Mannschaft unter der Führung eines guten Trainers, Dave Hakstol, zu haben. Sie haben gute Voraussetzungen in der Metropolitan Division am Ende oben dabei zu sein und in den Playoffs auf sich aufmerksam zu machen.
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Absolut positiv sehe ich die Entwicklung, dass die NHL anfängt wieder verstärkt in Europa Präsenz zu zeigen, weil dadurch das mediale Interesse am Eishockey steigt. Wir hoffen natürlich auch in den kommenden Jahren ein NHL-Punktspiel nach Deutschland zu bekommen. Mit dem Spiel der Edmonton Oilers um Leon Draisaitl gegen die Kölner Haie, mit seinem Vater Peter Draisaitl als Trainer, am 3.Oktober in Köln haben wir eine Begegnung, die mit sehr großer Sicherheit in den Fokus der Öffentlichkeit rücken wird. Was gibt es besseres, als wenn eine NHL-Mannschaft nach Deutschland kommt und dann noch mit Leon in seiner Geburts- und Heimatstadt auftritt? Das wird eine riesige Werbung, nicht nur für die NHL, sondern für das Eishockey in Deutschland insgesamt.