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Moritz Seider war selbst überrascht, als er beim NHL Draft 2019 schon an sechster Stelle von den Detroit Red Wings gedraftet wurde. Deren General Manager Steve Yzerman wollte sich die Dienste des deutschen Verteidigers unbedingt sichern. Seitdem versucht Seider, der in der vergangenen Saison mit den Adlern Mannheim die deutsche Meisterschaft feierte, sein Glück in Nordamerika, musste allerdings nach den Trainingscamps zunächst ins Farmteam zu den Grand Rapids Griffins. In einer regelmäßigen Kolumne wird Seider exklusiv für NHL.com/de über seine erste Saison in Nordamerika berichten.
Hier die zweite Ausgabe:

Wir hatten am Dienstag ein aufregendes Spiel bei den Cleveland Monsters. Die Anreise war schon abenteuerlich, nachdem wir wegen eines Schneesturms fast sieben Stunden mit dem Bus unterwegs waren. Im Spiel führten wir im dritten Drittel mit 2:1 und haben 62 Sekunden vor dem Ende den Ausgleich kassiert, um dann nur 20 Sekunden später wieder in Führung zu gehen und am Ende 4:2 zu gewinnen. Wir konnten nicht unser bestes Eishockey zeigen, aber positiv war, dass wir immer eine Lösung gefunden haben, auf das, was der Gegner vorhatte. Natürlich war der Sieg glücklich, aber es war eine Befreiung für uns wieder ein paar Spiele zu gewinnen, nachdem wir einen Durchhänger hatten.

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Wir sind etwas deprimiert, dass wir nicht so in der Tabelle stehen, wie wir uns das vorgestellt hatten. Als Vierter der Division und Siebter der Conference mit einer Bilanz von 7-6-1-1 ist auf jeden Fall noch Luft nach oben. Aber das gehört dazu, denn wir sind eine unheimlich junge Mannschaft, die jeden Tag dazulernen muss. Wir müssen einen Weg für uns finden, jeden Abend bereit zu sein und Spiele gewinnen zu wollen. Das vermissen wir noch etwas. Doch die Saison ist noch lang und wir werden uns sicher noch entwickeln. Dann werden wir hoffentlich auch in der Tabelle besser dastehen.
Ich nehme mich da nicht aus und alle in der Mannschaft sitzen im selben Boot. Aber ich bin trotzdem ganz zufrieden mit meinen Leistungen. Ich bekomme viel Eiszeit, kann unheimlich viel lernen, mich ausprobieren in Überzahl und Unterzahl. Ich nutze jede Chance, die ich bekommen kann. Im Moment läuft es ganz gut und wir versuchen feste Verteidigerpaare zu bilden, damit die Abstimmung noch besser wird. Aber ich habe schon das Gefühl ein wichtiger Teil der Mannschaft zu sein und konnte auch mit ein paar Assists dazu beitragen, dass wir mehr Tore erzielt haben und das Powerplay erfolgreicher läuft.
Die Punkte von mir sind allerdings nicht das einzige Kriterium und es ist gut, die Sache etwas distanzierter zu betrachten. In erster Linie geht es darum, gut auf dem Eis zu stehen, das Stellungsspiel zu optimieren und die Übersicht zu behalten. Die Leute schauen sich natürlich die Statistiken an, von daher sind Punkte schon wichtig, aber die Trainer und Manager haben einen ganz anderen Blick und sehen das Gesamtpaket. Ich fühle mich aber ungemein wohl und wenn man die genannten Kriterien erfüllt, dann kommen auch die Punkte. Und das alles hilft dann der Mannschaft.

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Die Umstellung auf die kleine Eisfläche war für mich nicht so gravierend, wie es häufig dargestellt wird. Das ging relativ schnell. Schon im Prospect-Tournament habe ich mich gut gefühlt. Im Endeffekt sind es kleine Umstellungen. Man muss vom Winkel her etwas anders stehen, ein etwas anderes Stellungsspiel haben. Außerdem ist das Spiel wesentlich schneller und man hat weniger Zeit am Puck, um zu überlegen, was man macht. Aber am Ende ist es eben auch nur Eishockey.
Sehr langwierig sind die Auswärtsreisen, weil wir viel mit dem Bus fahren und wenn dann das Wetter nicht so mitspielt, dann kann es schon mal eine Odyssee werden, so wie am Montag nach Cleveland. Die Rückreise findet gleich nach dem Spiel statt und die fällt leichter, wenn wir zwei Punkte im Gepäck haben. Die älteren Spieler haben gerne Kartenspiele dabei und die Jüngeren unterhalten sich sehr viel. Wir reden über jeden Mist, ob Eishockey oder Nicht-Eishockey. Ansonsten werden auch mal Filme auf Netflix geschaut. Wir bringen die Zeit irgendwie rum. Aber die weiten Reisen sind schon eine Umstellung im Vergleich zur DEL, außer es geht nach Bremerhaven. Also hier ist nur Bremerhaven angesagt.
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Mit Leon Gawanke habe ich mich schon vor und nach unseren zwei Spielen gegeneinander getroffen und es war echt cool mit ihm zu reden und sich etwas auszutauschen. Auch Nico Sturm habe ich getroffen. Ansonsten habe ich mit dem einen oder anderen Spieler von Mannheim Kontakt, die auch die deutschen Spieler im Ausland intensiv verfolgen.
Ein herber Verlust für unser Team war, dass unser Videocoach Bill LeRoy vor unserem Auswärtsspiel in Manitoba im Hotel gestorben ist. Er war gerade einmal 56 Jahre und es kam sehr überraschend, aber auch mit so etwas muss man umgehen können. Es klingt zwar abgedroschen, aber das gehört zum Leben. Ich hatte die Ehre, ihn nur kurz kennenlernen zu dürfen. Er war ein unheimlich toller Mensch, der immer gut gelaunt war und es war super ihn in der Kabine gehabt zu haben. Er fragte immer nach Siegen bei Auswärtsspielen vor der Abfahrt des Busses, ob wir auch die Punkte eingepackt hätten. Ein echt cooler Gag, der für gute Stimmung sorgte und der ihn unvergessen machen wird. Die Nachricht seines Todes war für alle ein Schock, auch weil wir so nah dabei waren, doch für andere, die ihn schon mehrere Jahre kannten und begleitet haben, war es ein noch härterer Schlag. Wir werden ihn nie vergessen und in guter Erinnerung behalten.