John Mitchell

Die Colorado Avalanche befinden sich in einer aufregenden Woche, die in der Nacht von Samstag auf Sonntag (2 Uhr MEZ) ihren Höhepunkt findet: Das Freiluft-Spiel gegen die Los Angeles Kings im Rahmen der NHL Stadium Series 2020. Ein Event, das auch viele Eishockey-Fans in Deutschland vor den Bildschirm zieht. NHL.com/de traf im Vorfeld einen Spieler, der in Colorado zu Hause ist, die NHL und DEL kennt und Deutschland vermisst: John Mitchell.

Hallo John, du arbeitest wieder für die Colorado Avalanche - in welcher Funktion?
John Mitchell: Seit dieser Saison bin ich bei den Heimspielen Experte beim Colorado-Avalanche-Radio. Ich bin kein Reporter das wäre ein bisschen zu viel für mich, sondern ich mache die Analysen du werfe immer mal wieder ein paar Sätze ein.
Teilst du am Mikrofon genauso aus wie zu deiner aktiven Zeit auf dem Eis?
Michell (lacht): Manchmal schon, ja. Aber es ist das Klub-Radio, also kann ich nicht zu aggressiv sein. Es macht Spaß und ich genieße es, hier mitzumachen.
Du hast fünf Jahre für die Avalanche in der NHL gespielt. Ist Colorado zu deiner Heimat geworden?
Mitchell: Defintiv, ja. Meine Frau kommt zwar aus Michigan und ich aus Ontario, aber als wir im Jahr 2012 hierhergekommen sind, haben wir die Zeit hier genossen. Es ist eine schöne Stadt und es gibt hier alles, was du dir vorstellen kannst: Die Sommer sind phänomenal, die Winter sind großartig. Wir haben uns in die Stadt verliebt. Das passiert vielen Spielern, die hierherkommen: Sie tun sich schwer, wieder zu gehen.

JM

Freust du dich schon auf das Freiluft-Spiel am Samstag?
Mitchell: Auf jeden Fall. Wir werden das Spiel im Radio übertragen und sitzen direkt am Eis. Ich durfte schon selbst in zwei Freiluft-Spielen dabei sein, in Philadelphia und hier in Colorad. Ich freue mich sehr darauf. Es ist ein Spektakel!
Wie stark schätzt du die Avalanche in diesem Jahr ein?
Mitchell: Es ist ein großartiges Team. Sie sind vom Torhüter über die Verteidigung und im Sturm stark besetzt, haben mit Nathan MacKinnon einen Spitzenspieler und mit Cale Makar einen Top-Rookie.
Was denkst du über unseren deutschen Torwart Philipp Grubauer?
Mitchell: Er spielt richtig gut. Im Januar hatte er ein kleines Tief, aber das passiert jedem Spieler mal. Ansonsten hat das ganze Jahr stark gespielt. Er ist ein agiler Torwart, nicht der größte, dafür ist er aber dynamisch und kreiert unglaubliche Saves, wo du dich fragst: Wie hat er das gemacht? Er kommt schnell wieder in die Position und überrascht gegnerische Stürmer mit seiner Reaktion. Er hat diese Kämpfermentalität, diesen Willen, den Extra-Meter zu gehen, um die Parade noch zu machen. Er zeigt auch Folge-Saves, die sonst keiner macht.

COL@MIN: MacKinnon trifft in Überzahl durch Verkehr

Ist Colorado schon in dieser Saison ein Titel-Kandidat?
Mitchell: Sie zählen definitiv zum Favoritenkreis. Es wird interessant sein, was sich bis zur Trade-Deadline noch verändern wird. Sie werden noch ein paar wichtige Entscheidungen treffen müssen. Ich weiß, dass Joe (General Manager Joe Sakic, d. Red.) nicht gerne Draft-Picks, Talente oder eine große Spielermasse verkauft. Sie werden auch nicht nur ein Spieler für die Playoffs verpflichten. Man darf gespannt sein, welche Spieler auf dem Eis stehen werden.
Deine Zeit in Deutschland ging im Sommer 2019 zu Ende. Vermisst du Land und Leute?
Mitchell: Auf jeden Fall. Ich hatte so viel Spaß dort und habe die Zeit genossen. Auch die Fahrten auf den Autobahnen ohne Tempolimit. Das sind Dinge, die du in den USA oder in Kanada nicht machen kannst. Ich kann nicht genug gute Dinge über Deutschland sagen und die Zeit, die wir als Familie in diesem Land verbringen durften.
Du hast in Nürnberg und München gespielt. Was hat dir an den beiden Städten besonders gefallen?
Mitchell: Nürnberg war eine etwas kleinere Stadt, aber ein großartiger Standort für einen Spieler. Ich habe die Halle dort geliebt: Die Fans waren die besten. Und München spricht für sich. Es ist eine große Stadt, die aber einen Old-School-Charme versprüht. Die Leute haben Lederhosen getragen und ich habe es auch genossen, meine Lederhose anzuziehen. Auch die Erfahrung auf dem Oktoberfest war cool und einzigartig.
Wie würdest du die NHL und die DEL vergleichen?
Mitchell: Die NHL ist die beste Eishockey-Liga der Welt. Hier spielen die besten Spieler. In Sachen Geschwindigkeit und Reaktionsschnelligkeit ist es etwas anderes als in der DEL. Aber auch die DEL ist eine gute Liga. Vor allem die Atmosphäre in den Stadien hat mich beeindruckt und ist nicht mit der NHL zu vergleichen. Hier sind zwar 20.000 Fans in der Arena, in Deutschland waren es vielleicht 5000 oder 6000, aber sie waren lauter. Es ist eine phänomenale Fankultur und das ist eines der Dinge, die ich am meisten vermisse. Ich erinnere mich noch an meine ersten Spiele in Nürnberg. Die Fans haben die ganze Zeit gesunden, geschrien und getrommelt. Das war eines der coolsten Erfahrungen im Eishockey.

Würdest du eines Tages nach Deutschland zurückkehren?
Mitchell: 100 Prozent ja, ich will definitiv zurückkommen. Ich möchte das ganze Land sehen, weil es so schön ist. Und natürlich will ich auch nochmal aufs Oktoberfest auf ein paar Bier.
John Mitchell wurde am 22. Januar 1985 in Oakville, in der kanadischen Provinz Ontario geboren. Der 1,85 Meter große und 93 Kilogramm schwere Stürmer wurde im Jahr 2003 in der 5. Runde an insgesamt 158. Stelle von den Toronto Maple Leafs gedraftet. Für die Maple Leafs (2008-2011), die New York Rangers (2011/12) und die Colorado Avalanche (2012-2017) machte er 548 NHL-Spiele mit 70 Toren, 107 Assists, 177 Scorerpunkten und 267 Strafminuten. 2017 startete der heute 35-Jährige dann sein Deutschland-Abenteuer: Mit den Thomas Sabo Ice Tigers in Nürnberg (Saison 2017/18, 49 DEL-Spiele, 17 Tore, 26 Assists, 43 Punkte, 53 Strafminuten) erreichte er das Halbfinale. Danach wurde er mit dem EHC Red Bull München (2018/19, 61 Spiele, 16 Tore, 29 Assists, 45 Punkte, 71 Strafminuten) wurde er Vize-Meister. Nach seinem Karriereende kehrte er in die USA in den Bundesstaat Colorado zurück.