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In der Serie „Catching Up With…” spricht NHL.com/de regelmäßig mit ehemaligen NHL-Profis, die mittlerweile außerhalb von Nordamerika spielen oder sich vom aktiven Eishockey als Spieler zurückgezogen haben.

In dieser Ausgabe: Greg Holst (im Ruhestand)

Greg Holst ist ein kanadisch-österreichischer Eishockey-Spieler und -Trainer. Der Stürmer wurde im NHL Draft 1974 in der 8. Runde an 139. Stelle von den New York Rangers ausgewählt und absolvierte für sie elf Spiele in drei Jahren.

In der AHL (199 Spiele, 73-94-167) und in der ersten österreichischen Liga (533 Spiele, 501-480-981) ragte der 1,78 Meter große Linksschütze als torgefährlicher Scharfschütze heraus. So wurde er etwa gleich in seiner ersten Saison in der American Hockey League als Rookie des Jahres ausgezeichnet (69 Spiele für die Providence Reds, 37-44-81, 77 Strafminuten).

Nach seiner aktiven Karriere schlug Holst die Trainer-Laufbahn ein und arbeitete sowohl für den österreichischen Verband als Headcoach im Junioren-Bereich sowie als Co-Trainer der A-Nationalmannschaft bei Weltmeisterschaften und den Olympischen Spielen 2002 in Salt Lake City. Zwischen 2002 und 2019 wirkte er als Vereinstrainer beim Villacher SV, HC Innsbruck und EK Zell am See.

Kult-Status erreichte Holst mit einem legendären Interview-Ausraster nach einem Spiel seiner Villacher Adler bei den Vienna Capitals. Später war er ein gefragter TV-Experte bei NHL-Spielen im österreichischen Fernsehen. Heute lebt der 71-Jährige in Villach und hilft beim VSV als Junioren-Trainer aus.

Mit NHL.com/de sprach mit Holst über sein Temperament, Cowboystiefel, Salzstreuer und seine Zeit in der NHL.

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Servus Greg! Wo erreiche ich dich gerade?
Ich bin im Villach und habe heute meinen freien Tag.

Das heißt, du bist nach wie vor im Hockey-Bereich aktiv?
Ja, ich bin von Montag bis Donnerstag auf dem Eis und helfe bei uns im Junioren-Bereich in der U13, U15 oder U18 aus, wenn einer der Trainer nicht da ist. Mit der U13 gehe ich regelmäßig aufs Eis. Ich unterstütze die Trainer, mache ein paar Übungen und führe ein paar Gespräche.

Wissen die Jugendlichen, dass sie gerade mit einem ehemaligen NHL-Spieler auf dem Eis stehen?
Ich glaube schon, dass sie wissen, wer ich bin. Ein paar haben mich auch schon im Fernsehen gesehen. Ich rede nicht selbst darüber, aber sie wissen es. Natürlich hilft es, wenn du Erfahrung aus der NHL und AHL mitbringst, aber eigentlich geht es vor allem darum, wie du mit den Kindern umgehst, wie du mit ihnen redest und wie du sie behandelst. Das ist der Schlüssel. Wenn ich kein guter Kerl wäre und nicht die Wahrheit sagen würde, dann könnte ich diesen Job nicht machen. Hilft es, selbst Spieler gewesen zu sein? Ja, weil ich kann ihnen ein paar Tricks zeigen und Geschichten erzählen von Spielern wie Michael Raffl oder Michael Grabner, die sie alle kennen. Das ist es, was mir Spaß macht: Ich bin viel im Fitnessstudio, bin gut in Form und gehe gerne mit den Jungs aufs Eis.

Dein legendärer Interview-Ausraster feiert im Februar 20-jähriges Jubiläum. Wie blickst du zwei Jahrzehnte später auf diese Szene zurück?
Es ist lustig, dass du das sagst, denn das Video wird nach wie vor angeschaut. Es ist damals einfach passiert. Es war ein einzigartiges Interview. Würde ich das heute machen, würde ich zehn Spiele gesperrt werden und müsste eine heftige Geldstrafe zahlen. Es waren einfach die Emotionen nach dem Spiel. Was passiert ist, ist passiert. Es ist lustig: Ich war fast 20 Jahre Profi, habe eine lange Zeit als Trainer gearbeitet und im selben Jahr sogar die Meisterschaft gewonnen - aber alle erinnern sich nur an dieses Video (lacht). Es ist schwer zu glauben, dass das schon 20 Jahre her ist.

