Vancouver Canucks v St. Louis Blues

Im Rahmen einer Serie „Im Gespräch mit …“ wird NHL.com/de während der Saison exklusive Interviews mit ehemaligen NHL-Spielern aus dem DACH-Raum führen.

In der heutigen Ausgabe: Marcel Goc (in der NHL aktiv von 2003-2015)

Seit über acht Jahren ist Marcel Goc nicht mehr in der NHL aktiv, seine Karriere beendete er 2020 bei den Adler Mannheim. Dort ist der heute 40-jährige Deutsche seit November 2023 wieder Co-Trainer der Profimannschaft, nachdem er diese Position bereits ab Frühjahr 2022 und in der Saison 2022/23 innehatte. Zusätzlich kümmert er sich im Verein um die Weiterentwicklung des Nachwuchses.

In seiner NHL-Karriere absolvierte Goc 636 Spiele und erzielte dabei 75 Tore sowie 113 Assists. In den Stanley Cup Playoffs kamen weitere 63 Spiele mit fünf Toren und zehn Assists dazu. Goc wurde von den San Jose Sharks beim NHL Draft 2001 an insgesamt 20. Position in der ersten Runde gedraftet. Neben den Sharks lief er für die Nashville Predators, Florida Panthers, Pittsburgh Penguins und St. Louis Blues auf.

Da sein Bruder Sascha als Verteidiger zwischen 2000 und 2002 elf NHL-Spiele für die New Jersey Devils und Tampa Bay Lightning absolvierte, sind die Goc-Brüder das bisher einzige deutsche Brüderpaar, dass es in die NHL geschafft hat. 

Im exklusiven Gespräch mit NHL.com/de verrät Goc, welchen Teil Eishockey für ihn einnimmt und wie ihn seine Karriere in der NHL für sein weiteres Leben geprägt hat.

Pittsburgh Penguins v Toronto Maple Leafs

Vor über acht Jahren hast du deine Karriere in der NHL beendet und bist nach Deutschland zurückgekehrt. Wie blickst du heute auf deine Zeit in den USA zurück?

„Es war eine schöne Zeit und ich habe sehr viel gelernt. Aber wenn ich jetzt so zurückblicke, dann ging sie ratzfatz vorbei.“

Liegt es am System und dass es mehr Geschäft als Sport ist, dass es schnell vorbei war?

„Ja das gehört dazu. NHL, da will jeder hin und wenn man die Highlights anschaut, dann sieht alles echt cool aus. Aber es sind nur Momentaufnahmen bis eine Karriere endet. Man wünscht jedem eine lange, erfolgreiche und verletzungsfreie Karriere. Zu jedem einzelnen Sportler gehört ein bisschen mehr dazu. Wenn einem die Leidenschaft fehlt und es nicht sein Leben ist, dann wird er scheitern. Man braucht eine dicke Haut, das ist die andere Seite des Geschäfts Profisport. Aber wenn man schafft, sein Hobby zum Beruf zu machen, dann ist das grundsätzlich was Gutes.“

Aber stählt das nicht einen, wenn man auch die schweren Zeiten meistert?

„Ja, wenn man in Situationen kommt, die schwer sind, wie getradet zu werden, zuschauen zu müssen oder ins Farmteam geschickt zu werden. Das sind alles keine so schöne Momente. Aber wenn man sich da durchbeißt, das fällt nicht jedem gleich schwer oder leicht, dann lernt man aus solchen Situationen viel und kann gestärkt daraus hervorgehen. Und wenn es nur der Fall ist, dass jemand einem hilft, denn auch das ist das Schöne am Mannschaftssport, weil man meist Unterstützung von jemanden bekommt.“

Dein Bruder Sascha hat ebenfalls in der NHL gespielt, wenn auch nur ein paar Spiele. Trotzdem seit ihr dadurch das bisher einzige Brüderpaar aus Deutschland, das in der NHL aktiv war. Wie schätzt du das ein?

„Das ist auf jeden Fall etwas Besonderes. Jeder junge Eishockeyspieler hat den Traum, in der NHL zu spielen. Es gehört mehr dazu, als alleine Glück oder nur Können. Verletzungen haben zum Beispiel schon vielen guten Spielern frühzeitig einen Strich durch die Rechnung gemacht. Doch ohne Fleiß kein Preis. Aber es zeigt, dass Sascha und ich einiges richtig gemacht haben müssen und das macht schon etwas stolz. Darauf blickt man natürlich gerne zurück. Das sind persönliche Erfolge, die man auch feiern darf. Wir sind bestimmt nicht böse darüber, dass wir es geschafft haben und bisher einzigartig sind (lacht).“

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Welche Kontakte hast du noch in die USA?

