NHL-Pioniere: Esposito-Brüder
Shutout-Spezialist Tony und sein großer Bruder Phil dominierten die NHL in den 1970er Jahren
von Marc Rösch / NHL.com/de Autor
Am 1. Januar 2017 eröffnete die National Hockey League mit dem Eröffnungsbully zum Scotiabank NHL Centennial Classic die Feierlichkeiten zur Jahrhundertsaison. Seit ihrer Gründung im Jahr 1917 sah die Liga zahlreiche Kultpersönlichkeiten. Während der Saison 2017 wird euch NHL.com/de mit zahlreichen Stories über die vergangenen 100 Jahre versorgen.
In ihrer hundertjährigen Geschichte sah die NHL zahlreiche Brüderpaare kommen und gehen. Nicht weniger als 16 jagen heute aktiv für ein NHL-Team der Scheibe hinterher. Unter ihnen befinden sich beispielsweise die Stones, Staals, Schenns, Subbans, Folignos oder Granlunds. Wobei die prominentesten Vertreter aktuell die Sedin-Zwillinge von den Vancouver Canucks sein dürften.
Zwar knackte Daniel Sedin jüngst die 1000-Scorerpunkte-Marke und machte es damit seinem Zwillingsbruder Henrik Sedin nach, der diesen Meilenstein in der Vorsaison erreichte, doch die erfolgreichsten Geschwister aller Zeiten sind sie damit noch lange nicht. Mit insgesamt 2861 Punkten sind die Brüder Wayne Gretzky und Brent Gretzky immer noch das Maß aller Dinge. Da Wayne alleine 2857 Punkte erreichte und Brent zu dieser Statistik nur vier Pünktchen beisteuerte, verwundert es kaum, dass sie nicht als Brüder in der von der Liga im Rahmen der Jubiläumsfeierlichkeiten veröffentlichten Liste der NHL-100 auftauchten. Neben Henri und Maurice Richard schafften es ausschließlich die Brüder Phil und Tony Esposito in die Riege der größten NHL-Spieler aller Zeiten.
Einer der bedeutendsten Stürmer und einer der besten Torhüter, die das Spiel je gesehen hatte, wuchsen zusammen im selben Elternhaus im kanadischen Sault Ste. Marie auf. Doch so talentiert die beiden Italo-Kanadier auch waren, ihre Karrieren nahmen verblüffend gemächlich Fahrt auf, bis sie in der Mitte der 1970er Jahre ihre Höhepunkte erreichten. Tony kam mit 25 Jahren spät in die NHL und Phil Esposito sorgte erst für Furore, nachdem er seiner ursprünglichen Mannschaft, den Chicago Blackhawks, den Rücken gekehrt hatte. Zwar wurde Phil schon Mitte der Spielzeit 1964/65 von den Blackhawks verpflichtet, doch obwohl er neben dem großartigen Bobby Hull agieren durfte, sorgte er noch nicht für landesweites Aufsehen. Erst als er von 1967 bis 1975 für die Boston Bruins stürmte, war in der Liga kaum ein Angreifer gefürchteter, als der mit einem Gardemaß von 1,85 Metern und 93 Kilo Gewicht ausgestattete Kanadier.
Niemand verstand es besser als Phil, sich vor dem gegnerischen Gehäuse zu positionieren und für Unheil zu sorgen, wo es wehtut. In 625 Punktspielen für die Bruins erzielte er beeindruckende 1012 Punkte (459 Tore, 553 Assists). Gemeinsam mit Verteidiger Bobby Orr bildete Phil eine dominierende Achse und führte die Bruins zu zwei Stanley Cups.
Nach 29 erfolglosen Jahren triumphierten die Bruins in der Saison 1969/70. In der darauffolgenden Spielzeit wiederholten sie - auch dank Phils tatkräftiger Unterstützung - ihre Meisterschaft. Für ihn, der in der NHL Tor- und Punkterekorde aufstellte und an insgesamt zehn NHL All Star Games teilnahm, folgten etliche imposante Jahre, wobei die Summit Series 1972 einen Höhepunkt darstellen sollte. Phil führte die kanadische Auswahl zu vier Siegen gegen die Sowjetunion. Mit 13 Punkten (7 Tore, 6 Assists) war er der erfolgreichste Stürmer des mit Spielern wie Paul Henderson, Bobby Clarke, Stan Mikita oder Frank Mahovlic gespickten Teams.
Sein Bruder Tony teilte sich währenddessen mit Ken Dryden von den Montreal Canadiens die Torhüterposition. Nachdem die Sowjetunion Kanada im Auftaktspiel in Montreal mit einem 7:3-Erfolg schockiert hatten, startete Tony beim zweiten Kräftemessen im Maple Leaf Garden in Toronto. Dort beruhigte er die kanadischen Gemüter, indem er einen 4:1-Sieg festhielt. Nach einem 4:4-Unentschieden im dritten Spiel in Winnipeg, führte Tony seine Landesfarben im wegweisenden siebten Spiel in Moskau zu einem 4:3-Triumph.
26 Jahre später wurde Tony in die Hockey Hall of Fame aufgenommen und die Chicago Blackhawks sperrten seine langjährige Trikotnummer 35. Der Klub aus der Windy City, bei dem Phil seine ersten Gehversuche in der NHL gemacht hatte, wurde einige Jahre später die langjährige Heimat von Tony.
Von 1969 bis 1984 hütete Tony das Gehäuse der Blackhawks in 873 Hauptrunden- und 99 Playoff-Spielen. Schon in seiner ersten Saison für Chicago avancierte der am 23. April 1943 geborene jüngere Esposito-Bruder zur unangefochtenen Nummer 1. Mit seinem unkonventionellen und zu dieser Zeit völlig unbekannten Butter-Fly-Stil brachte er die gegnerischen Angriffsreihen reihenweise zur Verzweiflung. In 63 Einsätzen während der Spielzeit 1969/70 erreichte Tony eine Fangquote von 2,17 und 15 Shutouts. Seit den 1920er Jahren hielt kein anderer Torsteher mehr in einer einzigen Saison häufiger seinen Kasten sauber. Folgerichtig holte er 1970 die Vezina Trophy, die er 1972 und 1974 noch zwei weitere Male ergattern konnte.
Beide Esposito-Brüder blieben der Eishockeywelt auch nach dem Ende ihrer aktiven Karrieren (Phil: 1981 und Tony: 1984) erhalten. Tony wurde 1988 General Manager der Pittsburgh Penguins und führte diese nach sechs Jahren Playoff-Abstinenz in die Postseason. Einige Jahre später waren die Brüder Schlüsselfiguren bei der Gründung der Tampa Bay Lightning.