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Hättest du heute genauso reagiert wie damals?
Ich kenne meine Persönlichkeit, also wahrscheinlich ja. Ich bin jetzt älter und weiser. Ob es so drastisch ausgefallen wäre, weiß ich nicht. Aber ich wäre trotzdem verdammt wütend gewesen.

Wie oft wirst du heute noch auf dieses Interview angesprochen?
Dazu fällt mir eine lustige Geschichte ein: An meinem 70. Geburtstag vor anderthalb Jahren habe ich bei einem Hockey-Spiel im Mittelkreis einen Kuchen bekommen. Bevor die Fans Happy Birthday gesungen haben, gab es einen Video-Einspieler auf der Anzeigetafel. Dabei wurden Bilder von der Meisterschaft, aber auch mein Interview von damals gezeigt. Die Zuschauer haben alle laut gelacht, natürlich auf meine Kosten. Es waren einfach die Emotionen des Spiels, ich war ein emotionaler Trainer und so entstand eine Geschichte, die nie geplant war.

Warst du als aktiver Spieler genauso temperamentvoll wie als Trainer?
Oh, ich war ziemlich feurig auf dem Eis! Wenn man sich meine Statistiken anschaut, auch der AHL, an der Universität und auch im Junioren-Bereich, war ich oftmals der Top-Scorer, aber immer auch weit oben bei den Strafzeiten. Ich hatte Feuer und musste mich wehren, um zu überleben. Das gehört dazu. Ich war kein großer Spieler, also war es hart für mich. Ich bin ich glücklich, dass ich so lange spielen konnte.

Du wurdest 1974 von den New York Rangers gedraftet. Für dich war es damals aber kein schöner Tag. Warum?
Ich war ein Scharfschütze. Mein Manager hat mir gesagt, dass mich drei Teams für ihre ersten Picks auf dem Zettel haben. Es war aber auch das Jahr, in dem die Philadelphia Flyers mit ihren „Broadstreet Bullies“ den Stanley Cup gewonnen haben. Gefragt waren also große Spieler, Kämpfer, Jungs, die einen anderen Stil gepflegt hatten. Ich wurde zum Draft eingeflogen, am ersten Tag aber nicht ausgewählt, worüber ich nicht gerade glücklich war. Ich wollte sogar mit dem Eishockey aufhören. Später habe ich dann einen Anruf von den Rangers bekommen, dass sie mich gedraftet haben.

Das klingt nach einem schweren Start…
Es kam noch härter: Ich kam vertragslos ins Camp der Rangers und habe dort auch gut mit den Top-Jungs zusammengespielt. Ich habe Tore geschossen, die Scouts haben zugesehen, aber nicht einer hat auch nur ein einziges Wort mit mir gesprochen. Dann hatte ich einen Faustkampf, in dem ich mich ganz gut geschlagen habe. Plötzlich sind die Scouts auf mich zugekommen und haben gesagt: ‚Good job, Holsti‘. Es war wirklich hart, dort zu überleben, denn du musstest immer diese Härte zeigen.

Du hast überall in deiner Karriere Tore wie am Fließband geschossen. Warum hat es ausgerechnet in der NHL nie geklappt?
Ja, ich habe überall getroffen. Auch mit New York habe ich in acht Testspielen jedes Mal vier Tore geschossen. Als die Saison begann, haben wir 0:5 in meiner Heimatstadt Montreal verloren, ich hatte zwei Pfostenschüsse. Dann haben wir 0:2 gegen Detroit verloren, wir hatten einen 2-auf-0-Alleingang, bei dem mein Mitspieler nur hätte abspielen müssen und ich hätte ein leeres Tor gehabt, also habe ich auch da nicht getroffen. In Chicago gegen Stan Mikita, vor einem vollen Haus und 20.000 Zuschauern, hatte ich wieder ein, zwei Großchancen. Ich habe einfach nie mein erstes Tor geschossen. Später erhielt ich einen Call-up, als ich krank war, dann einen, als ich verletzt war - leider nie, als ich gut drauf war. Das soll keine Entschuldigung sein, denn ich hatte meine Möglichkeiten. Ich durfte gegen Spieler wie Guy Lafleur, Gordie Howe, Stan Mikita und Bobby Orr spielen. Das sind unglaubliche Erinnerungen, die ich nie vergessen werde.

