Edmonton: Neuzugänge mit Risiko
NHL.com/de 31 in 31: Oilers brauchen mehr Tiefe und Secondary Scoring für die Playoff-Qualifikation
von Christian Rupp @IamCR1 / NHL.com/de
Ab dem 1. August nimmt NHL.com/de mit seiner 31 in 31 Serie jedes Team genauer unter die Lupe. Von den wichtigsten Geschehnissen und Spielern bis hin zu Stärken und Schwächen, bieten wir eine umfassende Bestandsaufnahme der Klubs in der Liga.
In dieser Ausgabe geht es um die Edmonton Oilers.
Der Playoff-Hunger der Edmonton Oilers ist groß, doch bleiben die Kanadier auch in der Spielzeit 2019/20 eine Wundertüte. Über den Sommer hat sich der Kader jedenfalls kaum verbessert. Es droht die 14. Endrunden-freie Saison in 15 Jahren.
Schlüsselspieler als große Stärke: Draisaitl und McDavid müssen führen
Mit Connor McDavid und Leon Draisaitl haben die Oilers zwei ultimative Superstars in ihren Reihen. Beide knackten in der Vorsaison die Schallmauer von 100 Scorerpunkten: McDavid schloss mit 116 Punkten (41 Tore, 75 Assists) als zweitbester NHL-Scorer, Draisaitl mit 105 Punkten (50 Tore, 55 Assist) als zweitbester Torjäger ab. Beide Stürmer können Spiele im Alleingang entscheiden. McDavid ist der momentan wohl schnellster Spieler der Welt und punktete in den letzten drei Spielzeiten immer dreistellig. Draisaitl gilt als smarter Spielmacher mit exzellentem Pass, der nun auch seine Scharfschützen-Qualitäten auf ein neues Niveau gehoben hat.
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Schwächen: Fehlende Tiefe
Kurioserweise sind es unter anderem auch McDavid und Draisaitl selbst, die den Handlungsspielraum der Oilers einschränken: Mit 12,5 bzw. 8,5 Millionen US-Dollar Jahresgage nehmen diese zwei Spieler schon 21 Millionen vom Gehaltsspielraum ein. Hinzu kommen hochpreisige Verteidiger, die diesen Wert bislang noch nicht auf dem Eis zurückzahlen konnten: Mit Oscar Klefbom (4,167 Millionen), Adam Larsson (4,167 Millionen), Kris Russell (4,0 Millionen) und Darnell Nurse (3,2 Millionen) "blockieren" vier Verteidiger weitere 15,534 Millionen Dollar Capspace.
Dadurch fehlt es im Oilers-Kader vor allem an Tiefe: Nur McDavid (116), Draisaitl (105) und Ryan Nugent-Hopkins (69) erzielten mehr als 42 Scorerpunkte - dahinter klafft eine große Lücke. Gar nur sieben Spieler verbuchten mehr als 20 Punkte. Mangelndes Secondary Scoring zeigte auch die interne Torjägerliste: Nur vier Spieler - Draisaitl (50), McDavid (41), Nugent-Hopkins (28) und Alex Chiasson (22) - erzielten mehr als 15 Tore. Lediglich sechs Akteure trafen zweistellig. Ein eindeutiges Warnsignal. Edmonton schaffte es nicht, ein schlagkräftiges Team, um die beiden Superstars herumzubauen. Es fehlte an gutem Goaltending, einer stabilen Defensive und Tiefe in der Offensive.
Video: DAL@EDM: McDavid durch die eigenen Beine zum Tor
Neuzugänge mit Risiko
Die Kanadier hoffen nun, dass die Neuzugänge einschlagen werden - allen voran Power Forward James Neal. Der wuchtige Flügelstürmer (1,88 Meter groß, 100 Kilogramm schwer) kam im Austausch für Milan Lucic von den Calgary Flames. Mit 5,75 Millionen Dollar Jahresgage ist der Linksschütze alles andere als ein Schnäppchen, zumal die Oilers 12,5 Prozent von Lucics Gehalt (6 Millionen) weiterzahlen. Bezahlt machen soll sich dieser Trade trotzdem - Edmonton hofft auf eine Leistungssteigerung bei Neal, der auf eine starke Saison 2017/18 mit den Vegas Golden Knights (25 Tore, 19 Assists plus sechs Tore und fünf Assists auf dem Weg ins Stanley-Cup-Finale) eine eher schwache Spielzeit 2018/19 bei den Flames folgen ließ (sieben Tore, zwölf Assists - kein Scorerpunkt in den Playoffs).
Risiko gingen die Kanadier bei den weiteren Personalentscheidungen ein: Mit Kevin Gravel (Toronto Maple Leafs) und Andrej Sekera (Dallas Stars) verabschiedeten sich zwei Verteidiger, mit Anthony Stolarz (Anaheim Ducks) ein Torwart sowie mit Ty Rattie (Lokomotive Jaroslawl) und dem Deutschen Tobias Rieder (vereinslos), der überraschend torlos geblieben war, auch zwei Stürmer. Bei den Neuzugängen wilderten die Oilers auch in Europa und erhoffen sich vom Schweizer Gaetan Haas (SC Bern, 38 Scorerpunkte in 50 NLA-Spielen) sowie vom Schweden Joakim Nygard (Färjestad BK, 35 Punkte in 52 SHL-Spielen) frische Impulse. Auch Markus Granlund (Vancouver Canucks), Josh Archibald (Arizona Coyotes) und Tomas Jurco (Charlotte Checks, AHL) sollen für mehr Tiefe sorgen. Als potenzieller Starter wurde Mike Smith (zuvor Calgary) als Free-Agent unter Vertrag genommen. Der 37-jährige Routinier hatte jüngst beim Erzrivalen die schlechteste Fangquote seiner NHL-Karriere vorzuweisen (89,8 Prozent in der regulären Saison) und tritt nun mit Mikko Koskinen (31) in den Konkurrenzkampf.
Entwicklungspotenzial: Bouchard könnte helfen
In Sachen Talente könnte Verteidiger Evan Bouchard den Sprung ins NHL-Aufgebot schaffen. Der 19-jährige Erstrunden-Pick im Vorjahr (10. Stelle) könnte den teils schwachen Spielaufbau verbessern. Der mobile Rechtsschütze gilt als kompletter Abwehrspieler.
Tippett neuer Trainer
Die Hoffnungen in Edmonton ruhen auch auf dem neuen Trainer: Dave Tippett übernimmt die Oilers zur neuen Saison. Kann er den Erfolg zurückbringen? Der 57-Jährige arbeitete zuletzt als Chef-Berater der neuen NHL-Franchise aus Seattle und coachte zuvor die Dallas Stars (2002-2009) und Phoenix sowie Arizona Coyotes (2009-2017). Kann der neue Mann für mehr Durchschlagskraft aus allen Reihen sorgen?
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Playoff-Chancen: Es wird knapp
Mit McDavid und Draisaitl tragen zwei der besten Stürmer auf diesem Planeten das Oilers-Trikot. Doch wird das alleine nicht reichen, um sich für die Playoffs zu qualifizieren. In den letzten 14 Jahren gelang das ohnehin nur ein einziges Mal - seit 2017, trotz McDavid und Draisaitl, schon zweimal in Folge nicht mehr. Edmonton kann 2019/20 wieder um die Wilcard-Plätze mitspielen, doch brauchen die Oilers mehr Unterstützung aus den hinteren Reihen.