Die Edmonton Oilers gewannen am Donnerstagabend im Rogers Place einen wilden Ritt gegen die Montreal Canadiens mit 6:5. In einem Spiel, das gefühlt ohne jegliche Defensivzwänge geführt wurde und in dem oftmals sowohl auf als auch vor dem eigenen Tor die Zuordnung und Härte verloren ging, gelang den Oilers in den letzten zehn Minuten der Partie eine Aufholjagd. Zu dieser blies der deutsche Superstar Leon Draisaitl mit einem Tor in Überzahl. Trotzdem blieben nach dem defensiven Auftritt viele Fragen offen.

Draisaitl bläst zur Aufholjagd

Das Positive zuerst: Edmonton lag zu Beginn des dritten Drittels mit 3:5 im Rückstand, hatte somit einen 3:1-Vorsprung verspielt und vier Gegentore in Folge kassiert. Insbesondere zu diesem Zeitpunkt im Spiel würden sich wohl nur sehr wenige Mannschaften von einem derartigen Rückschlag erholen.

„Zwei Tore Rückstand sind nichts für die Oilers“, sagte Stürmer Vasili Podkolzin, der den Siegtreffer erzielte, als er mit dem Rücken zum Tor stehend im Fallen per Rückhand zum 6:5 traf (59.). „Das haben die Jungs schon Millionen-mal bewiesen. Es hat sich nicht gut angefühlt, denn wir haben defensiv nicht gut gespielt. Als Top-Team müssen wir da viel besser spielen. Aber es war gut, dass wir einen Weg gefunden haben, zu gewinnen.“

Den Stein hatte zuvor Draisaitl ins Rollen gebracht (1 Tor, 1 Vorlage, vier Torschüsse, 83,3 Prozent gewonnene Faceoffs, 22:23 Minuten Eiszeit). Im Powerplay umkurvte Connor McDavid das gegnerische Tor und fand den 29-jährigen Kölner direkt im Gefahrenbereich, wo dieser per Tip-in auf 4:5 verkürzte (52.). Es war der 165. Powerplay-Treffer in Draisaitls NHL-Karriere. Vor ihrem 30. Geburtstag schafften das in der NHL-Geschichte nur drei weitere Spieler: Mike Bossy (178), Alex Ovechkin (176) und Dave Andreychuk (165). Mit letzterem zog Draisaitl hiermit gleich.

MTL@EDM: McDavid bedient Draisaitl im Powerplay

Auch der Ausgleich fiel in Edmontons Spezialdisziplin, dem Überzahlspiel (2/5): McDavid fand Ryan Nugent-Hopkins vor dem Tor, der per Rückhandschaufel das 5:5 besorgte (53.). McDavid steuerte damit drei Assists bei (0-3-3) und verbuchte sein 200. Multi-Assist-Spiel. Der Oilers-Kapitän ist der drittschnellste Spieler (720 Spiele), der diese Zahl erreicht, nach Wayne Gretzky (449 Spiele) und Mario Lemieux (580 Spiele). Er ist überhaupt erst der zweite Spieler in Edmontons Franchise-Geschichte (nach Gretzky), dem dies gelingt.

„Dreckiger geht nicht.“

„Wir konnten unser Powerplay nutzen und am Ende schießt ‚Podz‘ ein richtig wichtiges Tor“, fasste Nugent-Hopkins das verrückte Spiel zusammen. „Es war ein guter Kampf. Am Ende haben wir angefangen zu drücken, aber ich würde auch sagen, dass es über weite Strecken des Spiels nicht unser Standard war.“

„Dreckiger geht nicht, aber wir haben zwei Punkte“, atmete auch Verteidiger Darnell Nurse durch.

Trainer Kris Knoblauch ergänzte: „In den letzten zehn Minuten des Spiels hat es so ausgesehen, als wären wir ein Team und haben gut gespielt. Aber in den ersten 50 Minuten war es unorganisiert, es wurde nicht gearbeitet und es sah gar nicht gut aus. Wir müssen an vielen Dingen arbeiten. Wir sind froh über den Ausgang mit zwei Punkten, das Powerplay war zur Stelle, jetzt können wir uns nur noch verbessern.“

Zu viele „Hopplas“.