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Du hast in drei Jahren elf NHL-Spiele für die Rangers gemacht. Welche Momente sind dir ganz besonders im Gedächtnis geblieben?
In einem Testspiel habe ich gegen Gordie Howe ein Faceoff gewonnen und dann ein Tor geschossen. Ich meine, es war Gordie Howe, damals der größte Spieler der Welt, zu ihm habe ich immer aufgeblickt. Das war am schönsten. Oder das Ligaspiel im Madison Square Garden gegen die Boston Bruins und Bobby Orr. Ich habe ihn in einer Ecke gecheckt und nur seine Trikotnummer 4 und den Namen Orr gelesen. Meine Beine haben gezittert! Ich habe ihn im darauffolgenden Sommer getroffen und ihm diese Geschichte erzählt. Er konnte sich an mich erinnern und war total freundlich. Gegen ihn zu spielen, ihn zu checken und mit ihm zu sprechen, vergesse ich nie! Oder das Spiel im Montreal Forum. In meiner Stadt. Gegen meine Canadiens. Das war ein Höhepunkt in meinem Leben. Bereue ich, es nicht nochmal in der NHL versucht zu haben? Ja, immer! Aber wenn ich nicht nach Österreich gekommen wäre, dann hätte ich nie meine beiden Söhne gehabt. Mike und Taylor sind die beiden größten Geschenke, meiner Hockey-Karriere.

Du bist in Montreal geboren. Was bedeuten dir die Canadiens?
Ich liebe die Montreal Canadiens! In Montreal spielt jeder Hockey, wir werden mit Schlittschuhen geboren. Wenn du ins Forum gelaufen bist und alle Namen siehst, alle Helden, die Stanley Cups, dann steht dir die Gänsehaut. Es ist elektrisierend. Auch wenn du heute zu einem Spiel ins Bell Centre gehst, wirst du das nie vergessen.

Wie siehst du die Montreal Canadiens und New York Rangers in der aktuellen Saison? Haben sie das Zeug, um es in die Stanley Cup Playoff zu schaffen?
Montreal war in den letzten fünf Jahren im Rebuild und hatte ein paar Probleme. Letzte Saison haben sie es wieder in die Playoffs geschafft. Mit Ivan Demidov und Noah Dobson haben sie spannende neue Spieler dazubekommen. Hinzu kommen viele junge Talente wie Cole Caufield. Sie spielen gut, sind sehr jung, schnell, für mich das spannendste Team in der gesamten Liga und werden es in die Playoffs schaffen. Werden sie an der Trade Deadline noch einen Spieler bekommen? Ist das Goaltending gut genug? Sind sie groß genug, wenn es in die Playoffs geht? Das sind die brennenden Fragen, denn in den Playoffs ändert sich alles. Es ist eine ganz andere Intensität. Die Rangers sind überraschend nicht so gut. Mike Sullivan ist ein guter Coach. In den ersten Spielen haben sie zu Hause überhaupt nichts getroffen, das ist fast unmöglich. Für mich sind sie kein Contender, denn es noch gibt ein paar andere gute Teams. Viel spannender ist für mich die Frage, wann endlich mal wieder eine kanadische Mannschaft den Stanley Cup gewinnt…

Wer wird denn der nächste kanadische Stanley Cup Champion?
Das ist schwer zu sagen. Die Edmonton Oilers haben ein paar gute Spieler verloren, auch ein paar harte Jungs, die du in den Playoffs brauchst. Sie schauen ganz okay aus, aber auch nicht überragend. Sind es die Toronto Maple Leafs nach so langer Zeit? Ich weiß nicht. Die Winnipeg Jets haben für mich Außenseiterchancen. Sie haben ein richtig gutes Team, einen heißen Torwart und Jonathan Toews zurückgeholt, der nochmal ein neues Element mitbringt. Wenn es eine kanadische Mannschaft gibt, die es in dieser Saison schaffen kann, dann vielleicht Winnipeg.

Wie siehst du die Entwicklung in der NHL hin zu kleineren und schnelleren Spielern?
Die Toronto Maple Leafs sind im Schnitt 1,88 Meter - das ist groß! Aber die Liga hat die Regeln verändert, insbesondere bei Faustkämpfen, Halten und Behinderung. Dadurch kannst du Spieler nicht mehr so leicht festmachen, und sie können besser skaten. Es gibt heute bessere Schlittschuhe, Schläger und Ausrüstung, ein besseres Off-Ice-Training. Jeder ist fitter, schneller und bringt mehr Fähigkeiten mit. Es gibt mehr Räume für kleinere Spieler, einige von ihnen sind fantastisch. Das Spiel ist jetzt ein anderes: sauberer, schneller, athletischer. Ich finde das spannend. Aber verstehe mich nicht falsch: Es ist immer noch ein Spiel für ganz harte Männer, insbesondere in den Playoffs.

