Todd Reirden

Nach dem ersten Stanley-Cup-Triumph in der Vereinsgeschichte im Juni verspüren die Washington Capitals wenig Lust auf tiefgreifende Veränderungen. Sie setzen stattdessen auf Kontinuität. So lässt sich die Beförderung von Todd Reirden zum Chefcoach interpretieren, die der Klub am Freitag bekanntgab. Der 47-Jährige gehört seit vier Jahren zum Trainerstab der Capitals und rückt nun für Meistermacher Barry Trotz an die Spitze, der nach dem Titelgewinn von seinem Amt zurücktrat. Reirden dürfte maximal Feinjustierungen vornehmen, einige wenige neue Spieler integrieren, aber ansonsten am bewährten System festhalten.

Der neue Verantwortliche an der Bande kennt Washingtons Organisation aus dem Effeff. Von 2014 bis 2016 fungierte er beim NHL-Team als Assistenztrainer. In den vergangenen zwei Jahren war er dort als Coach speziell für die Verteidiger und das Powerplay zuständig. Trainererfahrung sammelte Reirden zudem als Assistent bei den Pittsburgh Penguins (2010-14) sowie als Headcoach von deren AHL-Farmteam Wilkes-Barre/Scranton (2009-10). Als Spieler war Reirden in der NHL bei den Edmonton Oilers, St. Louis Blues, Atlanta Thrashers und Phoenix Coyotes aktiv. In der Saison 2005/06 stand der Verteidiger in der DEL bei der Düsseldorfer EG unter Vertrag.
Washingtons General Manager Brian MacLellan ist felsenfest davon überzeugt, mit Reirden die richtige Wahl getroffen zu haben. "Er ist mit unserer Kultur, den Leuten und unserer Spielweise bestens vertraut", begann er seine Lobesrede. "Wir glauben, dass die Zeit reif ist, Todd die Leitung unseres NHL-Teams zu übertragen. Er hat sich diese Chance durch seine hervorragende Arbeit bei uns redlich verdient. Er besitzt enormen Anteil daran, dass die Mannschaft den Stanley Cup gewonnen hat und wird einen nahtlosen Übergang in die nächste Saison gewährleisten", so MacLellan weiter.

In Spielerkreisen ist Reirdens Ernennung zum Chefcoach durchweg positiv aufgenommen worden. Kapitän Alex Ovechkin bezeichnete ihn als guten Kommunikator, der von allen in der Mannschaft respektiert werde. Der Schwede Nicklas Backstrom sieht es als Vorteil an, dass Reirden keine lange Einarbeitungsphase benötigt. "Er kennt uns und hat uns in den vergangenen Jahren schon eine Menge Input gegeben. Ich denke, das macht es einfacher für ihn", sagte der Angreifer.
Geradezu begeistert zeigte sich John Carlson von der Besetzung des Trainerpostens mit Reirden. "Er versteht es, auf die unterschiedlichen Charaktere einzugehen und betrachtet die Dinge auch mal aus einer anderen Perspektive. Er hat mir in dieser Saison dabei geholfen, mein Spiel auf eine höhere Stufe zu bringen", betonte der offensivstarke Verteidiger, der 2017/18 mit 68 Scorerpunkten (15 Tore, 53 Assists) in der Hauptrunde eine persönliche Bestmarke aufstellte.
Eine ähnliche Entwicklung ließ sich bei den Defensivspielern Dmitry Orlov und Michal Kempny feststellen. Sie machten dank Reirdens gezielter Arbeit ebenfalls einen großen Schritt nach vorne.
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Ein zusätzlicher Aspekt, der dem Coach zur neuen Spielzeit 2018/19 in die Karten spielen dürfte, ist die Beständigkeit beim Personal. Innerhalb der Belegschaft kommt es zu keinem gravierenden Wandel. In dieser Woche verständigten sich die Capitals mit den Abwehrrecken Carlson und Kempny sowie Angreifer Devante Smith-Pelly auf eine Weiterbeschäftigung. Damit stehen aktuell fünf von sechs Verteidigern und zehn von zwölf Stürmern für die nächste Saison unter Vertrag, die in der Finalserie gegen die Vegas Golden Knights den Stanley Cup holten. Mit Tom Wilson, einem weiteren Angreifer aus der Meistermannschaft, ist man sich so gut wie handelseinig.
Aus dem Erfolgskader ausgeschieden sind dagegen Verteidiger Brooks Orpik und Torhüter Philipp Grubauer. Sie wurden beide zu den Colorado Avalanche transferiert, um Freiraum beim Salary Cap für Carlsons neuen Achtjahresvertrag zu schaffen. Allerdings ist denkbar, dass Orpik als Unrestricted Free Agent zurückkehrt, nachdem sich das Franchise aus Denver zum Buyout seines noch ein Jahr gültigen Kontrakts entschied.

Als weiterer sicherer Abgang gilt Stürmer Jay Beagle, der regelmäßig als Center in der vierten Angriffsformation zum Einsatz kam. Er wird ab 1. Juli zum Unrestricted Free Agent und kann sich ohne Einschränkung einen neuen Arbeitgeber suchen. Einen passenden Ersatz für Beagle und einen Backup für Schlussmann Braden Holtby zu finden, sollte für Washington keine Hürde darstellen.
Trotz der vielen günstigen Vorzeichen ist die Nominierung Reirdens nicht gänzlich ohne Risiko für die Capitals. Es besteht die Gefahr, dass sich in der Mannschaft durch das damit ausgerufene "Weiter so" eine gewisse Trägheit und Selbstzufriedenheit einschleicht. Interessant wird zudem die Frage sein, wie Reirden in Krisenzeiten reagiert und ob dann das Management und die Stars im Team so bedingungslos hinter ihm stehen, wie sie es jetzt angekündigt haben.
Drei harte Bewährungsproben für Reirden und die Capitals warten gleich zum Saisonauftakt im Oktober. Im ersten Spiel bekommt es der Titelverteidiger mit den Boston Bruins zu tun, danach wartet der Erzrivale Pittsburgh Penguins, bevor im Anschluss die Neuauflage der Stanley-Cup-Finalpaarung gegen die Golden Knights ansteht.