Insbesondere die Defensivleistung der Oilers vor Torhüter Calvin Pickard (22 Saves, 81,5 Prozent Fangquote), der ebenfalls nicht gerade souverän wirkte, war besorgniserregend. Allen voran genossen Montreals Alex Newhook (2-0-2) und Cole Caufield (2-0-2) Narrenfreiheit und filetierten Edmontons Hintermannschaft nach Belieben.

„In der Defensivzone müssen wir mehr Schläger zu den Pucks bekommen, den Gegner schneller zustellen und besser in die Schuss- und Passbahnen kommen. Als Kollektiv können wir nicht so viele Schüsse aus dem Slot zulassen“, zog Nurse die richtigen Schlüsse.

Auch Knoblauch nahm kein Blatt vor den Mund: „Wir machen in dieser Saison mehr Fehler. Diese ‚Hopplas‘. Wir machen Fehler, zu denen wir nicht gezwungen werden. Insgesamt haben wir gut verteidigt, wenn auch nicht heute. Unsere Struktur, unsere Deckungsarbeit und unser Arbeitseifer waren ziemlich gut. Es gibt Raum für Verbesserungen. Was nicht gut war, war der Umgang mit dem Puck. Selbst ein einziger Pass kann das Selbstvertrauen beeinflussen, egal, ob man zu wenig oder zu viel davon hat. Wir haben heute nicht gut zusammengespielt.“

Newhook hatte das 1:0 für die Canadiens erzielt (8.). In vier ihrer ersten acht Saisonspiele gerieten die Oilers damit zunächst in Rückstand. „Das lässt sich nicht trainieren, sondern ist eine mentale Sache. Wir müssen das ansprechen”, forderte Nugent-Hopkins.

Daraufhin zeigte Edmonton eine Reaktion: David Tomasek (17.), Adam Henrique (31.) und Andrew Mangiapane (34.) waren gegen eine ebenfalls überforderte Defensive aus Montreal erfolgreich. Dann folgten vier Treffer der Canadiens am Stück, die sich Nugent-Hopkins nur schwer erklären konnte: „Nach der Führung im zweiten Drittel haben wir ein wenig aufgehört zu spielen. Es ist ein hochkarätiges Team, das, wenn man ihm Chancen und ein gutes Gefühl gibt, davon profitieren wird. Es war einfach nicht gut genug.“

Knoblauch nicht begeistert von McDavid neben Draisaitl

An diesem Abend kamen die Oilers mit einem blauen Auge davon. Mehr als nur eine Randnotiz war, dass Knoblauch seine Top-Sturmreihe um Draisaitl, McDavid und Matt Savoie im letzten Drittel aufbrach. Edmontons Headcoach scheint die passenden Kombinationen noch nicht gefunden zu haben.

„Wir suchen noch“, gab Knoblauch zu und schickte die Erklärung hinterher: „Wir haben Leon und Connor getrennt, um uns einen ausbalancierteren Angriff zu geben. Beide zusammen waren nicht so mächtig wie erhofft. In den letzten zehn Minuten hat es so ausgesehen, als hätten wir etwas gefunden. (Isaac) Howard war einer dieser Spieler, die ich belohnen wollte. Ich bin zufrieden mit seinem Spiel und wo er gerade steht.“

Die Oilers (4-3-1) stehen nach einem durchwachsenen Start auf Rang vier in der Pacific Division und gleichzeitig auf dem letzten Wildcard-Platz in der Western Division.

Nurse ordnet ein: „Wir hatten schon schlechtere Starts nach acht Spielen. Jetzt haben wir eine positive Bilanz, darauf kann man aufbauen.“

Am Samstag (10 p.m. EDT, Sonntag, 3 Uhr MEZ) empfangen die Oilers den Seattle Kraken (4-4-2), der aktuell einen Punkt mehr auf dem Konto hat.

Verwandte Inhalte