Mit Marco Rossi (Minnesota Wild) und Marco Kasper (Detroit Red Wings) haben sich wieder zwei Österreicher in der NHL festgespielt. Wie siehst du ihre Entwicklung?
Ich habe früher Michael Raffl und Michael Grabner gecoacht, beide haben in derselben Straße in Villach gewohnt und beide hatten lange Karrieren in der NHL. Kasper habe ich gesehen, als er noch jung war. Er war immer gut, hat sich aber auch immer den Hintern aufgearbeitet. Genauso wie Rossi. Beide haben sich das verdient. Beide sind unermüdliche Arbeiter. Ich ziehe meinen Hut vor diesen Jungs. Als Rossi diese Krankheit hatte (Herzmuskelentzündung nach einer Covid-Infektion, d. Aut.) und fast gestorben wäre, hatte er eine harte Zeit. Aber er hat gekämpft, um zurückzukommen. Das ist eine unglaubliche Geschichte, die jedes Kind lesen sollte.

Du hast jahrelang als Experte für NHL-Spiele im österreichischen Fernsehen gearbeitet. Wie viel Spaß hat dir diese Arbeit gemacht? Und ist ein Comeback geplant?
Ich habe das fünf Jahre zusammen mit Martin Pfanner gemacht, der ein guter Freund von mir geworden ist. Es hat so viel Spaß gemacht, wir hatten ein tolles Team und sind nach den Spielen auch mal ein Bierchen zusammen trinken gegangen. Ich bin enttäuscht, dass es das nicht mehr gibt. Ich weiß nicht, was die Zukunft bringt. Aber wenn sich etwas ergibt, dann kann man mich sofort anrufen.

Salzstreuer und Cowboystiefel scheinen eine wichtige Rolle in deinem Leben zu spielen. Was ist die Geschichte dahinter?
Schon seit meiner Jugend und auch später als Profi und in den ersten Jahren als Trainer habe ich immer Cowboystiefel getragen. In Kanada haben wir das damals so gemacht. Mir hat dieser Look gefallen mit Jeans und einem Jackett. Es hat sich einfach gut angefühlt. Ich hatte sie zum Spiel an oder auch am Abend, wenn wir ein Bierchen trinken gegangen sind. Hier kommt auch der Salzstreuer ins Spiel: Als ich vielleicht 30 Jahre alt war, bin ich mit einem Kumpel in Florida Essen gegangen. Das Bier hat aber kaum geschäumt, also habe ich etwas Salz reingestreut. Es war sehr lecker. Seitdem habe ich immer Himalaya-Salz dabei und streue es ins Bier. Das weiß mittlerweile jeder, manche Jungs machen es nach.

Wie sehr freust du dich auf die Olympischen Spiele Milano Cortina 2026 und wen hast du als Favoriten auf dem Zettel?
Ich muss sagen, dass Kanada immer der Favorit ist. Die USA kommen direkt dahinter. Auch Schweden, Finnland und Tschechien haben großartige Teams, die jederzeit heißlaufen können. Es wird spannend. Schon beim 4 Nations Face-off war es unglaubliches Hockey. Die Spieler selbst konnten kaum glauben, wie schnell und intensiv es war. Es war ein guter Vorgeschmack, was es bedeutet, für sein Land bei Olympia spielen zu dürfen. Das kanadische Trikot sieht scharf aus! Jedes Kind wird es haben wollen.

Du lebst seit vielen Jahren in Österreich. Planst du, irgendwann zurück nach Kanada zu gehen?
Nein, das plane ich nicht. Ich habe eine Wohnung hier in Villach und kann in die Innenstadt und zur Eishalle laufen. Ich bleibe hier in Europa. Natürlich komme ich immer mal wieder heim, um meine Eltern zu besuchen. Mein Vater ist leider im letzten Sommer verstorben, meine Mutter ist mittlerweile 95 Jahre alt. Meine Familie und meine Freunde möchte ich immer wieder besuchen kommen.

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