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Im Rahmen einer Serie „Im Gespräch mit …“ wird NHL.com/de während der Saison exklusive Interviews mit ehemaligen NHL-Spielern aus dem DACH-Raum führen.

In der heutigen Ausgabe: Mark Streit (in der NHL aktiv von 2005-2017)

Selbst wenn Mark Streit mittlerweile von Roman Josi als punktbester Schweizer Verteidiger aller Zeiten in der NHL abgelöst wurde, zweifelt niemand daran, selbst wohl Josi nicht, dass sich Streit große Verdienste, um das Eishockey in der Schweiz und dessen Stellenwert in Nordamerika erarbeitet hat.

Gekrönt hat Streit seine überragende Laufbahn mit dem Gewinn des Stanley Cups mit den Pittsburgh Penguins im Jahr 2017, ausgerechnet gegen seine Landsleute Josi und Yannick Weber sowie Kevin Fiala von den Nashville Predators.

Ein paar Monate später beendete Streit seine Karriere nach 786 NHL-Spielen in der regulären Saison mit 96 Toren und 338 Assists zu 434 Punkten sowie 34 Spielen der Stanley Cup Playoffs mit vier Toren und elf Assists zu 15 Punkten für die Montreal Canadiens, New York Islanders, Philadelphia Flyers und Penguins.

Bemerkenswert, dass der heute 46-jährige Streit, der im NHL Draft 2004 von den Canadiens in der 9. Runde an insgesamt 262. Stelle gedraftet wurde, seine NHL-Karriere erst mit 27 Jahren starten konnte.

Fast sieben Jahre nach seinem Karriereende steht der Berner heute als Familienvater von zwei Töchtern und als Geschäftsmann mitten im Leben, wenngleich er dem Eishockey durch seine vielfältigen Aufgaben treu geblieben ist. Doch dies erzählt er uns im exklusiven Interview mit NHL.com/de am besten selbst.

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Vor fast sieben Jahren hast du deine Karriere in der NHL beendet. Wie blickst du heute zurück auf deine Laufbahn?

„Sehr positiv. Mir ist erst im Nachhinein so richtig bewusst geworden, was es braucht, um in der NHL Fuß zu fassen. Wenn du aktiv bist, dann jagt ein Jahr das andere und du bist fokussiert auf das Spielen. Es ist unheimlich viel los. Ich habe es erst richtig realisiert, als ich aufgehört habe. Ich war dann teilweise mit dem Nachwuchs auf dem Eis und dann siehst du diese jungen total talentierten Spieler und du arbeitest mit ihnen. Dann wird dir erst richtig klar, wie weit der Weg in die NHL ist. Schon in die National League in der Schweiz zu kommen oder Nationalmannschaft zu spielen, aber dann erst recht es in die NHL zu schaffen. Das braucht schon sehr viel und deshalb bin ich sehr glücklich und froh, dass ich das viele Jahre erleben durfte, obwohl ich erst mit 27 Jahren hineingekommen bin. Das macht mich schon stolz und trotzdem ist es so, dass Eishockey-Profi für mich immer das größte Ziel war. Ehrlich gesagt, vermisse ich schon sehr das Spiel und auf dem Eis zu stehen sowie mit den Jungs Zeit zu verbringen und unterwegs zu sein. Es war ein Kick in der NHL, den großen Arenen gegen die besten Spieler spielen zu dürfen. Das ist schon extrem cool und das vermisse ich schon noch.“

Wie sehr hat im Nachhinein das Bild getrübt, dass dein Abschied so schnell und abrupt kam, nachdem sie dich ausgerechnet in Montreal nach ein paar Spielen schon ins Farmteam abschieben wollten?

„Das ist eigentlich kein Thema mehr. Ich habe schon mehrfach darüber nachgedacht, ob es nicht besser gewesen wäre, den Schritt am Schluss nicht mehr zu machen. Aber ich habe mich noch gut gefühlt und das Spiel immer noch geliebt. Ich hatte das Gefühl, dass ich noch mindestens ein Jahr im Tank habe und war der Meinung, dass ich der Mannschaft mit meiner Erfahrung noch einiges hätte mitgeben können. Aber Montreal und Trainer Claude Julien hatten eine andere Meinung und das muss man akzeptieren. Ich bin aber froh, dass ich dann nicht mehr in der Schweiz gespielt und aufgehört habe, weil wenn man mal auf dem Topniveau des Spiels warst, dann schließt sich der Kreis einfach. Ich war in dem Moment natürlich sehr enttäuscht, aber aus heutiger Sicht war es für mich in Ordnung und ich hege diesbezüglich keinen Groll mehr.“

Der Stanley Cup Sieg 2017 mit Pittsburgh im Sommer vorher war sicher die Krönung deiner Karriere. Du wurdest an der Trade Deadline über die Tampa Bay Lightning zu den Penguins transferiert. Zudem wurde kurz vorher eure erste Tochter geboren und du musstest Frau und Kind zurücklassen. Welche Erinnerungen verbindest du damit?

