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Alleine in der vergangenen Nacht gab es in der besten Eishockeyliga der Welt fünf Mal das Ergebnis von 5:4, einmal sogar ein 6:4. Damit setzt sich der Trend der ersten Wochen, dass in der NHL deutlich mehr Tore fallen, ungebremst fort. Für die Zuschauer ein Traum, für Trainer wohl nur sehr begrenzt, sind diese doch auch für eine möglichst gut funktionierende Defensive verantwortlich.

Der Liga insgesamt tun diese spektakulären Ergebnisse zweifelsohne sehr gut, erfüllt sich so doch aktuell ein altes Bestreben, welches die Verantwortlichen schon seit Jahren umtrieb - die über Jahre sinkende Anzahl von Treffern pro Begegnung wieder signifikant anzuheben.
Hierfür hat die Liga die Ausrüstung der Torhüter und die Regeln verändert. Über das erst vor rund zwei Jahren eingeführte "3 gegen 3"-Format in der Verlängerung, das ebenso zu einer deutlich spektakuläreren Liga beigetragen hat, haben wir erst kürzlich berichtet.
Jetzt also der klare Trend zu torreicheren Spielen. Und das nicht etwa auf Kosten der Spannung, durch immer deutlichere Siege, sondern häufig durch aufregende und ausgeglichene Begegnungen.
Die Ursachen sind recht vielfältiger Natur. Natürlich wirkt sich dabei einerseits die modifizierte Torhüterausrüstung aus, neue Regeln haben Einfluss, aber eben auch große Talente quer durch die Liga. Darüber hinaus spielen unorthodoxe Taktiken der Trainer eine Rolle.

In den ersten 212 Spielen der noch immer jungen Saison gab es zum Beispiel schon 16 Hattricks. Das ist der höchste Wert nach dieser Anzahl von Spielen seit 1996/97. Damals waren es deren 18. Das spricht eindeutig für die Klasse der derzeitigen Spitzenstürmer.
Augenfällig in diesem Zusammenhang ist, dass Starstürmer Nikita Kucherov von den Tampa Bay Lightning zu diesem frühen Zeitpunkt bereits 14 Saisontreffer vorzuweisen hat. Da ließe sich eine Top-Ausbeute hochrechnen, wenn er dieses Tempo aufrechterhalten kann.
Diese Tendenz wird zusätzlich durch die Tatsache verstärkt, dass immer mehr außergewöhnliche junge Talente wie zum Beispiel Auston Matthews von den Toronto Maple Leafs in der Liga im positiven Sinn ihr Unwesen treiben. Matthews gelang kürzlich bereits sein 50. NHL-Tor im 96. Spiel seiner Karriere. Seit dem Einstieg von Alex Ovechkin ist Matthews der Spieler, der diesen Meilenstein am frühesten erreicht hat.
Solche Top-Leute, mit dieser Qualität, sorgen mit ihrer individuellen Klasse trotz ihrer Jugend für zahlreiche Treffer. Nach 40 Saisontreffern in seiner Rookie-Saison erreichte er in dieser Woche bereits wieder die 10-Tore-Marke.
Noch vor knapp zwei Jahren sah die Lage komplett anders aus. Da forderte Maple Leafs Headcoach Mike Babcock in der Zeitung "USA Today" größere Tore, um die Zahl der Treffer wieder zu erhöhen. Brian Burke von den Calgary Flames wollte dazu noch die Eisfläche vergrößert sehen und die Torhüterausrüstung sollte verkleinert werden, um die Spiele wieder attraktiver zu machen. Gedankenspiele gab es viele.

Damals hatte der Durchschnittswert der Treffer pro Spiel gerade eine neue Minus-Marke erreicht, war auf 5,38 abgesunken. Jonathan Toews von den Chicago Blackhawks beklagte sich: "Es ist nicht einfach zu treffen momentan. Keine Frage. Man hat dermaßen viel Talent in jedem Team, in allen vier Reihen. Da kommt es nicht darauf an, gegen wen ein Team antritt. Es ist immer sehr schwer erfolgreich zum Torabschluss zu kommen."
Defensivere Spielweisen wurden Anfang 2016 für die gesunkene Anzahl von Toren verantwortlich gemacht. Die durchschnittliche Fangquote der Torhüter hatte sich seinerzeit in zwanzig Jahren von 89,8 auf 91,6 Prozent gesteigert. "Die Torhüter sind verdammt gut geworden.", klagte seinerzeit Guy Lafleur mit einem Blick auf die sinkende Anzahl der Tore.
Jim Corsi hatte kürzlich in einem Beitrag auf NHL.com angemerkt, dass diese Sorgen in dieser Saison längst der Vergangenheit angehören. So verwies er in seiner Kolumne vor rund zwei Wochen auf die seit 2015/16 stetig steigende Anzahl von Toren. Der Wert sei über 5,42 auf 5,51 in der Vorsaison angestiegen merkte er an. In den ersten Spieltagen der Runde 2017/18 schnellte er gar auf 6,11 im Schnitt hoch. Und ein Ende ist nicht in Sicht, wie die vergangene Nacht eindrucksvoll untermauert hat.
Corsi sieht den Hauptgrund für diese Entwicklung in erster Linie in einer veränderten Taktik aller Teams. Ungewöhnliche Laufwege und mehr Risiko bei den angreifenden Teams machte er in seiner Kolumne für diese Entwicklung hauptverantwortlich. Diese würden es den Abwehrspielern sowie den Torhütern deutlich erschweren, den eigenen Kasten sauber zu halten.
Am Ende ist es sicherlich eine Mischung aus verschiedenen Entwicklungen. Neue Regeln, veränderte Ausrüstung, großes Offensivtalent, neue Verhaltensweisen der Stürmer auf dem Eis. Das alles ergibt derzeit torreiche und attraktive Spiele zuhauf.
Den Zuschauern dürfte das nur recht sein. Spiele mit 10 Toren und das auch noch halbwegs gleichwertig auf beide Mannschaften verteilt. Kann es aus Sicht eines neutralen Beobachters etwas Schöneres geben? Wohl kaum. Gerne weiter so!