giroux-mackinnon-hart

Alljährlich wird am Ende einer NHL-Saison der beste Spieler der Spielzeit mit dem Gewinn der Hart Memorial Trophy als MVP ausgezeichnet. Bewertet wird hierbei die Wertigkeit des Spielers für sein Team über die gesamte Vorrunde hinweg. Ein potenzieller Kandidat für die Auszeichnung ist selbstverständlich häufig der punktbeste Akteur. In den 16 Spielzeiten seit der Jahrtausendwende ging zehnmal der Pokal des MVP an den Gewinner der Art Ross Trophy.

Bis Mitte März sah es noch danach aus, als könnte niemand Tampa Bay Lightning Stürmer Nikita Kucherov, der die Punktewertung monatelang anführte, den Scorertitel streitig machen.
Bereits zum Jahreswechsel betrug Kucherovs Vorsprung gegenüber dem damals zweitplatzierten Josh Bailey von den New York Islanders sechs Punkte und gegenüber Pittsburgh Penguins Evgeni Malkin, der sich nicht unter den Top-20 befand, waren es sogar deren 20 Zähler.
Malkin setzte in der zweiten Saisonhälfte zu einer furiosen Aufholjagd mit 64 Scorerpunkten (28 Tore, 34 Assists) in 42 Partien an, womit er seinen Penguins auf Platz zwei in der Metropolitan Division schoss. Wäre der Hart Trophy Gewinner aus der Saison 2011/12 nicht ein erneuter Kandidat als MVP?

Auch Edmonton Oilers Kapitän Connor McDavid, immerhin mit einer Karriere-Bestleistung von 108 Punkten (41 Tore, 67 Assists) der frisch gekürte Topscorer der Liga, zählt zum Favoritenkreis. Doch der Mannschaftserfolg stellte sich trotz seiner überragenden Vorstellungen nicht ein. Die Westkanadier schlossen die Western Conference als viertschlechtestes Team ab, mit 14 Punkten Rückstand auf die zweite Wildcard.
Unbestritten seiner überragenden Bedeutung für die Westkanadier, ist das ein dunkler Fleck in seinem Bewerbungsschreiben für die Hart.
Der letzte Eindruck kann eine entscheidende Rolle bei der Beurteilung einer Leistung spielen. In der Psychologie ist dieses Phänomen als Recency-Effekt bekannt. Nutzen aus dieser Gegebenheit könnten Philadelphia Flyers Claude Giroux, New Jersey Devils Taylor Hall und nicht zuletzt Colorado Avalanche Nathan MacKinnon ziehen, die die Riege der besten sechs Scorer der Liga komplettieren.
Allen drei Ausnahmestürmern ist gleich, dass sie ihren Mannschaften dazu verhalfen, in nahezu letzter Sekunde den Playoff-Zug zu erwischen.
In eindrucksvoller Manier katapultierte sich Giroux auf Platz zwei in der Scorer-Endabrechnung. Seit dem 18. März holte er mit acht Toren und elf Assists zehn Punkte gegenüber Kucherov auf. Giroux krönte seine Leistung von zehn Spielen, in denen er jeweils punktete, am Samstag im letzten Saisonspiel der Flyers mit einem Hattrick - dem ersten 3-Tore Spiel in seiner elfjährigen NHL-Karriere. Belohnt wurden die Flyers, die nur einer ihrer letzten zehn Partien in der regulären Spielzeit verloren (6-1-3), mit Rang drei in der Metropolitan.

Während Philadelphia schon vor Saisonbeginn durchaus zum erweiterten Kreis der Playoff-Kandidaten zählte, war nicht damit zu rechnen, dass die beiden Conference-Letzten des Vorjahres in die Postseason einziehen würden.
Am vorletzten Spieltag machten die Devils mit ihrem vierten doppelten Punktgewinn in Folge, einem 2:1-Heimsieg über die Toronto Maple Leafs, ihre Playoff-Qualifikation perfekt. Hall steuerte dem Endspurt der Devils, während dessen sie achtmal hintereinander punkteten (7-0-1), sieben Tore sowie acht Assists bei und war damit an 50 Prozent der Treffer seines Teams beteiligt. Nur in 19 seiner 76 Saison-Auftritte fand Hall keine Erwähnung als Scorer im Spielberichtsbogen. Im Kalenderjahr 2018 blieb New Jerseys 26-jähriger Flügelstürmer nur viermal punktlos.
Auf sagenhafte 1,31 Punkte pro Spiel brachte es Nathan MacKinnon in der Saison 2017/18. Avalanches Star-Center liegt mit dieser Ausbeute nur 0,01 Punkte hinter McDavid. Von unschätzbarem Wert waren MacKinnons zwei Scorerpunkte in der Nacht von Samstag auf Sonntag im Playoffqualifikations-Endspiel gegen die St. Louis Blues, das die Avalanche im heimischen Pepsi Center mit 5:2 für sich entschieden. Der 22-jährige Center markierte, just zu einem Zeitpunkt als die Gäste im Mittelabschnitt die Oberhand bekamen, nachdem sie den 1:2-Anschlusstreffer erzielt hatten, das wichtigste Tore seiner NHL-Karriere.

182 Sekunden bis zur zweiten Pause standen noch auf der Uhr als MacKinnon zum 3:1 einnetzte, was sich als Game Winner herausstellen sollte. Als dann in der Schlussphase der Alles-oder-Nichts Begegnung die Blues ihren Torwart bereits zu Gunsten eines weiteren Feldspielers vom Eis genommen hatten und die Avalanche in deren Drittel einschnürten, war es Colorados Nummer 1 Draft Pick von 2013, der mit vollem Einsatz die Scheibe zu Gabriel Landeskog stocherte und zum vorentscheidenden 4:1 die Vorarbeit leistete.
Zwei Szenen, die innerhalb von 20 Minuten verdeutlichten, welch hohen Stellenwert ein MacKinnon für das Spiel und den Erfolg der Avalanche hat. Der Center belegt mit seinen 97 Punkten nicht nur Platz fünf in der ligaweiten Scorerwertung, sondern steht mit seinen zwölf Siegtreffern bei den Game Winnern ganz oben im Klassement.
Die Wirkung des finalen Eindrucks könnte bei der Entscheidungsfindung der Mitglieder der Professional Hockey Writers' Association, die über den MVP abzustimmen haben, eine nicht unbedeutende Rolle spielen.
Verdient hätten sich die Trophäe alle genannten Eishockeykünstler!