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Wie hierzulande, ist es auch westlich des Atlantiks üblich, am 14. Februar Blumensträuße auszutauschen. Doch nicht jeder wird mit Rosen überrascht, manchmal flattert auch ein Kündigungsschreiben ins Haus. Pünktlich zum Valentinstag wurde Michel Therrien, der seit acht Jahren das Amt des Cheftrainers der Montreal Canadiens bekleidete, von General Manager Marc Bergevin vor die Tür gesetzt. Den Nachfolger hatte Bergevin ebenfalls Parat: Mit Claude Julien, der wenige Tage zuvor bei den Boston Bruins entlassen wurde, kehrt ein Altbekannter in das Bell Centre zurück.

Als er vor einigen Tagen gefragt wurde, wie er unter diesem großen Druck und der ständigen Überwachung arbeiten kann, antwortete Therrien gegenüber der Montreal Gazette: "Es ist ein schöner Job, den ich eigentlich gar nicht als Job ansehe. Ich sehe es eher als etwas, das ich jeden Tag mache und einfach liebe. Also gehe ich sozusagen nicht zur Arbeit, ich mache einfach etwas, das ich liebe."
Wie Therrien nun feststellen musste, wurde diese Liebe nicht erwidert. Ihm muss es am Valentinstag wortwörtlich den Boden unter den Füßen weggezogen haben, als die Canadiens ihren Neuen vorstellten. Bereits zum zweiten Mal wird er vom gleichen Mann ersetzt. Schon während der Saison 2002-03 folgte Julien dem aufgrund anhaltender Erfolgslosigkeit freigestellten Therrien und wurde als Übungsleiter der Canadiens verpflichtet. Zum Guten wendeten sich die Dinge damals nicht. Juliens Bilanz von 12-16-4-4 bis zum Saisonende untertraf die des Vorgängers (12-16-4-4) und auch der Playoffeinzug gelang ihm nicht.

Michel Therrien

Das Wechselszenario in Montreal hat unbestritten Unterhaltungswert und könnte das Drehbuch zu einer vorabendlichen Seifenoper im öffentlich-rechtlichen Rundfunk liefern. Doch obgleich die meisten Außenstehenden für diesen Trainerwechselzirkus maximal ein missmutiges Kopfschütteln übrighaben, Bergevins Beweggründe sind nachvollziehbar:
Seit geraumer Zeit hatte Therrien in Montreal keine Lobby hinter sich. Sowohl aus der Öffentlichkeit als auch aus den eigenen Reihen wurde seine Arbeit vielfach kritisiert. Zwar wurden die Gegenstimmen aufgrund des sensationellen Saisonstarts (13-1-1) der Canadiens leiser, ganz verstummen wollten sie jedoch seit dem Subban-Weber-Trade nie.
Obwohl die Canadiens mit 70 Punkten immer noch die Atlantic Division anführen, sah sich Therrien heftiger Kritik ausgesetzt. Die jüngsten, teils deutlichen Niederlagen -- drei der letzten fünf Spiele wurden zu Null verloren -- waren wie Öl im Feuer.
Kritiker befürchteten bereits einen heftigen Einbruch wie in der Vorsaison, als die Habs die zweite Saisonhälfte völlig verkorksten und auf dem sechsten Platz der Atlantic Division landeten. Zugegebenermaßen ist das Vorjahr aufgrund des damaligen Ausfalls von Starkeeper Carey Price mit der aktuellen Situation kaum vergleichbar. Auch wurden Stimmen laut, die Therrien für seinen Umgang mit jungen Spielern wie Alex Galchenyuk kritisierten.

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Ob Julien jedoch für alle Probleme der Canadiens eine Lösung parat hat, bleibt abzuwarten, wurde ihm doch häufig ebenfalls ein suboptimaler Umgang mit jungen Talenten nachgesagt.
Dennoch hatte Bergevin durch die Verfügbarkeit von Julien eine einzigartige Gelegenheit, sich von einem ungeliebten Mann zu trennen. Canadiens Eigentümer Geoff Molson machte mehrmals deutlich klar, dass ausschließlich einen bilingualer Trainer an der Bande stehen darf. Frankokanadische Spitzentrainer, die das Anforderungsprofil des ambitionierten Rekordmeisters erfüllen, sind rar gesät und Julien bestimmt nicht lange auf dem Markt. Das wusste auch Bergevin, weshalb er sich zu einer eiligen Handlung hinreißen ließ.
Dass Julien nun mit dem Standing eines Meistertrainers und mit einem StanleyCup Ring nach Montreal zurückkehrt, sollte sicherlich nicht zu seinem Nachteil sein.