„Damit hat es nichts Besonderes auf sich. Ich bekomme einfach die Handschuhe zum Trocknen. Er wirft sie mir so hart es geht entgegen. Wenn ich sie nicht fange, ist es aber seine Schuld, nicht meine“, lacht Harrison über das Ritual mit dem deutschen Superstar.
Hockey-Spieler gelten als extrem abergläubig. Entsprechend gibt es gewisse Eigenarten, die Harrison jeden Tag aus nächster Nähe erlebt.
„Corey Perry ist diesbezüglich auf einem ganz eigenen Niveau. Es würde zu lange dauern, um alle seine Angewohnheiten aufzuzählen“, grinst Harrison. „Er macht viele kleinere Dinge. Calvin Pickard muss ich immer den Schläger tapen. Er will es immer ganz genau gleich haben. Sein Knauf muss immer genau dieselbe Anzahl an Tape-Schichten haben. Gleiches gilt für den Schaft und die Kelle. ‚Nuge‘ (Ryan Nugent-Hopkins) tauscht ganz oft seine Kufen aus. Sobald nur ein kleiner Kratzer drin ist, will er sie sofort auswechseln. Bei Leon steht der Schläger immer verkehrt herum da, also mit dem Knauf nach unten und dem Blatt nach oben und er hat ganz bestimmte Socken in seinem Spint. Auch sein Tape muss immer perfekt sein.“
Der 49-Jährige ist bereits seit 15 Jahren der Assistant Equipment Manager der Oilers. In anderthalb Jahrzehnten hat er viele verrückte Angewohnheiten gesehen.
„Es gibt so viele, in die ich mich schon gar nicht mehr erinnern kann“, so Harrison. „Unser ehemaliger Torhüter Nikolai Khabibulin hat zum Beispiel in jedem Drittel ein neues Trikot angezogen. Ich selbst bin auch sehr abergläubisch, etwa beim Aufhängen der Jerseys und muss mir gleichzeitig viele Ticks der anderen merken. Der eine möchte mit der linken, der andere mit der rechten Hand abklatschen, dass muss ich mir mich alles merken. Wenn ein verletzter Spieler zurückkommt, muss ich mich erstmal wieder erinnern, wie er es gerne hätte.“
Sieben Jahre in Frankfurt
Seine Profi-Betreuer-Karriere startete der heute 49-jährige in Yorkton/Saskatchewan geborene Kanadier übrigens in Deutschland bei den Frankfurt Lions in der DEL.
„Ich hatte für die Regina Pats in der WHL gearbeitet. Der General Manager damals in Frankfurt war Bernie Johnston. Er wollte einen kanadischen Equipment Guy haben, also haben sie den Typen in Regina angerufen, der hat abgelehnt und mich empfohlen. Ich war damals ein junger Kerl, habe meinen Vater gesagt, dass ich die Chance habe, nach Deutschland zu gehen, und er hat gesagt ‚Auf geht’s!‘ Also war ich plötzlich da - und bin sieben Jahre geblieben.“
Von 1999 bis 2006 arbeitete Harrison für die Lions. „Ich habe es geliebt. Es war unglaublich. Vielleicht die beste Zeit in meinem Leben“, sagt er. „Als ich rübergegangen bin war ich vielleicht 22, 23 Jahre alt. Wir hatten viele kanadische Importspieler wie Pokey Reddick, Rob Doyle oder John Chabot, Mit diesen Jungs sind wir um die Häuser gezogen. Ein deutscher Nationalspieler, Michael Bresagk, hat mir zusammen mit seiner Frau sehr geholfen, ich habe alles aufgesaugt und gelebt wie ein Deutscher - auch viel Bier getrunken.“
Insbesondere nach der Deutschen Meisterschaft im Jahr 2004.
„Wir hatten Berlin zu Hause in Frankfurt geschlagen. Danach waren wir auf dem Römer. Es war überragend: Wir waren mit unseren Bierkrügen auf dem Balkon und haben Bier in die Menge geschüttet. Die Fans waren die besten auf der Welt. Sie haben uns geliebt und wir haben gerne für sie gespielt und gearbeitet“, blickt Harrison zurück.
Geblieben sind bis heute unbezahlbare Erfahrungen. „Man musste in Deutschland viel organisierter sein, denn es hat acht Wochen gedauert, bis du Ware bekommen hast. In der NHL musst du nur mit dem Finger schnippen und schon ist alles da. Das hat mir also weitergeholfen für meine weitere Karriere.“
Deutsch versteht Harrison nach wie vor gut, manchmal spricht er auch das eine oder andere Wort. „Ich wünschte, ich hätte damals mehr gelernt“, ärgert er sich. „Ich kann die Zahlen noch ganz gut sagen: ‚Neunundzwanzig‘. Ansonsten kenne ich nur viele Schimpfworte.“
Trotz Traumjob ist der Traum noch nicht in Erfüllung gegangen
2006 ging es zurück nach Nordamerika. Zunächst vier Jahre zu den Toronto Marlies (Farmteam der Toronto Maple Leafs) in die AHL, danach startete das noch immer aktuelle Kapitel in Edmonton.
„Alberta ist eine unglaubliche Provinz zum Leben, insbesondere in Edmonton. Meine Frau, meine zwei Kinder und ich, wir lieben die Oilers. Es ist so eine große Ehre, ein Teil von ihnen zu sein“, so Harrison. „Mein Lieblingsteam waren immer die Quebec Nordiques. Ich bin aber aus Saskatchewan, was sehr nah zu Edmonton ist, also habe ich auch ihnen immer die Daumen gedrückt. Nach der Zeit bei den Toronto Marlies habe ich die Chance bekommen, zu den Oilers zu wechseln - und ich bin immer noch da.“
Im zweiten Jahr in Folge steht Harrison mit den Oilers im Stanley Cup Finale. „Noch ist es kein Traum, der in Erfüllung gegangen ist. Dafür müssen wir noch das ganz große Ziel erreichen“, betont er. „Für uns Equipment Guys sind es Spiele wie jedes andere auch: Wir müssen die Schlittschuhe schleifen, die Schläger tapen - da ist es egal, ob es Spiel 7 in einem Stanley Cup Finale ist oder das vierte Spiel in der regulären Saison. Du musst auch da deine Arbeit machen und dafür sorgen, dass die Spieler bereit sind, zu spielen. Wenn sie irgendetwas brauchen, dann sind wir für sie da.“
Den Stanley Cup nach 35 Jahren wieder nach Edmonton bzw. nach 32 Jahren zurück nach Kanada zu holen, würde Harrison alles bedeuten: „Jedes Kind träumt davon. Jeder in Kanada denkt an nichts anderes.“
„Unglaubliche Athleten, aber noch bessere Menschen“
Um die Spieler auf dieser Mission zu unterstützen, liest ihnen Harrison jeden Wunsch von den Augen ab und wird dabei von Spielern, Trainern und dem Management sehr geschätzt.
„Es sind alles tolle Leute“, gibt Harrison das Kompliment zurück. „Ich würde diesen Job nicht machen, wenn es keine netten Menschen wären. Darum geht es doch, die Arbeit mit Menschen. Das ist zu 100 Prozent mein Traumberuf.“
Zumal Harrison näher an Superstars wie Draisaitl oder Connor McDavid herankommt, als jeder andere. „Leon und Connor sind unglaubliche Athleten, aber noch bessere Menschen. Ich kann das nur bestätigen, denn ich arbeite jeden Tag mit ihnen zusammen. Wir haben eine gute Beziehung, ich kenne sie seit zehn Jahren, wir kennen unsere Familien. Sie sind tolle Menschen.“