NSH@TBL: Josis PP-Hammer landet im Netz

Die Liste der Top-Scorer in der NHL wird derzeit nicht von Connor McDavid angeführt, auch nicht von Leon Draisaitl, Nathan MacKinnon, Sidney Crosby oder einem der anderen der zahlreichen Starstürmer, die sich in der Liga tummeln. David Pastrnak, Auston Matthews, Mitchell Marner, Brad Marchand - sie alle müssen sich hinten anstellen, denn ein Verteidiger ist aktuell das Maß aller Dinge. John Carlson führt mit 21 Punkten (fünf Tore, 16 Assists) die illustre Liste der Punktbesten an. Der 29 Jahre alte US-Amerikaner spielt für die Washington Capitals - als Verteidiger.

Die genaue Bezeichnung für diese Art Spieler lautet Offensiv-Verteidiger. Eigentlich ein Widerspruch in sich, aber der Ausdruck beschreibt sehr gut, was in der NHL im Jahr 2019 von einem Defender erwartet wird. Die Verteidiger sollen sich nicht mehr nur darum kümmern, in der eigenen Zone für Ordnung zu sorgen und vor dem Tor aufzuräumen. Sie sollen sich auch in die Offensivbemühungen ihrer Teams einschalten.
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Das macht Akteure vom Schlag eines Carlson so begehrt. Die Offensiv-Verteidiger müssen wendig sein, schnell, beweglich, sie müssen ein gutes Auge für den Nebenmann und einen guten Schuss haben. Ach ja, und natürlich sollen sie auch in der Verteidigungszone für Ordnung sorgen.
Doch Carlson, der mittlerweile in der elften Saison für die Capitals an der blauen Linie Stellung bezieht, hat viel Konkurrenz. Erik Karlsson (San Jose Sharks) ist wie Carlson seit 2009/10 in der NHL. Sechsmal hat er währenddessen mehr als 60 Scorerpunkte auf dem Konto. Er gilt als der Prototyp des Offensiv-Verteidigers. In diese Kategorie gehört auch P.K. Subban (New Jersey Devils). Dessen Statistiken sind nicht ganz so beeindruckend wie die Karlssons. Doch für 40 Punkte ist der Neuzugang der Devils immer gut. Auch Brent Burns (San Jose Sharks) hat mittlerweile hinlänglich bewiesen, dass er weiß, wo das Tor steht. In der Spielzeit 2016/17 verfehlte er mit 29 Treffern knapp die 30-Tore-Marke. In der vergangenen Saison stellte er mit 83 Scorerpunkten (16 Tore, 67 Vorlagen) eine neue Karrierebestleistung auf.

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Als offensive Bedrohung von der blauen Linie hat sich auch der Schweizer Roman Josi (Nashville Predators) etabliert. Seit seiner dritten Saison in der NHL (13/14) scort er zuverlässig mindestens 40 Punkte pro Runde. Josi hat seit vier Spielen wenigstens einen Scorerpunkt erzielt. Darunter waren in der jüngsten Partie ein Tor und zwei Vorlagen beim 3:2-Sieg nach Verlängerung gegen die Tampa Bay Lightning. Unter anderem bereitete Josi das 3:2 durch Ryan Ellis vor. Wenig überraschend: Auch Ellis ist Verteidiger und hat, wie Josi, schon 13 Scorerpunkte auf dem Konto. Josi und Ellis sind zwei von fünf Defensivspezialisten, die derzeit auf einen Punkt pro Spiel oder besser kommen. Komplettiert wird die Liste von Carlson, Morgan Rielly (Toronto Maple Leafs, drei Tore, zehn Assists) und Dougie Hamilton (Carolina Hurricanes, sechs Tore, sechs Assists).

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Mit dem zunehmenden Offensivdrang der Verteidiger purzeln auch Rekorde aus einer Zeit, in der das Spiel in der Liga noch nicht so schnell und dynamisch war. Hamilton ist mit seiner Bilanz aus elf Partien der erste Verteidiger der Hartford Whalers/Carolina Hurricanes Franchise seit 1984/85, der diese Werte in dieser Anzahl von Spielen erreicht.
Bereitet hat ihnen den Weg Robert Gordon "Bobby" Orr, der mittlerweile 71 Jahre alte ehemalige Verteidiger der Boston Bruins und Chicago Black Hawks. Orr revolutionierte die Position des Verteidigers mit seinem Offensivdrang. 100 Scorerpunkte waren für ihn fast schon Normalität. Sechsmal knackte er diese Marke. Seine Karrierebestmarke erreichte er in der Saison 1970/71 mit sagenhaften 139 Punkten (37 Tore, 102 Vorlagen). Am Ende hatte er in 657 NHL-Spielen in der regulären Saison 270 Tore und 645 Vorlagen verbucht (915 Punkte). In 74 Playoffpartien kamen noch mal 92 Punkte (26 Tore, 66 Vorlagen) dazu. Er ist bis heute der einzige Verteidiger, der die Art Ross Trophy für den besten Scorer in der Liga bekam (1970, 1975). Aber auch seine Leistungen als Verteidiger fanden ihren Weg in die Geschichtsbücher: Von 1968 bis 1975 gewann er achtmal in Folge die Norris Trophy als bester Verteidiger. 1966 kam Orr in die NHL. Davor hatte fast 20 Jahre lang kein Verteidiger mehr als 20 Tore erzielt. Er schaffte das siebenmal. Fünfmal gelangen ihm mehr als 30 Treffer, 1974/75 sogar 46.

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Orr hat mit seiner Schnelligkeit und seinen Fähigkeiten, den Puck von einem Ende des Eises zum anderen zu bringen, das Spiel weiterentwickelt. Allerdings hat das auch dazu geführt, dass der typische "Stay at home defender", also ein Verteidiger, der primär darauf aufpasst, dass vor dem eigenen Tor nichts anbrennt, immer mehr außer Mode gekommen ist.
Und die nächste Generation an Verteidigern, die scoren wollen und müssen, steht schon bereit, in die Fußstapfen von Carlson, Karlsson, Burns und Co. zu treten. Bei den Colorado Avalanche hat Cale Makar nahtlos an seine Leistungen aus den Playoffs der vergangenen Saison angeknüpft. In elf Partien sammelte er bereits zehn Scorerpunkte (ein Tor, neun Assists). Bei den Nashville Predators ist Dante Fabbro die große Hoffnung an der blauen Linie. Zwei Tore hat er in dieser Spielzeit bislang erzielt. Während Makar und Fabbro gerade in ihrer Rookie-Saison sind, haben sich Rasmus Dahlin und Zach Werenski schon etabliert. Dahlin hat mit 44 Punkten (neun Tore, 35 Assists) in der vergangenen Saison bei den Buffalo Sabres gezeigt, was man von ihm erwarten darf und steht jetzt schon wieder bei zehn Punkten (ein Tor, neun Vorlagen). Werenski erzielte in seinen drei bisherigen Runden zweimal mehr als 40 Punkte. Zwei Tore und drei Vorlagen sind es in dieser Saison.
Die Trainer vertrauen und hoffen darauf, dass diese Spieler Ihr Produktionslevel halten oder sogar noch steigern können. Denn in der NHL im dritten Jahrtausend brauchen die Teams produktive Verteidiger, um erfolgreich zu sein. Es müssen ja nicht gleich Statistiken wie damals bei Orr herauskommen.