Landeskog glaubt, dass Colorado bereit für den Cup ist
Der Avalanche-Kapitän freut sich auf eine Mannschaft, die auf der Vorsaison aufbauen möchte
von NHL.com/de @NHLde
NHL.com/de hat sich im Rahmen der European und North American Player Media Tours mit einigen der besten Spieler aus der NHL zu längeren Gesprächen getroffen. Mit diesen Exklusivinterviews werden wir euch im September auf die bevorstehende Saison 2019/20 einstimmen.
In dieser Ausgabe Gabriel Landeskog von den Colorado Avalanche.
Colorado hat es zuletzt zweimal in Folge in die Playoffs geschafft, doch es gab vor noch nicht allzu langer Zeit auch schwerere Zeiten, in denen du involviert warst. Schätzt man den aktuellen Lauf deshalb mehr?
Zu 100 Prozent ja. Für die Jungs, die in diesen Zeiten dabei waren - besonders 2016/17 - war es schwer. Deshalb war unser Jubel so groß, als wir 2017/18 getroffen und uns für die Playoffs qualifiziert haben. Ich habe ein Empty-Net-Tor erzielt und links und rechts sind die Leute aufgesprungen, jeder ist herumgesprungen. Ich denke, dass wir das über die letzten Jahre aufgebaut haben, weshalb wir uns so darüber freuen, dass wir jetzt mittendrin waren und ein Gefühl dafür bekommen haben, dabei zu sein. Es in der abgelaufenen Saison 2018/19 erneut in die Playoffs geschafft, dort Calgary rausgeworfen und San Jose bis in ein Spiel 7 gezwungen zu haben, hat uns sehr gefallen. Man weiß es zu schätzen, doch jetzt wollen wir nicht mehr zurückschauen. Wir blicken nach vorne und wir werden jetzt versuchen, den Stanley Cup zu gewinnen. Wir wollen nicht nur in die Playoffs einziehen, um zu den besten 16 Teams zu gehören. Wir wollen es schaffen, um den Stanley Cup zu gewinnen.
Gab es einen Wendepunkt, den du bestimmen kannst?
Es ist schwer, das an einem genauen Moment festzumachen. Es gab eine Reihe von Dingen: angefangen bei Joe (General Manager Joe Sakic, d. Red.), der unser Team nicht auseinandergerissen und sein Vertrauen in Trainer (Jared) Bednar behalten hat, nachdem wir eine schreckliche Saison gespielt haben. Ich denke, unsere Organisation hat erkannt, was wir konnten und was wir in kurzer Zeit erreichen können. Ich weiß also nicht, ob es einen konkreten Wendepunkt oder einen bestimmten Moment gab, es war eine Reihe von Ereignissen, die in den letzten Jahren passiert sind, die die Weichen in die richtige Richtung gestellt haben. Es fängt mit einer guten Führung an und geht dann alle Schichten nach unten. Wir haben viele gute Menschen in unserer Organisation, die für eine Menge Spaß sorgen. Wir wollen uns das auf dem Weg zum Ziel erhalten.
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Du hast erwähnt, dass es leicht gewesen wäre, personelle Veränderungen zu machen. Weil dies eben nicht geschah, sendet das eine Nachricht, dass ihr an den Prozess geglaubt habt und nicht den einfachen Weg gegangen seid, sondern euch lieber als Mannschaft durch den steinigen Weg gekämpft habt?
Zu100 Prozent ja. Das war die stärkste Nachricht, die gesendet hätte werden können: Wir sind das Gerüst der Mannschaft, wir werden das schaffen. Wir werden hier und da Kleinigkeiten verändern. Wir haben einen Coach, wir haben dies, wir haben das - aber es wird funktionieren. Ja, wir hatten aus verschiedenen Gründen eine schlechte Saison, aber das waren nicht wir. Das war nicht das, was wir mit unserer Organisation leisten können. Wir werden uns da rausarbeiten. Wir sind noch nicht fertig, haben noch nichts erreicht. Das ist es, was wir den Leuten erklären wollen: Wir sind aufgestanden. Aber Dinge können sich schnell ändern, auch in die andere Richtung. Sobald du dich ausruhst, kannst du wieder hinfallen. Das ist das Schöne an dieser Liga: Du musst es dir jedes Jahr aufs Neue beweisen. An jedem einzelnen Tag. Wir als Team wollen nun den nächsten Schritt gehen - daran besteht kein Zweifel.
