MIN marco rossi

Der 22-jährige Marco Rossi von den Minnesota Wild spricht im Exklusivinterview mit NHL.com/de über seine starke Saison, die Playoff-Ambitionen seiner Mannschaft, seine schwierige Anfangszeit nach dem Draft und die österreichische Nationalmannschaft bei der Weltmeisterschaft.

Hallo Marco, Du befindest Dich in Deiner ersten vollen NHL-Saison und bist mit 20 Toren und 17 Assists sehr effektiv. Worauf führst Du das zurück?

Die Saison ist so gelaufen wie ich es mir vorgestellt habe. Ich habe den gesamten Sommer in Minnesota verbracht und an meinen Schwächen gearbeitet. Ich konnte auf und abseits des Eises mit der Mannschaft trainieren. Dadurch stieg das Selbstvertrauen, sodass ich mich mit den Mitspielern immer wohler gefühlt habe. Zu Beginn des Trainingscamps hatte ich dadurch ein völlig anderes Selbstbewusstsein. Mir war daher klar, dass die Saison für mich gut verlaufen könnte. Ich bin dann auch gut in die Saison gestartet und habe gleich im zweiten Spiel gegen Toronto getroffen. Das hilft natürlich.

Ihr habt noch immer gute Chancen im Kampf um die Stanley Cup Playoffs, habt aber nach einer Punkteserie von acht Spielen, davon sechs Siege, mit 0:6 gegen die Los Angeles Kings und mit 4:5 in der Overtime gegen die St. Louis Blues verloren. Tut das in der aktuellen Situation besonders weh?

Ja, auf jeden Fall. Es wäre enorm wichtig gewesen, gegen Los Angeles und St. Louis zu gewinnen, weil das direkte Konkurrenten sind. L.A. ist jetzt bereits zehn Punkte von uns weg. Wir haben noch elf Spiele und wissen, dass das schwierig wird. Aber der Glaube stirbt zuletzt. Wir müssen fast jedes Spiel gewinnen. Aber wichtig ist, dass wir Schritt für Schritt denken und uns zunächst auf das Spiel gegen San Jose konzentrieren.

Spielbericht: STL 5, MIN 4 – F/OT

Du sprichst es an: Am Donnerstag sind die San Jose Sharks in Minnesota zu Gast, die die punktschwächste Mannschaft der NHL sind. Zwei Tage später kommt der amtierende Stanley Cup Champion Vegas Golden Knights. Was für Spiele erwartest Du?

Das sind natürlich zwei sehr unterschiedliche Mannschaften. San Jose steht zwar auf dem letzten Platz. Aber solche Mannschaften könnten trotzdem gefährlich sein, weil sie nichts mehr zu verlieren haben. Oftmals kommen junge Spieler zum Einsatz, die sich für einen Vertrag empfehlen möchten. Das macht solche Gegner schwer zu bespielen. Und gegen Las Vegas ist es ohnehin klar, was uns bevorsteht. Wir müssen die Spiele gewinnen, wenn wir in die Playoffs kommen wollen.

Ende November gab es in Minnesota einen Trainerwechsel. John Hynes trat die Nachfolge von Dean Evason an. Inwiefern unterscheiden sich die beiden Trainer?

Ich würde sagen, dass unter unserem neuen Trainer noch sehr viel detaillierter gearbeitet wird. Wir schauen sehr auf die kleinen Details und machen längere Meetings als früher. Auch vom Coaching hat sich einiges verändert. Aber mir gefällt es sehr gut unter dem neuen Trainer.

Wie lebt es sich in Minnesota und wie nimmst Du die Eishockey-Begeisterung wahr?

Die Menschen in Minnesota sind verrückt nach Eishockey. Das ist einerseits sehr lustig, denn wenn wir gewinnen, sind die Fans einfach top. Aber es kann auch ein Nachteil sein, wenn wir nicht gut spielen. Dann bekommt man zu spüren, dass die Fans enttäuscht sind, weil sie einfach für Eishockey leben. Insgesamt fühlen wir - also meine Freundin und ich - uns hier in Minnesota sehr wohl. Es ist im Winter zwar sehr kalt, aber man gewöhnt sich daran.

Du hast schon relativ früh den Schritt nach Nordamerika gewagt und bist 2018 zu den Ottawa 67’s in die OHL gewechselt. Wie bewertest Du diesen Schritt rückblickend?

