Bruins_Draisaitl

Marco Sturm hat zwar nie den Stanley Cup gewinnen können, aber er hat als Deutscher in der NHL die meisten Spiele absolviert und Punkte geholt. Von 1997 bis 2012 war er in der NHL für sechs Mannschaften aktiv und hat 938 Spiele in der regulären Saison und 68 Playoff Spiele gespielt. Der heutige deutsche Bundestrainer wird in einer regelmäßigen Kolumne exklusiv für NHL.com/de seine Ansichten zu Teams, Spielern und brennenden Fragen teilen.

Hier die neueste Ausgabe:
Im Fokus der letzten Wochen standen für mich in der Eastern Conference die Boston Bruins. Sie können eine Punkteserie von elf Spielen vorweisen und haben dadurch einen großen Sprung in der Tabelle gemacht. Die ganze NHL weiß, dass Boston eine gute Mannschaft ist. Seit langer Zeit sind sie nun wieder einmal vollzählig und haben das Verletzungspech erst mal überstanden. Als ich sie im November live gesehen habe, waren einige wichtige Spieler nicht dabei. Im Dezember kamen diese dann nach und nach zurück und seitdem spielen sie ein gutes Eishockey, mit zwei guten Torhütern, die ihnen den nötigen Rückhalt geben. Die Sturmreihen um Patrice Bergeron und Brad Marchand sind sehr effektiv und von daher überrascht mich dieser Erfolg keineswegs
Weil Mannschaften wie die Pittsburgh Penguins aus den letzten Jahren doch sehr viele Spiele in den Knochen haben, könnte in diesem Jahr erneut die Stunde der Bruins schlagen. Es sieht so aus, als ob die Tampa Bay Lightning in der regulären Saison der Eastern Conference das Maß aller Dinge sein werden, doch die Playoffs haben ihre eigenen Gesetze und Boston hat sicher das Potenzial ganz vorne mit dabei zu sein.
Ein Garant des Erfolges der Bruins ist Bergeron, der am Wochenende in einem Spiel vier Tore erzielen konnte. Er ist einer der besten, wenn nicht der beste Zwei-Wege-Center. Ich habe selbst mit ihm zusammengespielt, von daher weiß ich, wie gut er ist. Er ist jemand, der nicht die großen Punktzahlen erzielt, wie zum Beispiel Sidney Crosby, doch er macht vieles richtig. Er ist für jeden Außenstürmer Gold wert, denn er ist immer anspielbar und hilft dir aus, wenn du in Bedrängnis bist. Nicht nur auf dem Eis, sondern auch außerhalb des Eises ist er ein absolutes Vorbild. Er ist eine Führungsperson, die für den Sport lebt und sehr bodenständig mit einer tollen Familie im Hintergrund ist. Von daher ist er mein Lieblingsspieler in der NHL.

Eine interessante Frage, die ich selbst gerne stelle, ist die nach der Beliebtheit von mehrtägigen Spielpausen. Diesen Fall haben jetzt einige Teams, so auch die Bruins. Zu meiner Zeit gab es das eigentlich noch nicht, dass Teams fast eine Woche den Spielbetrieb aussetzen. Die Antwort der Spieler ist meist dieselbe: Es kommt darauf an in welcher Situation man ist. Wenn es läuft, wäre es gut weiterzuspielen und wenn es nicht läuft, dann ist ein Break willkommen. Die Bruins sind derzeit obenauf und werden eine erholsame Woche haben, doch es wäre ihnen sicher lieber im Rhythmus zu bleiben.
Sechs Tage Pause haben auch die Vegas Golden Knights. Ihr Lauf wird langsam unheimlich. Trainer Gerard Gallant und die Mannschaft machen eine unglaublich gute Arbeit. Sie spielen ein tolles Eishockey und haben den nötigen Biss Spiele zu gewinnen. Dem muss man einfach Respekt zollen. Es macht Spaß ihnen zuzuschauen, insbesondere wenn sie zu Hause spielen. Den Trainer kenne ich aus meiner Zeit bei den Florida Panthers und ich freue mich für ihn und Las Vegas, dass es so gut läuft.
Es ist das Schöne am Eishockey, dass so etwas möglich ist und die Mannschaft der Golden Knights ohne große Stars auskommt. Diese Leistungen werden durch mannschaftliche Geschlossenheit abgerufen. Natürlich geht es nicht ohne Spieler, die entsprechend scoren, doch ein Kaliber eines Alex Ovechkin oder Crosby haben die Golden Knights nicht in ihren Reihen. Aber es zeigt, was erreicht werden kann, wenn man als Mannschaft auftritt und alle an einem Strang ziehen. Genau das versuchen wir auch immer in der Nationalmannschaft zu vermitteln.

Für unsere deutschen Spieler lief es in der ersten Saisonhälfte nicht unbedingt gut. Die Gründe sind vielschichtig und sicher nicht vergleichbar, aber es wäre wünschenswert, wenn sie in Zukunft mehr Eiszeit bekämen. Leon Draisaitl spielt für mich persönlich eine gute Runde, doch wenn der Teamerfolg fehlt, macht das auch nicht so richtig glücklich. Bei Tobias Rieder, Tom Kühnhackl, Dennis Seidenberg und Philipp Grubauer laufen die Verträge aus. Es ist zu hoffen, dass sie sich in der zweiten Saisonhälfte empfehlen können und mit Spaß bei der Sache sind. Das Potenzial haben sie alle dazu, sie müssen es nur abrufen dürfen.
Es könnte auch passieren, dass der eine oder andere von ihnen noch getradet wird. Sie sind alle Spieler, die einer Mannschaft gerade in den Playoffs weiterhelfen können. Ein Trade muss nicht unbedingt schlecht sein und wenn er weiterhilft, warum nicht einfach positiv annehmen?