Gab es auch eine Nachricht, die ihr vor der schweren Serie gegen Calgary senden wolltet?
Schon auf dem Weg in die Playoffs und in der Vorbereitung für die Serie gegen Calgary gab es immer dieselbe Nachricht: Letztes Jahr gegen Nashville haben wir eine gute Serie gespielt, hatten aber das Gefühl, es besser machen zu können als die Ergebnisse es vermuten lassen. Wir hatten auch ein richtig junges Team mit vielen Spielern in ihren ersten Jahren. Aber gegen Calgary hatten wir schon mehr Erfahrung und haben uns gesagt, dass wir nicht nur zu Besuch dort sein wollten. Wir sind nicht in den Playoffs, um nur sagen zu können, dass wir es in die Playoffs geschafft haben - wir wollten ein Zeichen setzen. Das hat man an St. Louis gesehen: Sie haben in der zweiten Saisonhälfte einen Wahnsinnslauf bekommen. Alles was du brauchst, ist es in die Playoffs zu schaffen, dann hast du eine Chance auf den Titel. Das kann jedes Jahr passieren. Es wird immer Überraschungsteams geben. Und genau das war die ganze Saison unsere Mentalität. Am Ende hat es nicht ganz gereicht, aber es waren wieder wertvolle Erfahrungen für jeden.
Du selbst hast eine starke Saison gespielt. Hast du das kommen sehen?
Nein. Ich würde lügen, wenn ich sagen würde, dass ich vor zwölf Monaten das Gefühl gehabt hätte, dass ich erstmals in meiner Karriere die 30-Tore-Marke knacken würde. Es war einfach so, dass ich mich wie jedes Jahr verbessern wollte. Egal ob als Team oder individuell, du willst in jeder Saison auf die vorherige aufbauen und besser werden. Genau das habe ich versucht: Ich wollte so gut sein, wie ich nur konnte. Natürlich hatte ich eine gute Chemie mit Nate (Nathan McKinnon, d. Red.) und Mikko (Rantanen) und wir haben es geschafft, als Reihe und als Team einen guten Start hinzulegen. Ich habe mit zwei Weltklasse Spielern zusammengespielt. Ich glaube, zwischenzeitlich waren wir auf Platz eins und zwei der Scoring-Wertung gestanden. Also versuche ich einfach, meinen Teil beizutragen. Das macht jeder, egal, ob er Tore schießt oder im Penalty Killing arbeitet oder was auch immer. Jeder spielt seine Rolle so gut er kann - bei mir ist das nicht anders.
Hoffst du, dass du dir selbst einen hohen Standard gesetzt hast?
Ich sehe keinen Grund, warum ich nicht wieder so konstant spielen sollte. Es ist eines dieser mentalen Dinge, du musst dich selbst als der Spieler sehen, der du gerne wärst. Manchmal ist es leichter, sich zufrieden zu geben: 'Ja, ich habe 20 Tore zuvor geschossen, und davor 25 - also will ich das wieder schaffen.' Anstatt genau dasselbe wieder zu erreichen, möchte ich weiter gehen, besser werden, die Grenzen verschieben. Auch als Team musst du dich immer steigern wollen. Aber keine Frage: Individuell hatte ich ein gutes Jahr, darauf kann ich aufbauen und mich steigern.
Ist es schwer, wenn du das nicht auf Kosten eines anderen Teils des Spiels schaffen möchtest?
Ich verstehe, was du damit meinst, aber für mich geht es immer um das Spiel als Ganzes. Es geht um alle Facetten des Spiels. Ich werde kein guter Spieler sein, wenn ich mich nicht um meine Defensivarbeit kümmere, wenn ich keine Pucks in der neutralen Zone erobere. Auch wenn ich Pucks verliere, werde ich nicht gut sein. Für mich gehen diese Dinge Hand in Hand - ich will ein verlässlicher Spieler sein, ein Teamplayer. Ich will nicht auf Kosten anderer Dinge im Spiel oder Risiken Tore schießen. Keine Frage: Ich will Tore schießen oder Chancen kreieren, wenn ich die Möglichkeit dazu habe. Aber ich will trotzdem ein zuverlässiger Spieler an beiden Enden des Eises sein.
