Einer der ganz Großen der Liga
Jarome Iginla kann auf eine herausragende Karriere zurückblicken, doch was kann er in Zukunft noch leisten?
von Robin Patzwaldt @RobinPatzwaldt / NHL.com/de Autor
Auch wenn die Colorado Avalanche am Abend ihre zuletzt laufende Negativserie mit einem hart erkämpften 2:1-Heimerfolg nach Verlängerung gegen die New York Islanders endlich zunächst einmal hinter sich lassen konnten, hat dieser glückliche Erfolg an der grundsätzlichen Problematik, in der sich die früher sportlich so dominante NHL-Franchise aktuell befindet, nichts ändern können.
Das Team rangiert derzeit noch immer ganz unten in der Tabelle. Und das nicht nur in Sachen Punkten, sondern auch in vielen Teilstatistiken. Viel Arbeit also für General Manager Joe Sakic, der in naher Zukunft wohl an vielen Stellschrauben drehen muss, wie es scheint, bevor es mit den "Avs" dann irgendwann hoffentlich auch einmal wieder deutlich aufwärts gehen kann.
Fraglich ist dabei, ob ein Mann diesen Prozess noch mitgehen wird, der seit Jahren schon einer der profiliertesten, angesehensten und beliebtesten Spieler der Liga ist, mit seinem Team aber derzeit auch ganz persönlich in einer tiefen Krise zu stecken scheint: Jarome Iginla.
Auf ihn im Speziellen wollen wir heute hier an dieser Stelle daher mal einen näheren Blick werfen:
Iginla spielt gerade seine bereits insgesamt 20. NHL-Saison. Für die Colorado Avalanche ist es aktuell die Dritte. Doch zum ersten Mal nach 1998 droht der routinierte Stürmer diesmal die 20 Tore-Marke am Ende einer Spielzeit zu verpassen.
Nach nun 39 gespielten Begegnungen der laufenden Saison steht der Kanadier derzeit bei lediglich fünf Treffern und sechs Assist, von denen ihm einer am gestrigen Abend gegen die 'Isles' gelang. Nicht gerade eine Bilanz, die ihm und seiner herausragenden Karriere bisher gerecht wird. Stellt sich also die grundsätzliche Frage, wie es mit ihm in Zukunft weitergehen wird. Schließlich ist Iginla bereits 39 Jahre alt, im Juli wird er 40, und noch immer kann seine Karriere den herbeigesehnten Höhepunkt, einen Stanley-Cup-Triumph, nicht ausweisen. Es könnte also im Frühjahr der vielleicht letzte Anlauf für ihn persönlich folgen. Aber dann sicherlich nicht mehr mit den Colorado Avalanche, welche die KO-Runde mit hoher Wahrscheinlichkeit verpassen werden. Dazu muss man kein Prophet sein.
So oder so, die Karriere eines der sportlich größten Stürmer der letzten Jahre steht vor ihren letzten Kapiteln. Und es ist aktuell noch unklar, wie die Reise durch die NHL für Iginla enden wird.
Kann er die Karriere doch noch vollenden, den Stanley Cup noch einmal in die Höhe stemmen, oder verschwindet er vergleichsweise sang und klanglos von der Bildfläche? Die nächsten Monate werden es zeigen.
Vertragstechnisch befindet er sich im letzten Jahr eines insgesamt mit 16 Millionen US$ dotierten Arbeitspapieres.
Den größten (und bisher erfolgreichsten) Teil seiner Profikarriere hat er in Calgary bei den Flames verbracht. Mit diesem kämpfte er im Stanley Cup-Finale im Frühjahr 2004 letztendlich vergeblich gegen den späteren Titelträger, die Tampa Bay Lightning. Viele hier werden sich vermutlich noch an diese spektakuläre Finalserie erinnern.
Iginla, dessen Mutter Kanadierin ist und dessen Vater aus Nigeria stammt, spielte in seiner Jugend übrigens zuerst intensiv Baseball und wechselte erst später zum in seiner Heimat eigentlich deutlich beliebteren Eishockey.
Er wurde dann später beim NHL Entry Draft des Jahres 1995 in der ersten Runde an elfter Stelle von den Dallas Stars gezogen, aber am 19. Dezember 1995 in einem damals recht überraschenden Trade zusammen mit Corey Millen von den Flames verpflichtet, die im Gegenzug seinerzeit ihren Publikumsliebling und Starspieler Joe Nieuwendyk in Richtung Texas abgaben.
In der Saison 1996-97 absolvierte der ursprünglich in Edmonton geborene Iginla seine erste vollständige Spielzeit in der NHL. Dabei erzielte er direkt 50 Punkte und erhielt er folglich eine Nominierung für die Calder Memorial Trophy als bester Rookie des Jahres.
Seine persönlich erfolgreichste Runde spielte er dann 2001-02, als er mit insgesamt 96 Punkten (52 Tore und zusätzlich noch 44 Assists) sowohl die Art Ross Trophy als auch die Maurice Richard gewann.
Zudem erhielt er damals den Lester B. Pearson Award als der wertvollste Spieler der Liga und wurde aufgrund seiner herausragenden Leistungen für die Olympischen Spiele des Jahres 2002 nominiert, wo er mit dem Team aus Kanada dann die Goldmedaille gewann.
Der endgültige Aufstieg zum NHL-Superstar gelang ihm in der Saison 2003-04. Jarome Iginla hatte hier mit 73 Punkten (41 Tore und 32 Assists) in der regulären Saison, und mit 22 Punkten (13 Tore und neun Assists) in den Playoffs, großen Anteil daran, dass die Flames aus Calgary erstmals nach acht Jahren wieder die KO-Runde in der besten Eishockeyliga der Welt erreichten und zum ersten Mal nach 15 Jahren dann auch wieder im Stanley-Cup-Finale spielten. Gegen die Tampa Bay Lightning musste man sich hier jedoch nach hartem Kampf am Ende knapp geschlagen geben.