„Ich habe noch gelegentlich Kontakte nach San Jose und Nashville. Man schreibt sich hin und wieder. Dadurch, dass wir uns selten persönlich sehen, ist es natürlich schwer, intensiv Kontakt zu halten. Aber wenn wir uns irgendwann mal über den Weg laufen, dann ist es wie früher.“

Wie verfolgst du noch das Geschehen in der NHL?

„Ich schaue regelmäßig auf die Tabelle und wenn unsere deutschen Jungs Erfolge feiern, dann bekommt man das automatisch mit.“

Welche Trainer aus deiner Laufbahn haben dich in deiner jetzigen Tätigkeit inspiriert?

„Ich habe in der NHL ein paar Trainer erlebt, aber mich persönlich weitergebracht, hat damals vor allem der Trainerstab in San Jose unter Todd McLellan, der jetzt in L.A. ist. Ich habe den Eindruck, dass er mich besser gemacht hat und die Dinge, die ich damals von ihm und seinem Stab beigebracht bekommen habe, die versuche ich jetzt auch an unsere Spieler so weiterzugeben.“

McLellan wirkt immer sehr streng. Aber er war lange in San Jose tätig und ist jetzt schon lange in L.A. Inwiefern zeigt das, dass er vieles richtig macht?

„Streng? (lacht) OK, den Eindruck könnte man durchaus haben, denn am Bildschirm sieht es so aus. Aber er ist eher konzentriert und voll bei der Sache. Ich fand gut, welchen Umgang er damals mit den Spielern pflegte. Wenn er streng sein musste, dann konnte er es, aber es war auch angemessen. Er verfolgt eine klare Vorstellung und Linie. Er war konsequent und hat einem aber auch wissen lassen, was er denkt. Bei anderen hätte ich gerne häufiger gewusst, woran ich bin. Woran soll ich arbeiten? Was passt? Was nicht? Dann kann man als Athlet auch Gas geben. Das haben sie in San Jose gut gemacht, doch woanders war das nicht immer üblich. Ich hatte letztens die Möglichkeit mit Jay Woodcroft zu reden, der bis vor kurzem Trainer bei den Edmonton Oilers war und damals in dem Trainerstab von McLellan gearbeitet hat. Er hat mir auch einige Dinge auf Video gezeigt, was sehr interessant war.“

Was ist für dich schlimmer: Auf dem Eis zu spielen oder hinter der Bande zu coachen?

„Beides ist nicht schlimm (lacht). Na gut, früher als Spieler konnte ich direkt eingreifen, aber jetzt versuche ich, den Spielern mit Rat, weniger mit Tat, also schon Tat durchs Reden, wie etwas verbessert werden kann, zu helfen. Ich war zufrieden mit der Entscheidung, dass ich meine Spielerkarriere beendet habe. Mir macht es Spaß, weiter am Eis zu stehen, aber es ist nicht so, dass ich denke, ich hätte doch noch … klar, hätte ich gerne bis 80 gespielt, aber irgendwann ist es halt soweit. Wir haben es als Familie entschieden, was Sinn macht und wie die Umstände waren. Ich habe sehr viel Spaß, wenn ich mit der U13, U15, U17 oder den Profis am Eis bin. Ein bisschen verrückt nach Eishockey muss man halt doch sein.“

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Kennen dich die Kinder und Jugendlichen überhaupt noch und wissen, was du erreicht hast?

„(lacht) Es gibt immer welche, die haben es erzählt bekommen und andere kümmern sich wenig darum. Sie sind einfach beim Eishockey dabei, um Spaß zu haben. Die kennen sich weniger aus, was vor zehn oder 20 Jahren war. Wichtig ist, dass der Spaß am Eishockey da ist und wenn ehemalige Spieler bei der Entwicklung helfen, dann kann das nur gut sein. Je mehr in einem Verein tätig sind, desto besser.“

Wie bist du gesundheitlich aus der aktiven Karriere herausgekommen?

„Leider habe ich ein paar Wehwehchen mitgenommen, weil ich gerade zum Karriereende hin einige Verletzungen hatte. Ich sage zwar, zum Glück zum Karriereende, weil wenn ich die früher gehabt hätte, dann wäre die Karriere früher zu Ende gewesen. Ich hatte immer etwas Glück diesbezüglich, als ich jünger war. Aber meine Knie und Sprunggelenke haben einige bleibende Schäden. In der Tat knacken meine Sprunggelenke beim Gehen, so dass man mich früher hört als man mich sieht (lacht). Wenn ich durch das Hotel oder den Kabinengang laufe und es knackt, dann schreit schon einer, der Marcel kommt wieder (lacht). Anschleichen kann ich mich nicht mehr.“

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