Video: Top-5-Spielzüge aus 2018/19: Gabriel Landeskog
Die Mannschaft ist in großen Teilen zusammengeblieben und wurde punktuell verstärkt, was dir das Vertrauen in eine weitere gute Saison geben dürfte. Wie wichtig ist es, dass ihr neue Elemente dazubekommen habt, aber es trotzdem eine gewisse Konstanz im Kader gibt?
Kein Zweifel, wir sind in einer guten Position. Wir haben immer noch ein junges Team, haben aber erfahrene Jungs wie (Nazem) Kadri und (Pierre-Edouard) Bellemare dazubekommen. (Joonas) Donskoi ist auch dabei. (Andre) Burakovsky ist auch nicht mehr unbedingt ein junger Spieler. In der Defensive sind wir vielleicht noch ein wenig jünger mit Sam Girard, Cale Makar oder Bowen Byram. Mal sehen, ob er es in die Aufstellung schafft. Ich denke, es ist super wichtig, einen Kern in der Mannschaft zu haben, mit Spielern wie Eric Johnson, die schon lange da sind. Auch Ian Cole oder (Matt) Calvert spielen schon ewig in dieser Liga, zumindest fühlt es sich so an. Es ist gut, diese Jungs in der Mannschaft zu haben. Ich mag unser Team wirklich.
Wie schafft ihr es zusammenzuwachsen? Dass jeder bereit und voll da ist und jeder Energie kreiert?
In jeder Saison hat man die Situation, dass neue Spieler dazukommen. Man muss versuchen, sie so schnell wie möglich auf Leistungstemperatur zu bekommen. Es ist wichtig Spieler wie mich, Nate, EJ (Erik Johnson, d. Red.), Mikko, (J.T.) Compher und (Nikita) Zadorov zu haben, die in einer schweren Saison dabei waren. In den letzten paar Jahren ist unser Team ziemlich zusammengeblieben. Abgesehen von den Neuzugängen, die ich schon erwähnt habe. Mir gefällt richtig gut, wie unser Team aussieht. Es ist auch wichtig, neue Gesichter und neue Energie zu haben, aber auch Jungs, die sich hier auskennen und wissen, was erwartet wird und was zu tun ist.
Wie wichtig ist es, alle so schnell wie möglich zu integrieren, sodass ihr gleich gut aus den Startlöchern kommt?
Das ist wichtig. Man will, dass sich alle ziemlich schnell miteinander verstehen. Aber gleichzeitig wird das nicht passieren, bevor man schwierige Zeiten während der Saison gemeinsam überstehen musste. Man lernt sich vor der Saison zwar so gut wie möglich kennen, aber man kennt den Charakter der Jungs erst, wenn man in Back-to-Back-Spielen kämpfen muss, der Spielplan hektischer wird oder wenn andere solche Dinge passieren. Einen guten Start beim Kennenlernen zu haben ist leicht, weil jeder 'Hi!' sagt, versucht, einen guten ersten Eindruck zu hinterlassen. Auch haben wir viele Menschen in dieser Organisation, die einem den Einstieg erleichtern. Wenn dann aber der November, Dezember und Januar kommt, dann wird der Spielplan anspruchsvoll und man muss sicher gehen, dass man als Team ein gutes Fundament gelegt hat, um zusammenzuhalten. Deshalb ist es auch so wichtig, dass man Spieler hat, die schon ein paar Jahre da sind und die den Ton für den Klub angeben.
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Du redest wie ein Typ, der schon viel rumgekommen ist und viel gesehen hat. Aber du bist immer noch ein junger Spieler, der noch viele Jahre vor sich hat. Schaust du auch mal zurück?
