Ronja Jenike: „Ich werde mich nicht verbiegen“

Ronja Jenike ist ein Tausendsassa. Die gebürtige Hamburgerin ist Development Coach für die DEB-Frauenteams, Assistenztrainerin der deutschen Frauen-Nationalmannschaft für die kommende WM, TV-Expertin bei Magenta Sport, studierte Sportwissenschaftlerin, Ehefrau eines DEL-Torwarts und allen voran Mutter von drei Kindern. Mit NHL.com/de sprach Jenike exklusiv über ihre Transformation von Spielerin zur Trainerin, die anstehende Weltmeisterschaft und die Bedeutung von Eishockey in ihrer Familie.

Jenike: „Es ist, wie wenn man nach Hause kommt“

Jenike spielte viele Jahre in der höchsten deutschen Spielklasse DFEL für den Hamburger SV und die meiste Zeit für den ESC Planegg. Zudem vertrat sie Deutschland bei mehreren Weltmeisterschaften. Bei der in wenigen Tagen startenden WM 2024 in den USA (3. bis 14. April in Utica) wird sie wieder mit dabei sein, wenn auch in neuer Funktion als Assistenztrainerin.

„Ich freue mich total, dass ich nach ein wenig Abstand den Schritt auf die internationale Bühne machen kann“, sagt Jenike im exklusiven Gespräch mit NHL.com/de. „Schon in den Jahren, in denen ich nicht dabei war, habe ich sehr mitgefiebert und den Kontakt zu Spielerinnen und Trainern gehalten. Ich freue mich darauf, dass ich jetzt wieder Input geben kann.“

Den Wandel von Spielerin zur Trainerin sieht die ehemalige Verteidigerin unproblematisch. „Meine aktive Zeit liegt schon länger zurück. Der Blickwinkel hat sich verändert, was gutgetan hat. Mir macht es brutal viel Spaß, mich in diesem Umkreis zu bewegen. Es ist, wie wenn man nach Hause kommt. Die Umstellung ist mir also nicht schwergefallen“, sagt Jenike, die auch keine Sorge davor hat, in neuer Funktion ehemaligen Kolleginnen vor dem Kopf stoßen zu müssen. „Schon als Spielerin war ich vom Typ her ein sehr offener Mensch, der mit seiner Meinung nicht hinterm Berg gehalten hat. Wenn ich jetzt als Trainerin das Gefühl habe, einer Spielerin etwas mitteilen zu müssen, dann werde ich das auch tun. Von mir wird man immer eine ehrliche Meinung bekommen. So kannten mich die Spielerinnen schon zu meiner aktiven Zeit. Ich sehe da also keine Gefahr.“

Ein wenig juckt es aber bis heute, wenn die Hamburgerin die Eishockey-Handschuhe überstreift und ihre Kufen das Eis berühren. „Es macht es immer Spaß, auf dem Eis zu sein. Es wäre gelogen, wenn man sagt, dass es nicht in den Fingern kribbelt, aber man muss realistisch bleiben: Ich habe dieses Kapitel bereits 2017 abgeschlossen und mich dazu entschlossen, Mama zu sein. Mein sportlicher Ehrgeiz ist zu groß, ich könnte den Aufwand nicht mehr betreiben, um dem Ganzen gerecht zu werden. Mein Platz ist jetzt an einer anderen Stelle. Der Einstieg als Assistenztrainerin fühlt sich richtig an.“

Mit jungen Wilden und einer 16-jährigen Torfrau zur WM

In dieser Funktion war Jenike auch an der Kaderzusammenstellung für die anstehende WM beteiligt.

„Natürlich wird die Kaderzusammenstellung innerhalb des Trainerteams besprochen. Die letzte Entscheidung hat dabei (Bundestrainer) Jeff MacLeod. Er war sehr offen in seiner Kommunikation, hat sich viele Meinungen eingeholt und sich ein gutes Bild vom deutschen Spieler-Pool gemacht. Ich habe also kein Veto einlegen müssen“, berichtet Jenike, die glaubt, einen hungrigen Kader nominiert zu haben: „Uns werden schon wie in den Jahren zuvor Einsatz und Kampfbereitschaft auszeichnen. Wenn man sich den Kader anguckt, fällt auf, dass wir ein junges Team haben. Nach der verpassten Olympia-Qualifikation gab es im Nationalteam einen Umbruch. Viele der älteren Spielerinnen haben aufgehört, jetzt füllen die Jungen diese Positionen aus.“