„Ich hätte mir damals vorstellen können in Philadelphia zu bleiben. Die Deadline war, glaube ich, am 1. März und es hatten einige andere Teams Interesse, die eine Möglichkeit für einen Trade gewesen wären. Ich wusste, dass auch Pittsburgh dabei war und ich bin froh, dass es am Ende geklappt hat, denn Tampa hatte damals schon fast sicher die Playoffs verpasst. Das wäre dann ein anderes Ende gewesen. So hat es mit Pittsburgh geklappt und dass ich in letzter Sekunde in einem sehr hohen Alter diese Erfahrung noch machen durfte, war nicht selbstverständlich.“

Trotzdem hattest du nicht die Einsatzzeiten wie vielleicht gewünscht. Du kannst da sicher mit einem lachenden Auge drauf schauen oder wurmt dich das etwas?

„Einerseits war es top, dass ich überhaupt dabei sein konnte, andererseits hatte ich mir meine Rolle etwas anders vorgestellt. Als ich dorthin kam, hatten sie noch sehr viele Verletzte. Ich habe dann fast 20 Spiele in der regulären Saison gespielt. In den Playoffs waren es nur noch zwei oder drei Einsätze. Die Situation war so, dass wieder alle gesund waren und der Trainer auf seine bekannten Kräfte gesetzt hatte. Aber ich hatte immer die Hoffnung, dass ich eine Chance bekomme. Ich habe das Beste aus der Situation gemacht, meine Rolle akzeptiert und im Training Einsatz und Willen gezeigt. Allerdings war es eine undankbare Rolle, doch wenn ich gefordert war, habe ich meine Leistung gebracht. So ist es im Mannschaftssport. Ich habe das Möglichste gemacht, bin mir aber bewusst, dass mein Anteil am Erfolg nicht so groß war, wie er hätte sein können. Aber auch hier bin ich der Meinung, dass ich dem Team hätte helfen können, wenn sie mich gebraucht hätten.“

Die Penguins haben dir mit deiner Karriere schließlich trotzdem eine besondere Ehre zuteilwerden lassen, weil sie dich auf den Cup geschrieben und dir den Tag mit dem Cup gegeben haben, obwohl du nicht die erforderliche Anzahl an Spielen bei ihnen absolviert hattest. Wie dankbar bist du dafür?

„Ja, das war eine Diskussion. Ich kannte die Voraussetzungen gar nicht. Es zeigt einfach die Klasse der Organisation und deswegen sind sie seit Jahrzehnten so erfolgreich. Man sieht an so etwas, dass es auch kein Zufall ist, dass diese Organisation zwei Mal in Folge den Cup gewinnt. Da wird gut gearbeitet und dass die Spieler vom Management gut behandelt werden, ist eine Grundvoraussetzung, damit sie notfalls auch den entscheidenden Schritt machen. Die Loyalität mit den Spielern und umgekehrt ist sehr wichtig. Da passen Typen wie Sidney Crosby als Kapitän oder der damalige GM Jim Rutherford, der weiß, wie man ein Team zusammenstellt, perfekt ins System. Sie haben mir mit dieser Geste einen großen Respekt gezollt.“

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Du warst der dritte Spieler aus der Schweiz, aber der erste Feldspieler überhaupt, der den Cup geholt hat. Seitdem kam kein weiterer dazu. Zeigt das auch, wie schwierig es ist, dieses Ziel zu erreichen?

„Man hat so viele tolle Spieler in dieser Liga und es kommt so oft vor, dass Spieler den Cup nicht gewinnen. Wenn man nur zum Beispiel Jarome Iginla anschaut. Ein Weltklassespieler und Hall of Famer, doch das Timing hat nie gestimmt. Es zeigt, wie schwer es ist. Die Liga ist so ausgeglichen und es ist ein knallharter Wettbewerb. Nicht umsonst war es auch extrem schwierig, den Cup in den letzten Jahrzehnten zu verteidigen. Man hat einfach Spieler wie Tom Kühnhackl, die haben das Glück, zweimal auf dem Cup zu sein, und andere die laufen dem Erfolg in ihrer ganzen Karriere hinterher. Aber ich hoffe sehr, dass ein Roman oder Nino oder die Jungs in New Jersey, aber auch Kevin oder einer der anderen Schweizer in den nächsten Jahren die Lücke schließen können. Ich würde mich über jeden Schweizer freuen, der gewinnt. Aber es wäre natürlich überragend, wenn mit den Devils drei oder vier Schweizer gleichzeitig auf den Cup kommen.“

Wie sehen deine Kontakte in die NHL heute noch aus?