Ich bin zufrieden damit, was ich bisher in der NHL erlebt habe. Es ist der schönste Job auf der Welt. Es ist aber nicht so, dass du dich jeden Tag kneifen musst, weil du die ganze Zeit nur herumläufst und die NHL genießt. Ich bin mir sicher, wenn eines Tages alles vorbei und die Karriere zu Ende ist, dann schaue ich definitiv zurück und sehe, was so wunderbar und besonders daran war. Wenn man mittendrin ist, dann geht es darum, besser zu werden in dem, was man tut und man versucht das Beste aus jedem Tag zu machen und ein besserer Teamkollege zu werden. Man will sich auf dem Eis verbessern, arbeitet an seinen Fähigkeiten und an all den Sachen, die das mit sich bringt. Ich sehe mich immer noch als jungen Spieler. Ich bin erst 26 Jahre alt, werde bald 27, aber es ist auch schon mein 9. Karriere-Jahr. Ich schätze das ist in der NHL heutzutage normal, wenn die Jungs direkt vom Draft kommen.
Die NHL kommt für die Global Series zurück nach Stockholm. Du durftest dieses Event schon erleben. Was hältst du davon?
Ich wünschte, wir könnten das viel öfter machen. Am besten jedes Jahr, weil es so überragend war. Ich glaube, dass nicht nur ich das genossen habe. Es ist leicht, wenn ich das sage, weil ich in meiner Heimatstadt vor meiner Familie und meinen Freunden spielen konnte, die zum Spiel gekommen sind. Auch meine Teamkollegen hat es gefallen. Jeder hatte eine gute Zeit und hat die Kameradschaft, die eine zwölfstündige Reise mit der Mannschaft mit sich bringt, genossen. Normalerweise sind wir auch sonst viel im Flugzeug, aber so eine lange Reise und dann für fünf, sechs Tage in einer Stadt ohne Ablenkung, keine Familie, keine Freunde. Normalerweise sind wir während der Saison in Denver, wo jeder sein eigenes Leben führt. Aber auf so einer Reise ist man immer zusammen und wird umso schneller zu einem Team. Du gehst jeden Tag zusammen essen. Das sind die Vorzüge, wenn du unterwegs bist. Es ist auch die Zeitverschiebung oder die Telefon-Pläne, die hier nicht funktionieren.
Also der Reiz des kompletten Unterschieds?
Ehrlich gesagt, die Unterschiede haben es zu einem unvergesslichen Trip gemacht. Jeder, der mit dabei war, hatte eine gute Zeit und wir wurden so viel schneller eine Mannschaft.
Was für ein langfristiges Wachstum könnte aus diesem Interesse für das Eishockey entstehen?
Als ich aufwuchs konnte ich die Colorado Avalanche im Jahr 2001 im Globe in Stockholm spielen sehen. Daran erinnere ich mich heute noch gerne. Als Kind war es so cool, die NHL hautnah zu erleben. Damals war es noch anders, sie haben kaum NHL-Spiele im Fernsehen gezeigt. Heutzutage ist es mehr geworden, aber es gibt immer noch die Zeitverschiebung. Die Kinder müssen in die Schule und können nicht um drei Uhr früh für ein NHL-Spiel aufstehen. Deshalb ist es so wichtig und ich wünschte, wir könnten das öfter machen, weil es das Wachstum des Eishockeysports langfristig stärkt. Ich weiß nicht, ob ich ohne Forsberg, Sundin, Alfredsson, Lidstrom und diese Jungs heute in der NHL wäre.
Konkrete Beispiele zum Anschauen also…
Ganz genau. Deshalb hoffe ich, dass die nächste Generation von Eishockey-Spielern einmal sagen wird, dass sie im Alter von zwölf Jahren im Globe Gabriel Landeskog gegen Erik Karlsson spielen sehen konnte. Ich glaube wirklich, dass es eine Wirkung hat und den Sport größer macht. Deshalb würde ich es gerne häufiger und regelmäßiger machen. Ich glaube, dass die NHL und die PA so viel wie möglich für das internationale Wachstum machen. Es gibt so viele NHL-Spieler aus Stockholm und Schweden, dass es definitiv hilft. Ich bin gespannt, wie der Sport in Zukunft sein wird und wie viele Europäer in zehn, 15 oder 20 Jahren in der NHL spielen werden.