Außergewöhnlich etwa war die Berufung der erst 16-jährigen Torhüterin Hannah Loist (EHC Wolfsburg). „Hannah ist sehr jung, für ihr Alter ist sie aber schon sehr weit. Auch in ihren Entscheidungen und Handlungen hat sie eine gewisse Reife nachgewiesen, sich bei der U18-WM als Starterin durchgesetzt, einen super Job gemacht und sich Respekt erarbeitet. Sie hat es sich verdient, dabei zu sein“, betont Jenike. „Wir sehen in ihr auch großes Potenzial für die nächste und übernächste Saison und freuen uns auf ihre Entwicklung. Die WM-Erfahrung wird ihr helfen.“

Geschätzte TV-Expertin

Auf Jenikes Einschätzungen vertraut auch der Sender Magenta Sport, der die 34-Jährige als Expertin bei DEL-Spielen einsetzt.

„Ich kriege viel positives Feedback von den deutschen Spielern in der Liga, weil sie mir in meinen Einschätzungen oft zustimmen“, erklärt Jenike, die das Programm mit ihren scharfen Analysen aufwertet und oft den Scheinwerfer dreht. „Ich finde es wichtig, dass Frauen diesen Job machen, denn sie haben einen anderen Blick auf die Dinge und tun sich vielleicht leichter, Dinge anzusprechen als Männer. Als Frau kann man mal über Emotionen sprechen, die Spieler beschäftigen könnten. Es ist auch wichtig für das Verständnis in der Gesellschaft, dass es sich verankert, dass Frauen Teil des Eishockey-Sports sind.“

Auch im Jahr 2024 bleiben Ablehnung und Anfeindungen leider nicht aus. Jenike nimmt das aber ganz gelassen. „Ich bewege mich schon mein ganzes Leben in einer Männerdomäne, da hast du diesen Alien-Charakter längst angenommen. Ich glaube, dass wenn man die Sprache Eishockey spricht, es egal ist, ob du in der DEL oder DFEL gespielt hast. Der Sport bleibt der gleiche. Wenn alte, weiße Männer ein Problem damit haben, dann ist das in Ordnung für mich. Ich nehme mir das nicht zu Herzen und werde mich auch nicht verbiegen.“

Mitfiebern mit dem Ehemann

Auch im Privaten spielt Eishockey eine große Rolle in Jenikes Leben. Immerhin hat sie mit Andreas Jenike einen DEL-Torwart geheiratet, der mit den Iserlohn Roosters zuletzt den nicht mehr für möglich gehaltenen Klassenerhalt feiern konnte.

„Das prallt natürlich nicht an einem ab“, so Jenike. „Als Ehefrau stecke ich da voll mit drin und fiebere mit. Sportlich kann ich mich in viele Situationen auf dem Eis und in der Kabine hineinversetzen. Ich war dieses Jahr sehr froh, als die Saison vorbei war, denn es war ein wilder und sehr intensiver Ritt. Es war die erste Woche der Saison, in der wir nicht bibbern mussten. Uns ist allen ein Stein von Herzen gefallen.“

Gleichzeitig gibt es im Hause Jenike auch noch andere Gesprächsthemen als Eishockey: „Es ist nicht so, als hätten wir keine anderen Themen, ich denke, wir haben da ein gutes Mittelmaß. Eishockey ist nicht unser lebensbestimmender Inhalt“, sagt Jenike und muss lachen: „Wenn Hockey im Fernsehen kommt, bin eher ich die treibende Kraft, die sich das gerne anschaut. Andy will dann eher einen Film gucken oder etwas anderes machen.“

Alles, nur kein Goalie

Die nächste Generation ist derweil längst mit dem Eishockey-Virus infiziert. Die Kinder flitzen längst in Iserlohn auf Schlittschuhen über das Eis. Der Name Jenike könnte in Eishockey-Deutschland also auch in den nächsten Jahren ein Begriff bleiben.

„Wenn sie Hockey spielen wollen, dann dürfen sie das auch. Wir sind uns einig, sie zu nichts zu zwingen. Doch es gibt eine Regel: Sie werden kein Torwart!“, lacht die Mama. „Ich tue alles dafür, dass keines meiner Kinder ins Tor geht. Es gibt in jeder Mannschaft nur zwei Torhüter, es kann immer nur einer spielen. Das möchte ich nicht.“