Im Dezember 2006 gelang dem Rechtsschützen im Spiel gegen die Minnesota Wild dann sowohl sein insgesamt 300. Tor als auch der 600. Scorerpunkt seiner NHL-Karriere. Die Spielzeit 2007-08 sollte danach dann mit insgesamt 98 Punkten die am Ende offensivstärkste in seiner Profilaufbahn werden.
Am 1. April 2011 erzielte der Flügelstürmer in seinem 1103. NHL-Spiel in der regulären Saison für die Flames gleich drei Punkte gegen die St. Louis Blues und erreichte somit als damals erst 77. Spieler in der Geschichte der Liga die Marke von 1000 Punkten.
Im März 2013 wurde Iginla im Austausch für Ben Hanowski, Kenny Agostino und einem Erstrunden-Wahlrecht im NHL Entry Draft 2013 zu den ambitionierten Pittsburgh Penguins transferiert. Doch zu einem Stanley Cup-Triumph sollte es für ihn auch hier nicht reichen.
Im Juli 2013 unterzeichnete er dann einen Einjahresvertrag bei den Boston Bruins. Ein Jahr darauf unterschrieb Iginla dann seinen aktuellen, mit 16 Millionen US-Dollar dotierten Dreijahres-Vertrag bei den Colorado Avalanche in Denver.
Im Vorjahr langte es für Iginla dort immerhin noch zu22 Treffern und 25 Assists. Werte, die er in dieser Spielzeit vermutlich längst nicht mehr erreichen wird. Doch selbst diese 47 Punkte waren nach 82 Spielen bereits der zweitniedrigste Wert für ihn am Ende einer vollen Runde für ein Team. Inzwischen hat auch sein Trainer Jared Bednar entsprechend reagiert und die Rolle des Stürmers im Team beschnitten, ihn aus den Top-Reihen entfernt, seine Einsatzzeiten damit reduziert.
Die Avalanche, schon die ganze Saison über, wenig konkurrenzfähig in der Western Conference, müssen deutlich schneller und jünger werden, wenn sie den Anschluss an die oberen Ränge finden wollen. Ein Spieler wie Iginla, der zwar über sehr viel Erfahrung verfügt, jedoch sicherlich nicht mehr durch seine Geschwindigkeit herausragt, passt da offenkundig nicht mehr wirklich in das Konzept der Franchise. Coach Bednar setzte zuletzt vermehrt auf Qualitäten die Iginla nicht (mehr) zu zeigen in der Lage scheint.
Mit seinen unzweifelhaft noch immer vorhandenen Qualitäten könnte Iginla jedoch für ein anderes Team noch immer eine wertvolle Verstärkung darstellen. Doch ihn zu "traden" dürfte für die "Avs" vermutlich nicht ganz so einfach werden.
Die Bereitschaft auf seine "No-trade"-Klausel zu verzichten soll Iginla zwar grundsätzlich wohl bereits intern geäußert haben, doch muss ja auch erst noch ein passendes Team ein ernsthaftes Interesse an dem 39-Jährigen zeigen, welches ihm einen realistischen Anlauf im Frühjahr in Richtung Stanley Cup ermöglichen würde, damit der Wechsel dann auch wirklich für alle Beteiligten am Ende Sinn macht.
Zudem stellt sich ja auch die Frage, ob Iginla seine Karriere dann im Sommer noch weiter fortsetzen würde. Auch das muss bei einer möglicherweise in Betracht gezogenen Wechseloption im Hintergrund mit bedacht werden. Gegenüber NHL.com äußerte Iginla zuletzt: "Ich erinnere mich noch an solche Diskussionen rund um das Karriereende bei Teemu Selanne, Nicklas Lidstrom und Mark Recchi. Sie alle hatten stets nur von Jahr zu Jahr über ihre Zukunft entschieden. Und jetzt verstehe ich das auch. Sie konnten es nicht längerfristig entscheiden, weil sie es wirklich nicht vorab wussten."
Je näher die Trading Deadline kommt, je mehr dürfte in diese Richtung spekuliert und berichtet werden. In ein paar Wochen werden wir alle schlauer sein, ob und wann ein solcher Wechsel tatsächlich Realität werden wird.
Inzwischen steht Iginla bei 1512 NHL-Einsätzen. Zuletzt hatte er in dieser Statistik auch Wayne Gretzky überholt. Ob er es noch schafft Joe Sakic, seinen heutigen General Manager in der Tor-Statistik zu überholen, und ob er dabei noch das Avalanche-Jersey anhaben würde, das erscheint aktuell zumindest arg zweifelhaft. Neun Treffer fehlen ihm aktuell noch an dessen 625 Erfolgserlebnissen vor dem Tor. Dann wäre er 15. in der ewigen Torjägerliste der NHL.
Sollte Iginla seine große Laufbahn am Ende der Saison beenden, dann hätte die Liga unzweifelhaft einen ihrer ganz Großen der letzten Jahrzehnte verloren. Fans und Mitspieler, aber auch die Gegner, respektieren ihn und seine stets freundliche, offene Persönlichkeit seit Jahren wie bei kaum einen Zweiten der Szene. Und ob er Sakic nun noch einholt, ob er den Stanley Cup noch einmal erringen kann, oder auch nicht, Iginla ist schon jetzt unzweifelhaft einer der größten Stürmer der Ligageschichte. Auch wenn er aktuell etwas in den Schatten zu geraten droht.