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Es bleibt einem keine Sekunde, um einer verpassten Torchance nachzutrauern. Eben befand sich die Scheibe noch auf dem Weg ins Netz, schon ist sie wieder im Drittel auf der Gegenseite. Vor Kurzem wurden noch auf den Rängen die Arme zum Torjubel in die Höhe gerissen, kurz darauf verdecken sie bereits die leidgeplagten Gesichter der Fans, die es nicht fassen können, dass dies wirklich geschah, was sie eben gesehen hatten.

Freude und Leid liegen nirgends so nah beisammen wie in der Overtime beim Eishockey. Bei Drei-gegen-Drei schicken die Trainer ihre besten Männer aufs Eis. Schnell müssen sie sein, sie müssen millimetergenaue Pässe spielen können und nicht zuletzt dürfen sie im Abschluss keinerlei Schwächen zeigen. Jede vergebene Einschussmöglichkeit könnte sich am Ende bitter rechnen.
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In der Nacht von Donnerstag auf Freitag sahen sich 140.859 Besucher in den Arenen sowie ein Millionenpublikum vor den Empfangsgeräten diesem Nervenkitzel ausgesetzt. Bei acht der 14 NHL-Partien fiel die Entscheidung erst in der Verlängerung oder im Penaltyschießen. In der langen NHL-Historie waren erst zweimal zuvor an einem Spieltag ebenfalls acht Begegnungen in die Zusatzschicht gegangen: Am 22. Februar 2007 und am 27. November 2015.
Gut zwei Monate vor dem Beginn der Stanley Cup Playoffs zählt für den Großteil der Teams jeder Punkt. Dieser eine gewonnene oder hergeschenkte könnte am Ende darüber entscheiden, ob sich die, während einer langen Saison aufgebrachten Mühen und Qualen gelohnt haben. Die Intensität mit der die Aufeinandertreffen geführt werden, nimmt im letzten Saisonviertel exorbitant zu.
Und plötzlich verlassen auch vermehrt vermeintliche Außenseiter das Eis als Sieger. Die St. Louis Blues nahmen am Donnerstag von ihrem Besuch bei den Tampa Bay Lightning zwei Zähler mit, nachdem Brayden Schenn seinen Konter, gegen den nur in dieser einen Situation unglücklich agierenden Andrei Vasilevskiy, zum 1:0 in der letzten Minute der Verlängerung flach abgeschlossen hatte.

STL@TBL: Schenn erzielt OT-Siegtor für Blues

Eine gute Stunde danach und knapp 2000 Kilometer nördlich war es Jonathan Toews, der seinen Chicago Blackhawks einen 4:3-Overtimesieg bescherte. Wie ein Schwergewichtsboxer stellte Toews sich seine(n) Gegner zurecht, zog einen großen Bogen, suchte den Weg in die Mitte, legte mit zwei, drei Schritten an Tempo zu und traf, an Jacob Markstrom vorbei, ins Schwarze.
Die Carolina Hurricanes behielten bei den Buffalo Sabres mit 6:5 nach Verlängerung die Oberhand. Die wahrlich nicht erfolgsverwöhnten Florida Panthers machten es ihnen mit einem 3:2-Overtimeerfolg über die Pittsburgh Penguins nach und die Nashville Predators beendeten die fünf Spiele währende Siegesserie der Dallas Stars, Dank dem Treffer von Ryan Johansen zum 3:2, als in der Verlängerung 43 Sekunden absolviert waren.
Gerne hätten auch die Philadelphia Flyers gegen den Tabellenletzten der Western Conference ihre Erfolgsfahrt von acht Siegen fortgesetzt, doch die Los Angeles Kings erwiesen sich als widerspenstig und entschieden schließlich den Shootout im Wells Fargo Center mit 3:2 für sich.
Ein spannendes Fernduell um den ersten Platz in der Metropolitan Division liefern sich tag ein, tag aus die Washington Capitals und die New York Islanders. Beide taten sich schwer, doch am Ende holten sie sich jeweils den Zusatzpunkt, die Capitals zuhause gegen die Colorado Avalanche und die Islanders zu Gast bei den New Jersey Devils.
In Washington zeigte Evgeny Kuznetsov 48 Sekunden vor dem Ende der Verlängerung keinerlei Nerven, nachdem ihm sein Landsmann Alex Ovechkin auf die Reise geschickt hatte. Fast schon provozierend langsam fuhr Kuznetsov alleine auf Gästeschlussmann Semyon Varlamov zu, mischte viermal die Scheibe, um sie dann lässig mit der Vorhand einzunetzen - 4:3!

COL@WSH: Kuznetsov tunnelt zum Overtime-Siegtor

Soviel Abgeklärtheit hätten sich die Devils gerne von ihren Spielern gewünscht, als sie es im Penaltyschießen mit dem deutschen Schlussmann Thomas Greiss zu tun bekommen hatten. Zwei ihrer Schützen verzogen und zwei scheiterten an dem Füssener. Josh Bailey traf für die Gäste und durch den 2:1-Sieg bewahrten sich die Islanders als Tabellenführer ihren Vorsprung von zwei Punkten gegenüber Washington.
Durch die knappen Entscheidungen sind nicht nur die Teams in der Western Conference enger zusammengerückt, die Kings trennen als Tabellenschlusslicht nur fünf Punkte von den Blues, die sich den zweiten Wildcard-Platz erobert haben, sondern auch im Osten verbesserten die Hurricanes ihre Ausgangsposition für eine Playoff-Qualifikation. Ihr Rückstand beträgt drei Zähler auf die vor ihnen rangierenden punktgleichen Columbus Blue Jackets und Penguins.
Das sind sicher die besten Voraussetzungen für weitere packende Eishockey-Thriller in den kommenden Wochen. Versprochen!