MacLeon303

Der Defensive mehr Stabilität zu verleihen, war die Devise von Dave Tippett, als er am 28. Mai 2019 das Amt des Trainers von den Edmonton Oilers übertragen bekam. Seine Vorgänger Ken Hitchcock und Todd McLellan waren in der Saison 2018/19 an dieser Aufgabe gescheitert. Die Oilers hatten mit 271 Gegentoren zusammen mit den New Jersey Devils die sechstschlechteste Abwehr der Liga gestellt.

Es war eine Herausforderung sondergleichen, diese Mannschaft defensiver auszurichten, wo sie doch von den Offensivqualitäten ihrer zwei Superstars Connor McDavid und Leon Draisaitl lebt. Stärken verstärken und Schwächen minimieren war die banal klingende Lösung. Das Konzept scheint nicht nur aufzugehen, es geht auf.
Die Oilers stellen auch in der laufenden Saison kein Abwehrbollwerk, präsentieren sich aber mit einem Gegentrefferschnitt von 3,06 (Platz 15) gegenüber den 3,30 vom Vorjahr deutlich verbessert. Zusätzlich lässt die Offensivabteilung der Westkanadier Abend für Abend Eishockeyherzen höher schlagen. Wer glaubte jetzt hat sie der Gegner im Griff, das Allheilmittel gefunden, um sie zu stoppen und die nächsten werden sich daran orientieren, sieht sich eines Besseren belehrt, wie jüngst die Nashville Predators.

EDM@NSH: Draisaitl mit vier Toren zum Sieg

Mit 8:3 schossen die Gäste aus Alberta die Predators aus ihrer eigenen Halle. Die gut 17.000 Besucher in der Bridgestone Arena trauten ihren Augen nicht, was sie zwischen der 45. und 50. Spielminute sahen. Nachdem es zur zweiten Pause noch 3:3-Unentschieden gestanden war, drehten die Oilers, angeführt von McDavid und Draisaitl, richtig auf und trafen im Minutentakt zum 8:3-Endstand. Es waren nicht wenige Anhänger der Predators, die sich mit Tränen in den Augen, angesichts der Vorstellung ihres Teams, dennoch glücklich schätzten, diesen zwei Männern des Gegners bei der Ausübung ihres Berufes zusehen zu dürfen.
"Das war heute ein ziemlich starker Schlag ins Gesicht und wir haben das bekommen, was wir sicherlich verdient haben. Wenn wir so spielen wie heute Abend, dann schauen zur jetzigen Zeit der Saison die Ergebnisse öfters so aus", kommentierte Nashvilles Trainer John Hynes wenig begeistert das eben Erlebte.
Draisaitl und McDavid waren in den ersten zwei Durchgängen mit jeweils einem Tor und einem Assist an zwei Treffern beteiligt gewesen, doch im Schlussabschnitt begannen sie die Abwehrreihen der Predators so zu filetieren, dass der japanische Sushi-Verband sich überlegen sollte, die Beiden auch ohne 15-jährige Ausbildung und Zusatzprüfung zum Itamae zu ernennen.

WPG@EDM: Draisaitl auf McDavids Vorlage im Powerplay

von drei Minuten und elf Sekunden komplettierte Draisaitl seinen zweiten NHL-Hattrick, und weil es so schön war, setzte er nur 87 Sekunden danach seinen vierten Treffer drauf, so dass der gebürtige Kölner sein erstes Vier-Tore-Spiel und sein zweites Fünf-Punkte-Spiel feierte.
"Ich muss nicht um den heißen Brei herumreden. Wenn man vier Tore schießt, fühlt man sich gut", sagte Draisaitl. "Man fühlt sich gut, weil man mit sich selbst zufrieden ist. Man fühlt sich gut wegen seiner Mitspieler, und offensichtlich haben sie heute Abend einige tolle Spielzüge draufgehabt, die es mir ziemlich leicht gemacht haben", freute sich der Vierfach-Torschütze.
Bereits im 66. Saisonspiel knackte Draisaitl mit 107 Punkten (43 Tore, 64 Assists) seine in der vergangenen Spielzeit in 82 Partien aufgestellte Bestmarke von 105 Punkten. Einhergehend mit Draisaitls Superlativ kratzt McDavid im vierten Jahr in Folge an der 100-Punkte-Marke. Dem 23-jährigen Kanadier, der in der ligaweiten Scorerwertung Platz zwei hinter Draisaitl einnimmt, fehlen noch sechs Punkte zum erneuten Erreichen des Meilensteins. Bei noch 16 ausstehenden Spielen und seinem Punkteschnitt von 1,57 verbietet sich die Verwendung des Konjunktivs. Auch McDavid wird die 100 erreichen.

draisaitl

Die ältesten Oilers-Fans werden sich vielleicht noch erinnern: Es ist bereits 32 Jahre her, dass es zuletzt zwei Spieler dieses Klubs in aufeinanderfolgenden Spielzeiten auf 100 Scorerpunkte brachten: Wayne Gretzky und Mark Messier in den Saisons 1986/87 und 1987/88. Im Jahr darauf gelang Jari Kurri (102 Punkte) und Jimmy Carson (100 Punkte) das Kunststück, wiederholen konnten sie es jedoch nicht.
Auf solche historischen Vergleiche angesprochen, drückt Draisaitl stets auf die Euphoriebremse: "Alle vier Reihen von uns hätten wahrscheinlich noch öfters treffen können. Nochmals, solche Abende gibt es nicht jeden Abend. Man schießt nicht in jedem Drittel fünf Tore, also würde ich mich nicht daran gewöhnen. Aber es ist ein großes Verdienst unserer Gruppe, dass sie dran geblieben ist und schließlich die Oberhand behalten hat."
Eine Hochrechnung habe ich dann doch noch parat für den besten deutschen Eishockeyspieler der Geschichte: Würde Draisaitl in dieser Häufigkeit weiter punkten wie bisher, käme er am Ende der regulären Saison auf 133 Punkte - die meisten in der NHL seit Mario Lemieux (161) und Jaromir Jagr (149) für die Pittsburgh Penguins in 1995/96. Welche Namen!