„Ich verfolge das Geschehen ganz genau und habe Kontakt zu einigen der Schweizer Spieler. Im Sommer sehe ich viele von ihnen. Ich nehme seit zwei, drei Jahren regelmäßig am Ehemaligen-Treffen der New York Islanders teil. Ich schätze das sehr, alle Spieler wieder zu sehen und zu besuchen. Da sind auch die Jungs dabei, die vier Mal den Stanley Cup gewonnen haben. Auch diesen Austausch zu haben, ist sehr spannend. Die Islanders zeigen eine große Wertschätzung gegenüber den ehemaligen Spielern. Am Sonntag findet dann ein Spiel gegen ehemalige Rangers statt, was ich sehr genieße, weil man vor 2.000 bis 3.000 Zuschauern noch einmal in die NHL eintauchen kann. Es herrscht eine gute Stimmung und es läuft alles wie früher ab mit Nationalhymen, NHL-Schiedsrichtern usw., der ganze gewohnte Ablauf und das ist schon extrem cool. Das findet einmal im Jahr statt.“

Du bist dem Eishockey über dein Engagement beim SC Bern treu geblieben, aber bist auch unternehmerisch tätig und verbringst viel Zeit mit deiner Familie. Wie sieht heute dein Alltag so aus?

„Sehr gemischt. Eines der größten Privilegien, die ich habe, ist, dass ich tun kann, was ich machen möchte und da steht natürlich die Familie an oberster Stelle. Ich fahre sehr gerne Ski, auch mit der Familie oder gehe gerne Golf spielen. Aber trotzdem kann man nicht einfach nur zu Hause sitzen. Das wäre sicher auch nicht sinnvoll. Ich denke, dass ich einen sinnvollen Mix gefunden habe. Ich bin Aktionär und im Verwaltungsrat beim SC Bern. Die operative Tätigkeit habe ich abgelegt. Ich bin engagiert bei Norqain, der Uhrenmarke, die ich mitgegründet habe. Das ist schon cool. Hier habe ich auch eine starke Verbindung zum Eishockey mit starken Partnerschaften in der Schweiz, so sind wir die offizielle Time beim Spengler Cup. Wir sind offizieller Partner der NHLPA und das gibt mir auch die Möglichkeit, nahe am Eishockey dran zu bleiben, nicht nur bei meinen Besuchen in New York, sondern ich war auch für Norqain beim All-Star Game in Toronto. Das hilft mir den Bezug zum Eishockey zu halten. Trotzdem habe ich genug Zeit für die Familie, um mit ihnen verreisen zu können. Man muss etwas herausfinden, was einen glücklich macht. Als Eishockeyprofi in der NHL spielen zu können, ist das höchste aller Gefühle. Es ist der beste Job, wenn man es so sagen kann, den es gibt, aber jetzt in anderen Bereichen, auch unternehmerisch tätig zu sein, hilft einem noch einmal zu wachsen und zu lernen. Die NHL wird nicht umsonst als Business bezeichnet, denn es gibt schon einige Parallelen, wie man sich einbringen und eine Rolle im Team übernehmen kann. Es ist eine coole Mischung und das schätze ich sehr.“

Das hört sich viel nach Vollendung an. Welche Pläne und Ziele hast du denn noch für die Zukunft?

„Im unternehmerischen Sinn wollen wir die Uhrenmarke weiter aufbauen und in einigen Jahren noch bekannter zu machen. Das liegt noch ein Weg vor uns, aber wir haben ein cooles Team und es geht fast zu wie in einer Mannschaft. Ein Ziel ist sicher, diese Marke weltweit bekannt zu machen. Außerdem bin ich bei Mineralquellen Adelboden eingestiegen. Ein weiteres Projekt, das mich begeistert und das ich voranbringen will. Es ist ein schweizerisches Projekt, wo ich sehr engagiert bin. Es sind alles Dinge außerhalb des Sports, die ich aber mit dem Sport verknüpfen kann und will. Der SC Bern wird weiter ein Thema von mir bleiben. Ich war schon viereinhalb Monate als Assistenztrainer hinter der Bande ausgeholfen, als Mario Kogler der Headcoach war. Das war schon eine coole Erfahrung. Das hat richtig Spaß gemacht. Aber es ist halt so im Eishockey, dass man bei solchen Tätigkeiten mit Vor- und Nachbereitung von Trainings und Spielen noch zeitintensiver als die Spieler beschäftigt ist. In der momentanen Situation mit zwei noch relativ kleinen Kindern ist das kein Thema. Ich bin kurzfristig eingesprungen, aber es könnte in ein paar Jahren, wenn die Kinder älter sind und ihren eigenen Weg gehen, wieder ein Thema werden. Sport ist meine Herzensangelegenheit, aber meine Frau und die Kinder sind mir wichtiger und die würden momentan darunter leiden.“

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