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In der Rubrik "NHL Pulse" beleuchtet NHL.com/de an jedem Montag aktuelle Themen, Diskussionen und Entwicklungen der Saison 2018/19, die im Hintergrund des Spielgeschehens liegen.
Heute geht es um die Frage wie viel Eiszeit für einen Spieler die optimale ist:

Seit Trainer Ken Hitchcock die Verantwortung an der Bande der Edmonton Oilers übernommen hat, ist die durchschnittliche Eiszeit von Connor McDavid um knapp 1 1/2 Minuten pro Spiel angewachsen.
Waren es bis zur Entlassung von Coach Todd McLellan 22:13 Minuten insgesamt pro Begegnung, 17:43 Minuten bei nummerischen Gleichgewicht, stand McDavid in den Partien seit dem Trainerwechsel rekordverdächtige 23:51 Minuten, deren 19:51 bei Gleichzahl, auf dem Eis.

MIN@EDM: McDavid verschafft sich Platz und trifft

Diese Entwicklung zeigt, dass der Trainer mehr Verantwortung auf die Schultern seines Top-Stürmers legt. Die simple Taktik zahlt sich bislang aus. Mit Hitchcock kam der sportliche Erfolg zurück nach Edmonton, das Team nahm wieder Kurs in Richtung Stanley Cup Playoff-Qualifikation.
McDavid zahlt es bislang mit Leistung zurück. Am Sonntag war er beim 1:0 über die Calgary Flames einmal mehr der Schütze des am Ende siegbringenden Treffers. Durch diesen, dank seiner entscheidenden Mithilfe, hart erkämpften Erfolg, rückten die Oilers bis auf einen Punkt an die Wildcard-Plätze im Westen heran. Sie fügten den Flames die erste Niederlage nach zuvor fünf doppelten Punktgewinnen in Folge zu. Edmontons Kapitän belohnte das in ihn gesetzte Vertrauen des Trainers für jedermann sichtbar.
Ein Blick über den kurzfristigen Tellerrand hinaus, lässt einen nachdenklich werden, ob dieses Vorgehen McDavid noch stärker zu beanspruchen, am Ende wirklich die richtige Taktik für einen langfristigen Erfolg, der zum Saisonstart mehrmals enttäuschend aufgetretenen Organisation sein kann.
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McDavid ist aktuell auf Kurs in Richtung eines neuen Rekordes in Sachen Einsatzzeit bei gleicher Mannschaftsstärke auf dem Eis. Kann er das körperlich auf die Dauer durchhalten?
Ein Blick in die Statistiken der Ligageschichte verrät, dass in den letzten 20 Jahren während einer regulären Saison bisher nur sieben Stürmer im Schnitt über 18 Minuten Eiszeit verbuchten. Diese waren neben McDavid in der laufenden Saison noch Pavel Bure (2000/01, 19:12), Jaromir Jagr (1998/99, 18:44), 2x Martin St. Louis (2011/12, 18:26; 2007/08, 18:20), 2x Ilya Kovalchuk (2011/12, 18:22; 2010/11, 18:14), Patrick Kane (2018/19, 18:15) und Nathan MacKinnon (2018/19, 18:06).
Zum Vergleich: Sidney Crosby von den Pittsburgh Penguins kann im Laufe seiner langen und erfolgreichen Karriere bislang durchschnittlich auf 15:49 Minuten Eiszeit in dieser Kategorie verweisen mit einem Höchstwert von 17:11 in 2013/14.
Über 23 Minuten pro Spiel auf dem Eis, ist das körperlich über Wochen hinweg problemlos zu stemmen?
Hält seine Einsatzzeit bis zum Ende der Hauptrunde im April weiterhin so an, dann steuert McDavid hochgerechnet auf nahezu 24 Minuten pro Spiel zu. Dies wäre der höchste Wert seit Kovalchuk in der Saison 2012/13, der in Diensten der New Jersey Devils auf 24:44 Minuten kam.
So nachvollziehbar die Versuchung für einen Trainer auch ist, seinen besten Stürmer möglichst oft und lange auf das Eis zu schicken und damit, gerade in engen Partien, die Siegchancen seines Teams zu erhöhen, so sehr spielt der Trainer mit dem Feuer. Er geht damit diverse Risiken ein.
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Nicht nur, dass Spieler bei zu vielen und zu langen Einsätzen überspielt werden könnten, ihre Kreativität lässt nach und das Verletzungsrisiko steigt kontinuierlich, umso häufiger ein Aktiver an seine körperliche und mentale Leistungsgrenze herangehen muss.
Am Ende droht gar die zunächst unmerkliche Überschreitung dieser Belastungsgrenzen, was erfahrungsgemäß in der Folgezeit zu einem signifikanten Leistungsabfall führen könnte.
Spieler haben psychisch und physisch unterschiedliche Konstitutionen, sind unterschiedlich alt und haben verschiedene Spielstile.
Ein allgemeingültiger Vergleich der Aktiven untereinander verbietet sich daher. Eine belastbare Regel aufgrund von Erfahrungen mit anderen Spielern gibt es ebenfalls nicht. Was für Spieler A gilt, das muss für Spieler B eben nicht automatisch auch gelten.
Es ist die anspruchsvolle Aufgabe der Trainer im Zusammenspiel mit den Physiotherapeuten und dem Aktiven das richtige Maß herauszufinden, welche Anforderungen an Körper und Geist gestellt werden können. Einer übermäßigen Belastung muss eine Phase folgen, in der sich der Spieler schonen kann.
Die Trainingssteuerung ist hierbei ein wichtiger Faktor. Moderne Technik macht gerade auch in diesem Bereich signifikante Fortschritte, was einen Vergleich mit früheren Jahren erschwert.
Bei einem so erfahrenen Trainer wie dem 66-jährigen Hitchcock, darf man davon ausgehen, dass er die Möglichkeiten seiner Spieler richtig einzuschätzen vermag und deren Einsatzzeiten auf lange Sicht richtig dosieren kann. Ein Restrisiko bleibt jedoch immer.
Gelingt ihm die richtige Belastungssteuerung bei den Oilers, speziell bei McDavid nicht, riskiert er eine Verletzung seines Kapitäns und die Erfolgsaussichten der gesamten Mannschaft würden deutlich sinken.
Die Geschichte lehrt uns, dass es kein Patentrezept gibt. Ob Wayne Gretzky, Mario Lemieux oder ein aktueller Superstar wie Crosby, jeder fand seinen ganz eigenen Weg zum Maximalerfolg, musste aber auch immer wieder körperliche Rückschläge verkraften. Wie sich das im Falle von McDavid entwickeln wird, bleibt offen.