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In der Rubrik "Person of Interest" widmet NHL.com/de jeden Dienstag einem Spieler oder einer anderen Persönlichkeit aus der NHL-Familie eine Story abseits des aktuellen Tagesgeschehens.
In dieser Ausgabe: Jonas Siegenthaler (Washington Capitals)

Als Jonas Siegenthaler vorigen Donnerstag vom Training der Hershey Bears nach Hause gekommen war und sich gerade zur Entspannung eine Runde an der Playstation gönnen wollte, klingelte unvermittelt das Telefon. Am anderen Ende meldete sich Hersheys Coach Spencer Carbery und überbrachte ihm eine erfreuliche Nachricht: Die Washington Capitals hätten sich entschieden, ihn von ihrer AHL-Filiale in den NHL-Kader hochzuziehen, weshalb er sich umgehend in die Hauptstadt begeben möge.
Der 21-jährige Zürcher reagierte prompt auf die für ihn höchst angenehme Order. "Ich bin so schnell wie möglich zum Gelände der Bears zurückgefahren, habe meine Ausrüstung zusammengepackt und mich auf den Weg nach Washington gemacht", erzählte er. Zweieinhalb Stunden später hatte er sein Ziel erreicht.
Beim Morning Skate am Freitag trainierte Siegenthaler erstmals seit der Preseason im September wieder mit dem Starensemble des amtierenden Stanley-Cup-Champions. Der Höhepunkt folgte am Abend desselben Tages. Beim Match gegen die Columbus Blue Jackets gab der Verteidiger seinen Einstand in der NHL. Genau 12:13 Minuten stand er bei seiner Premiere auf dem Eis, davon sogar 38 Sekunden im Penalty-Killing. Er verzeichnete einen Torschuss, drei Checks und zwei geblockte Schüsse - eine für einen Debütanten ordentliche Bilanz.

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"In den ersten beiden Shifts war ich sehr nervös, auch wenn es mir vermutlich niemand angesehen hat. Ich habe mir dann vorgenommen, möglichst einfach und solide zu spielen, damit mir keine Flüchtigkeitsfehler passieren. Das hat ganz gut funktioniert, auch wenn ich sicherlich noch Luft nach oben habe", sagte er im Rückblick auf seinen Einsatz.
Mit dem ersten NHL-Auftritt ist für Siegenthaler ein Traum in Erfüllung gegangen. "Es war ein ganz spezielles Erlebnis, das sich schwer in Worte fassen lässt. Schließlich bekommt nicht jeder die Chance, in der NHL zu spielen. Trotz der Niederlage gegen die Blue Jackets bin ich sehr glücklich über mein Debüt und habe jeden Moment genossen", beschrieb er seine Gemütsverfassung.
In der Preseason im September gehörte Siegenthaler lange Zeit zum erweiterten Kader des amtierenden Stanley-Cup-Champions und kam auch in Testspielen gegen die Ligakonkurrenz zum Einsatz. Am Ende schaffte der 1,90 Meter große und fast 100 Kilo schwere Defensivspezialist jedoch nicht den Sprung in Washingtons NHL-Team. Er musste stattdessen eine Klasse tiefer in Hershey auflaufen. Dort bestritt er in dieser Saison 14 Spiele und verbuchte zwei Assists.
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Die Capitals hatten Siegenthaler beim NHL Draft 2015 in der zweiten Runde an Gesamtposition 57 ausgewählt. Im Anschluss spielte er weiter für seinen Stammverein ZSC Lions in der Schweizer National League und machte zudem einige Begegnungen für die Bears in der AHL. Seine erste komplette Saison in Hershey absolvierte er 2017/18. Insgesamt stehen für ihn bis dato 102 Spiele in Washingtons Farmteam zu Buche. Dabei schoss er sechs Tore und bereitete neun Treffer vor.
An der Scorerpunktzahl lässt sich ablesen, dass Siegenthaler nicht in die Kategorie der Offensivverteidiger einzuordnen ist, sondern seine Stärken in der Abwehrarbeit besitzt. "Die Defensivzone ist mein Zuhause", sagt er von sich selbst. "Ich versuche immer einen guten Stock zu haben und einen guten Abstand zu den Stürmen zu halten, damit ich schnell aufschließen und die Angriffe unterbinden kann. Außerdem spiele ich sehr körperbetont, um es den Gegnern so unangenehm wie möglich zu machen", erläutert er seinen Stil.
Der Unterschied zwischen der AHL und der NHL ist nach Siegenthalers Worten enorm. "In der NHL sind Spielsystem und Matchplan perfektioniert. Die Spieler stehen fast immer am richtigen Ort. Wenn du einen Pass spielst, kannst du dich darauf verlassen, dass du einen Abnehmer findest. In der AHL dagegen geht es längst nicht so strukturiert zu. Das hängt sicher auch damit zusammen, dass es dort viele junge Spieler gibt, die manches ausprobieren und sich profilieren wollen", so Siegenthaler. Begeistert zeigt er sich vom Teamgeist, der bei den Capitals herrscht. "Alle helfen sich gegenseitig. Das ist gerade für Neulinge wie mich äußerst wichtig, um noch besser mit den Abläufen vertraut zu werden."
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Nach seiner Beförderung will Siegenthalers versuchen, sich so lange wie möglich im NHL-Kader zu halten. "Ich werde auf jeden Fall mein Bestes geben und es den Capitals schwer machen, mich wieder runterzuschicken. Diese Woche bin ich beim Roadtrip dabei. Vielleicht bekomme ich die eine oder andere Einsatzchance", betonte er.
Sollte der junge Schweizer tatsächlich längerfristig seinem Job in Washington nachgehen dürfen, müsste er dennoch bald einen Abstecher zurück nach Hershey machen. Denn bis auf seine Ausrüstung, ein paar Kleidungsstücke und seine Playstation hat er nach dem spontanen Anruf vom vorigen Donnerstag nichts in die Hauptstadt mitgenommen. Diese zusätzliche Fahrt dürfte Siegenthaler allerdings liebend gerne in Kauf nehmen.