Marco Sturm Boston Bruins

Marco Sturm absolviert in diesen Tagen einen Medien-Marathon. Am Dienstag gab es die offizielle Pressekonferenz der Boston Bruins zu seiner Einführung als neuen Cheftrainer des NHL-Teams (wir berichteten) sowie einige Fernseh- und Radio-Interviews. Das Medieninteresse in Boston ist groß am neuen Trainer und ehemaligen NHL-Stürmer.

Aber nicht nur in Boston ist er gefragt, sondern auch in Deutschland, wie der Zoom-Call mit deutschen Medienvertretern am Mittwoch belegte, für den sich der 46-jährige Dingolfinger, der zum ersten in Deutschland geborenen NHL-Trainer wurde, gerne Zeit nahm.

Dabei war deutlich zu vernehmen, wie sehr sich Sturm auf seine neue Aufgabe freut, auf die er so lange hingearbeitet hatte. Es war immer sein Ziel, eines Tages NHL-Trainer zu werden. Dass sich dieser Traum ausgerechnet bei den Bruins erfüllt, ist für ihn als ehemaligen Spieler des Teams ein Segen – könnte sich aus anderen Gründen jedoch auch als Fluch erweisen.

Sturm kennt die Situation vor Ort und weiß, dass die Bruins in der Stadt ein großes Thema sind, nicht nur bei Fans, sondern auch in den Medien. „Wenn es in der vergangenen Saison bei den Bruins gut gelaufen wäre, dann wäre ich jetzt nicht hier“, betont Sturm lächelnd. „Aber wir wissen auch, dass wir nicht all zulange Zeit haben, in die Erfolgsspur zurückzukehren. Doch ich bin sehr gut darauf vorbereitet, was mich in Boston erwartet: Gutes und auch vielleicht Negatives. Da hilft mir schon sehr, dass ich das als Spieler bereits kennengelernt habe.“

Trotz allem geht Sturm die Aufgabe mit Euphorie und positiven Gedanken an. Er hat eine klare Richtung und Vorstellungen, wie er das Team wiederaufbauen will. Es ist eines der Gründe, warum seiner Meinung nach, derzeit seine Generation an Trainern in der NHL im Kommen ist.

Marco Sturm Boston Bruins

„Es gibt sehr viele neue junge Spieler und das Verhältnis zwischen Trainer und den Spielern muss passen und besser sein“, erklärt Sturm. „Man hat registriert, dass die ganz alte Masche einfach nicht mehr funktioniert. Es ist nicht nur im Eishockey so. Ich muss mit meinen Kindern heute auch anders umgehen, als meine Eltern damals mit mir. Es wird viel mehr geredet und sie möchten fast alles erklärt haben, warum das so ist. Genauso ist es in der Kabine auch.“

Gespräche zu führen ist also ein immer wichtigerer Baustein. „Die Kommunikation ist in den letzten Jahren zunehmend wichtiger geworden, um alle mitzunehmen und ein gutes Team zu formen“, führt Sturm weiter aus. „Und dann kommen eher jüngere und modernere Trainer wie ich ins Spiel, die das mehr Intus haben. Deswegen waren auch die drei Jahre in Ontario für mich wichtig, da dort meine Aufgabe war, die jungen Spieler aufzubauen und an die NHL heranzuführen.“

Sturm reflektierte auch noch einmal über seinen Weg vom Bundestrainer, der nach dem Gewinn der Silbermedaille bei den Olympischen Winterspielen 2018 seinen Dienst quittierte, um Assistenztrainer bei den Los Angeles Kings unter Todd McLellan zu werden.

„Das war der entscheidende Schritt und viele haben mich damals gefragt, warum ich diesen Schritt gemacht habe“, erinnert sich Sturm. „Jetzt wissen sie, warum das so wichtig war und warum ich das gemacht habe. Denn ich hatte ein Ziel und das war, NHL-Cheftrainer zu werden. Den Schritt musste ich einfach machen, um das zu erreichen.“

Und McLellan war für ihn ein hervorragender Lehrmeister. „Ich hatte das Glück, dass ich mit Todd McLellan einen Chef hatte, der mir alles außerhalb des Eises, also alles was so in der Trainerkabine vor sich geht, zu machen und vorzubereiten ist, gezeigt hat. Das ist derjenige, der mir alles gezeigt hat und so wichtig war, für meine Weiterbildung“, schwärmt Sturm.