Für mich war das zu 100 Prozent der richtige Schritt. Aber ich denke, jeder muss seinen eigenen Weg finden. Manche Spieler bleiben in Europa und spielen Männer-Eishockey. Das kann auch ein Vorteil sein. Der Nachteil ist aber, dass sie sich erst einmal an die kleinere Eisfläche gewöhnen müssen, wenn sie später nach Nordamerika kommen. Auf einer kleineren Eisfläche spielt man einfach anders.

Du wurdest beim NHL Draft 2020 an Position 9 gepickt und als Ausnahmetalent gefeiert, erlebtest dann aber einen gesundheitlichen Rückschlag infolge einer Corona-Erkrankung mit Herzmuskelentzündung. Wie blickst Du heute darauf zurück?

Das war nicht einfach. Ich wurde gedraftet, die Emotionen gingen hoch und ich war voller Vorfreude. Dann sollte bald das Trainingslager und die NHL-Saison beginnen. Auf einmal kommen die Ärzte zu mir und sagen, sie müssten mich noch einmal genauer untersuchen. Als die Diagnose feststand, war das sehr schwierig für mich. Ich konnte sechs Monate nichts machen.

MIN rossi draft

Wie groß war Deine Angst, dass Du Deine Karriere beenden musst, bevor sie richtig begonnen hat?

Die Angst war sehr groß. Die Ärzte sagten zu mir, dass sie nicht wissen, ob ich wieder Eishockey spielen kann. Oder ob ich wieder mein früheres Niveau erlangen werde. Das war eine schwierige Zeit. Man will etwas tun, um wieder zurückzukommen – aber man darf nichts machen. Wichtig war, dass ich in dieser Zeit einen guten Rückhalt von meiner Familie, meiner Freundin und meinen Freunden bekam. Das hat mir sehr geholfen. Als ich wieder trainieren durfte, ist das auch nicht einfach gewesen. Ich hatte nur acht Wochen Zeit, um mich von 0 auf 100 auf das Trainingscamp vorzubereiten.

War es die logische Folge, Dich danach Schritt für Schritt in die NHL hoch zu kämpfen? In der Saison 2021/22 hattest Du Deine ersten zwei NHL-Einsätze, in der Saison darauf bereits 19 Spiele…

Ich hatte durch die Erkrankung ein komplettes Jahr verloren. Das Team wollte daher, dass ich zunächst in der AHL viel Spielzeit bekomme und Verantwortung übernehme. Ich habe dort immer zwischen 25 und 28 Minuten gespielt, was für einen Stürmer sehr viel ist. Es war hilfreich, trotzdem zwei Spiele in der NHL gemacht zu haben, sodass ich ein Gefühl für die NHL bekam. Ich bin zufrieden damit, wie ich das alles gemeistert habe.

STL@MIN: Rossi macht sein zweites Tor gegen die Blues

Du bist momentan der einzige Österreicher in der NHL. Woran liegt das und glaubst Du, dass sich dies bald ändern wird?

Ich hoffe, dass sich das ändert und wir mehr Österreicher in die NHL bekommen. Der David Reinbacher (Nummer-5-Pick der Montreal Canadiens beim NHL Draft 2023) und der Marco Kasper (Nummer-8-Pick der Detroit Red Wings beim NHL Draft 2022) sind auf einem sehr guten Weg. Als Österreicher ist es nicht einfach. Man muss früh das Land verlassen, um das Niveau der Top-Nationen zu erlangen. Es bringt nichts, wenn man mit 14 Jahren bereits bei der U20 oder den Herren spielt und denkt, man ist schon ein Superstar. Denn in anderen Ländern ist der Konkurrenzkampf noch einmal ein ganz anderer.

Wer waren Deine Idole, als Du in der Jugend von der NHL geträumt hast?

Meine Idole waren Pavel Datsyuk und als Österreicher natürlich Thomas Vanek. Gerade als ich gedraftet wurde, hatte ich mit Thomas öfter Kontakt, manchmal sogar heute noch.

Auch wenn Du hoffst, mit Minnesota in die Playoffs zu gelangen und dort weit zu kommen: Wie stehen die Chancen, dass Du für Österreich an der Eishockey-Weltmeisterschaft teilnehmen wirst?

Das ist auf jeden Fall ein Thema. Zunächst liegt der Fokus natürlich darauf, mit Minnesota die Playoffs zu erreichen. Aber wenn wir das nicht schaffen, spiele ich immer gerne für Österreich, weil das eine große Ehre für mich ist.

Wie stark schätzt Du die österreichische Nationalmannschaft bei der WM ein?

Das ist immer schwer zu sagen, weil ich noch nicht genau weiß, wie die Mannschaft aussehen wird. Aber ich glaube: Wenn alle dabei sind, ist das Viertelfinale möglich.

Verwandte Inhalte