Gut ist was erfolgreich macht
Ob normale 'Preseason' oder 'World Cup of Hockey' besser zum Saisonstart ist, das liegt im Auge des Betrachters
von Robin Patzwaldt @RobinPatzwaldt / NHL.com/de Autor
So langsam biegen wir auf die Zielgerade in Richtung der neuen Spielzeit in der besten Eishockeyliga der Welt ein. In wenigen Tagen beginnt schon wieder die Preseason, versuchen die inzwischen 31 Franchises in der NHL ihre Form wiederzufinden, damit man zum Saisonstart möglich bereits wieder voll im Saft steht.
Vor zwölf Monaten sah das Ganze etwas anders aus. Da lief in dieser Jahreszeit gerade der World Cup of Hockey 2016 in Toronto, da waren die besten Spieler der Liga dort mit ihren Auswahlmannschafften im Einsatz, was natürlich einen großen Einfluss auf die Vorbereitung hatte. Sowohl die individuelle Vorbereitung der Spieler, als auch das Einspielen der Teams verlief naturgemäß völlig unterschiedlich im Vorjahr.
Ob das nun am Ende vor- oder nachteilig ist bzw. war, das liegt, wie fast immer im Leben, im Auge des jeweiligen Betrachters.
Einerseits mussten viele Spieler durch die Trainigscamps der Word Cup-Teams eben naturgemäß schon sehr früh auf einem absoluten Top-Level sein um in Toronto konkurrenzfähig zu sein, andererseits konnten sich die NHL-Teams in der Heimat eben nicht wirklich ideal einspielen, wo doch einige ihrer besten Spieler nicht zur Verfügung standen.
Und so wundert es eben auch nicht, dass die Vergleiche von unterschiedlichen Beteiligten im Rückblick ebenfalls in dieser Angelegenheit sehr unterschiedlich ausfallen.
Brad Marchand und Patrice Bergeron von den Boston Bruins präsentierten sich beispielsweise in einer tollen Frühform, waren direkt zum Beginn der NHL-Hauptrunde schon in einer herausragenden Verfassung. Und auch Sidney Crosby knüpfte so direkt dort an, wo er wenige Monate zuvor beim Titelverteidiger Pittsburgh Penguins die große NHL-Bühne verlassen hatte, gewann er doch mit dem Team Kanada, wie von ihm faktisch erwartet, auch den Titel in Toronto.
Alle drei agierten beim World Cup of Hockey 2016 gemeinsam in einer Reihe.
"Durch diese Art der Vorbereitung werden sie es zum Saisonstart diesmal leicht haben" orakelte damals bereits Jim Nill, der GM der Dallas Stars. Sich bereits auf diesem Niveau vorzubereiten schien vielen Beobachtern eine gute Alternative zur klassischen Saisonvorbereitung der NHL zu sein. "Direkt auf diesem Niveau gefordert zu werden, das wird ein Wettbewerbsvorteil zum Saisonstart sein."
Mehr als der Hälfte der Teams fehlten seinerzeit mindestens sechs Spieler in der heißen Phase des Teambuildings vor Ort. Die Tampa Bay Lightning (12) und die Chicago Blackhawks (10) hatten sogar Abstellungen im Zweistelligen Bereich.
Auch Brent Burns von den San Jose Sharks gab sich vor einem Jahr schier begeistert über die ungewöhnliche Saisonvorbereitung: "Das ist doch eine wirklich tolle Art in die Saison zu starten. So kommen wir gleich in den Rhythmus und können das dann so weiter durchziehen, wenn wir zurück zu den Franchises kommen."
Die Trainer daheim sahen das nicht unbedingt so positiv. Ken Hitchcock, damals noch in Verantwortung hinter der Bande bei den St. Louis Blues, gehörte zum Beispiel zu den öffentlichen Bedenkenträgern damals. "Das ist schon eine Herausforderung, wenn wir hier ein System einüben wollen, gleichzeitig aber so viele Spieler noch fehlen. Natürlich ist es schön, wenn sie dort bereits auf diesem Niveau gefordert sind, uns bleibt hier am Ende aber eben doch deutlich weniger Zeit die Automatismen einzuüben, welche ja für unseren Teamerfolg wichtig sein werden, wenn wir die Saison erfolgreich bestreiten wollen."
Und tatsächlich sollte Hitchcock ja im Saisonverlauf von seinem Posten vorzeitig entbunden werden. Nur ein Zufall?
Auch die Los Angeles Kings hatten in dieser Spielzeit ja so ihre Probleme durch den World Cup of Hockey im Herbst. Sie mussten zum Saisonstart auf den dort verletzten Marian Gaborik verzichten, welcher aufgrund einer Fußverletzung über Monate hinweg ausfiel.
Andererseits verlor auch Pittsburgh Torhüter Matt Murray für einige Wochen, konnte den Teamerfolg aber trotzdem am Ende absichern. Trotz der zusätzlichen Belastung durch das Turnier im September.
Doch auch grundsätzlich unverletzt aus dem Turnier hervorgegangene Spieler neigten teilweise dazu nach dem Highlight von Toronto zunächst in ein kleines mentales Loch zu fallen, nachdem die Scheinwerfer der großen Bühne zunächst verloschen waren im Oktober, fanden nur schwer zu ihrem üblichen Rhythmus.
Video: BOS@PIT: Murray stoppt Pastrnak und Marchand
Wie unterschiedlich das Pro und Contra eines World Cup of Hockey im Vergleich zur sonst üblichen Preseason gesehen werden kann, das verdeutlichen auch zwei Aussagen von NHL-Jungstars gegenüber NHL.com International kürzlich.
Da ist zum einen Johnny Gaudreau von den Calgary Flames, der sich durch sein Fehlen in der Vorbereitung mit dem Team schon etwa benachteiligt sah zum Saisonstart: "Dieser Sommer war aus meiner Sicht schon extrem anders als der im letzten Jahr. Da war ich sehr früh sehr stark gefordert beim World Cup of Hockey. Die Flames hatten in dieser Phase aber ausgerechnet einen neuen Trainer, und ich war dort nicht dabei in diesen Tagen. Dieses Jahr haben wir deutlich mehr Zeit für die Vorbereitung mit den Teamkameraden in Calgary. Das wird den Saisonstart beeinflussen. Ich selber habe so auch mehr Zeit mir Spiele meiner Mannschaftskameraden bei den Flames anzuschauen."
Auf der anderen Seite des Spektrums sieht beispielsweise Nathan MacKinnon von den Colorado Avalanche in der aktuell etwas entschleunigten Art und Weise schon einige Unterschiede, welche es ihm schwerer machen könnten zu Saisonbeginn gleich in Topform zu sein: "Letztes Jahr war es natürlich wesentlich intensiver direkt zu Beginn, da waren wir im World Cup of Hockey Trainingscamp mit unserer Auswahl. Aktuell ist es im Vergleich doch noch deutlich lockerer. Wir sind zwar grundsätzlich alle auch schon in Form, müssen nun noch möglichst rasch etwas von dem 'Rost' rauskriegen, der sich über den Sommer gebildet hat."
Dazu haben alle Teams und aktiven diesmal noch etwas Zeit in den nächsten Wochen. Und erst wenn die NHL dann im Oktober so richtig gestartet sein wird, dann lässt sich wohl sagen wem diese oder jene Art der Vorbereitung denn besser oder weniger gut getan hat im Vergleich mit dem Vorjahr.