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Es waren nur noch vier Minuten und zehn Sekunden im Viertelfinale bei der World Junior Championship 2017 zu spielen. Der Schweizer Assistentskapitän Jonas Siegenthalter brachte die Scheibe von der blauen Linie mitten in die Gefahrenzone. Neben zwei Amerikanern hatte sich auch Nico Hischier im Slot platziert. Weder Caleb Jones noch Tanner Laczynski konnten den Puck aus der brennzlichen Lage klären und so rutschte das Spielgerät zum Schweizer Shootingstar. Keine zwei Meter vor dem amerikanischen Tor hatte er völlig freistehend den Ausgleich auf der Kelle. Er fackelte nicht lange, zog den Puck halbhoch neben den rechten Pfosten, doch Goalie Tyler Parsons pflückte den Puck mit seiner Fanghand runter.

"Ich muss solche Saves machen, wenn das Team sie braucht", erklärte Spielverderber Parsons. "Darauf fokussiere ich mich. Es gab eine Abfälschung und ich habe den Puck immer weiter verfolgt. Ich weiß, dass gute Spieler versuchen, hochzuschießen also habe ich einfach versucht, mein Bein und meine Fanghand hochzubekommen. Zum Glück hat es geklappt und ich habe die Scheibe mit der Fanghand erwischt."
Hischier hatte die riesen Gelegenheit, den 3-3 Ausgleich zu erzielen. Er hätte sich zum Viertelfinalhelden krönen können. Wie David gegen Goliath war die kleine Schweiz drauf und dran, den schier übermächtigen Gegner auszuknocken. Erst trauten die zahlreichen Fans im Air Canada Center ihren Augen kaum, dann standen sie hinter den Eidgenossen wie ein sechster Mann.
"Die Menge hat für sie geschrien, davon haben sie profitiert", gab US-Stürmer Jeremy Bracco zu bekennen. "Doch Parsons war im Tor einfach großartig für uns."

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Die US-Junioren konnten sich buchstäblich bei ihrem Torhüter bedanken. Ihr Spiel erinnerte über weite Strecken kaum an den Sensationssieg gegen Kanada. Zum Abschluss einer perfekten Vorrunde hatten sie die Landesvertretung des Gastgebers mit 3-1 ausgeschalten. Nun wurden sie von einem Gegner, der sehr viel weniger Glanz und Gloria ausstrahlt, an den Rande einer Niederlage gebracht.
"Wir hatten vier großartige Spiele, aber irgendwie sahen wir es kommen", gestand US-Keeper Parsons ein. "Wir brauchten einen Weckruf."
Diesen Weckruf bekamen sie. Und es war kein bequemer. Allen voran Teenie Hischier zeigte sich hochmotiviert. Er verpasste den US-Amerikanern zwei Ohrfeigen in Form von Toren und ließ sich erst vier Minuten vor Schluss von Parsons stoppen.
"Wir hatten einen schlechten Start und haben uns dann vorgenommen, mehr Pucks aufs Tor zu bringen und das haben wir getan", erzählte der zweifache Torschütze Hischier. "Wir haben immer daran geglaubt, dass wir gewinnen können."
Der Glaube ging den Eidgenossen nie verloren. Wie schon gegen Dänemark, als sie im dritten Gruppenspiel einen 0-3 Rückstand aufholten und den Finalrundeneinzug perfekt machten, bewiesen sie auch im Viertelfinale gegen die USA Moral. Die Amerikaner legten los wie die Feuerwehr und nach 10:42 Minuten schien alles danach, dass die Partie ihren vorhergesehenen Verlauf nehmen würde. In der neunten Spielminute erzielte Jeremy Bracco den ersten Treffer des Abends, wenig später erhöhte Luke Kunin auf 2-0 für die US-Amerikaner.
Mit diesem Treffer legten sie bei den Schweizern den Schalter um. Und es war nicht der, der den Schlummermodus anwirft. Wie nach Niklas Andersens Treffer zum 3-0 im Vorrundenthriller, drehten die Schweizer nach Kinins Tor zum 2-0 weit in den roten Bereich. Sie stellten ihr Körpermaterial auf eine Zerreißprobe. Sie rannten mehr, passten mehr, checkten mehr und schossen mehr.
Zwei Schüsse von Hischier fanden ihren Weg ins Ziel, 19 weitere wurden von Keeper Parsons gestoppt.

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"Wir hatten ein tolles Turnier, wir hatten eine klasse Truppe. Viele tolle Jungs waren an Bord. Wir haben nie aufgegeben. Das schmerzt", zog Hischier Resümee.
Die Schweiz spielte eine großartige Juniorenweltmeisterschaft. Sie kann sich erhobenen Hauptes aus Kanada verabschieden. Nachdem die Schweizer Juniorennationalmannschaft zwei Mal in Folge in der Relegation um den Klassenerhalt kämpfen musste, konnte sie sich nun im Viertelfinale mit den ganz großen des Sports messen. Sie waren mit den US-Amerikanern auf Augenhöhe, waren ihnen ebenbürtig.