Vor drei Jahren dann der Schritt ins Farmteam der Kings als Cheftrainer der Ontario Reign. „Diese zwei bis drei Jahre habe ich gebraucht, um alles zusammen zu bringen“, lässt Sturm durchblicken. „Und das ich jetzt bei einigen Teams in den Fokus gerückt bin, wie San Jose im vergangenen Jahr oder jetzt in Boston, war das entscheidende, das ich in den Minors trainiert habe. Das kam in den Bewerbungsgesprächen deutlich heraus. Diese Erfahrung im Chefbereich habe ich gebraucht, wenngleich es im Farmteam ein harter Bereich ist. Aber so konnte ich jetzt Chef in Boston werden.“

Marco Sturm Boston Bruins

Sturm gab allerdings unumwunden zu, dass er 2018, als er im Frühjahr bei den Kings unterschrieb, nicht gedacht hätte, dass es sieben Jahre dauern würde, bis er nach oben kommt. „Aber als ich als Co-Trainer in der NHL angefangen hatte, wusste ich, dass da noch einiges auf mich zukommen wird“, schildert er. „Alles im Eishockeybereich war das Wenigste. Alles zu lernen und den Todd zu verfolgen, wie er auf der Spielerbank agiert. Es ist nicht so, dass man einfach die Reihen wechselt, sondern da ist ein Plan dahinter, wie man da agiert. Es ist ein Plan dahinter, wie man sich auf eine Mannschaft vorbereitet. Und in der NHL ist es schon anders als in einer Nationalmannschaft. Man spielt fast jeden zweiten Tag. Da bleibt nicht viel Zeit zur Vorbereitung. Es muss ein gewisser Rhythmus drin sein, auch in der Zusammenarbeit mit den Co-Trainern. Die Zahlen und Analysen werden immer wichtiger. Es sind einige Bereiche, die ich nicht kannte. Deswegen brauchte ich eine gewisse Zeit in der NHL und dann auch in der AHL. Das war meine Zeit für mich persönlich alles zu testen und deswegen dauerte es so lange.“

Sturm hatte auch eine Erklärung, warum es kaum europäische Trainer in der NHL gibt. „Das Risiko ist zu groß“, macht er deutlich. „Die GMs und Teams sehen mich nicht als Europäer, da ich schon so lange da bin. Das ist mein Vorteil. Man kennt mich als Spieler und jetzt als Trainer. Deswegen hat es auch geklappt. Das Risiko von einem Manager ist zu groß, der einen Trainer aus Europa holt und es gibt sehr gute Trainer in Europa. Und dann kommt dieser und scheitert vielleicht. Das muss man dem Besitzer erst einmal verkaufen können. Da steckt viel dahinter und deswegen ist es für einen aus Europa sehr schwierig.“

Auf die Entwicklung des Eishockeys in Deutschland und der deutschen Nationalmannschaft schaut Sturm sehr positiv, zumal von Experten immer wieder sein Name fällt, seitdem sich alles zu besseren gewandt hatte.

„Ich habe die Weltmeisterschaft in diesem Jahr etwas mehr verfolgt, nachdem NHL Network viele Spiele und die von den USA gezeigt haben“, erklärt er. „Wir waren von der Mannschaft gut besetzt, aber ich weiß, wie es in einem Turnier manchmal läuft. Ich denke, dass Harry in den letzten Jahren einen guten Job gemacht hat. Er wird mit Sicherheit die Jungs für Olympia gut vorbereiten.“

Sturm lobt seine Rolle, die er in der Vergangenheit eingenommen hat, verweist aber auch auf die Personen um ihn herum, die wichtig waren. „Meine Zeit beim DEB war der Startschuss zu allem“, bekennt er. „Es war eine große Veränderung, nicht nur im Trainerbereich, sondern generell. Ich hatte ein neues System und neuen Schwung hereingebracht. Ich war aber das nicht alleine und hatte eine super Truppe mit meinen Assistenten und den Spielern. Das haben wir gemeinsam so hinbekommen, dass es bis heute nachwirkt. Das macht mich sehr stolz.“

Marco Sturm Boston Bruins

Hoffentlich kann Sturm das in ein paar Jahren auch über die Boston Bruins sagen.

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