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Das Problem, vor dem die Anaheim Ducks und ihr General Manager Bob Murray seit einiger Zeit standen, tritt immer dann auf, wenn ein Trainer hinter der Bande steht, der sich große Verdienste um eine Mannschaft erworben hatte. Dann fällt der im Sportbereich übliche Schritt, die Entlassung als ultimativen Schritt für das Versagen der Spieler zu wählen, deutlich schwerer, als das sonst der Fall ist.

In dieser und der vergangenen Saison rangen die Chicago Blackhawks mit der gleichen schweren Entscheidung, nachdem die Mannschaft unter Trainer Joel Quenneville, der für drei Stanley Cup Siege in 2010, 2013 und 2015 verantwortlich zeichnete, nicht mehr die gewohnte Form zeigte und im Frühjahr 2018 zum ersten Mal in neun Jahren die Stanley Cup Playoffs verpasste. Trotzdem durfte Quennevlle weitermachen, doch nach einem misslungenen Saisonstart 2018/19 (6-7-2) war am 6. November der Kredit aufgebraucht und er wurde durch Jeremy Colliton ersetzt.
Randy Carlyle gewann mit den Ducks im Jahr 2007 den einzigen Stanley Cup ihrer Franchise-Geschichte und führte sie in sechs Spielzeiten fünf Mal in die Playoffs. Zwar war er am 30. November 2011 schon einmal entlassen worden und zwischen den Jahren 2012 und 2015 bei den Toronto Maple Leafs tätig, doch am 14. Juni 2016 kehrte er zurück und zog gleich im ersten Jahr seines Comebacks in das Western Conference Finale ein.
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Die Verdienste Carlyles um die Ducks rückte auch Murray in den abgelaufenen Monaten mehrmals in den Vordergrund, als es immer wieder Nachfragen zur Situation des Teams und den schwachen Auftritten kam. Bis Mitte Dezember stand Anaheim trotz dem langen Ausfall von Torjäger Corey Perry mit 43 Punkten (19-11-5) in der Führungsgruppe der Pacific Division, ehe es fatal bergab ging.
Inklusive der längsten Niederlagenserie der Team-Geschichte in zwölf Spielen (0-8-4) vom 18. Dezember bis 15. Januar, konnten die Ducks in den letzten 21 Spielen nur zwei Siege (2-15-4) vorweisen und wurden bis auf den letzten Platz der Western Conference durchgereicht. Die Tordifferenz von Minus 48 und eine Powerplay-Erfolgsquote von 12,7 Prozent in dieser Zeit sprechen ebenfalls Bände.
"Wir danken Randy für alles, was er für diese Organisation geleistet hat", ließ Murray in der Pressemitteilung am Sonntag folgerichtig verlautbaren. "Er führte das Team zu einem Stanley Cup und drei Mal in das Conference Finale, er hat so viel in Anaheim erreicht. Schwierige Entscheidung müssen getroffen werden, wenn die Zeiten schwer sind und unser Spiel war einfach inakzeptabel. Wir haben eine Tradition mit Erfolg in Anaheim und wir müssen dorthin zurückkommen."

Um dieses Ziel zu erreichen hat Murray selbst das Traineramt für den Rest der Saison übernommen, ohne jemals selbst im professionellen Bereich gecoacht zu haben. Er hatte darüber nachgedacht, Trainer Dallas Eakins vom Farmteam San Diego Gulls aus der AHL abzuziehen, doch dieser steckt dort mitten in der heißen Saisonphase und soll lieber die jungen Spieler weiterentwickeln.
"Ich denke nicht, dass es fair wäre, jemand anderes in diese Position zu bringen", betonte der 64-jährige Murray, der als Verteidiger 1.008 NHL-Spiele für die Blackhawks absolvierte. "Es ist der einzige Weg für mich überhaupt herauszufinden, was für Probleme wir haben."
Murray störte am meisten, dass die Mannschaft zuletzt arg lethargisch wirkte und zu wenig Emotionen zeigte. Die Niederlagen im Februar bei den Winnipeg Jets (3:9), Toronto Maple Leafs (1:6), Montreal Canadiens (1:4), Ottawa Senators (0:4) und Philadelphia Flyers (2:6) sprachen trotz der Rückkehr von Perry in den Kader eine eindeutige Sprache.
"Es ist meine Aufgabe herauszufinden, wo die Probleme liegen", verdeutlichte Murray. "Das Wichtigste, was ich herausfinden muss ist, ob wir Leute haben, die führen können. Ich habe sie noch nicht aufgegeben, aber ich bin verärgert."
Das Ziel von Murray liegt auf der Hand. Er hat zwei Wochen Zeit aus erster Hand zu sehen, mit welchen Spielern er in der Zukunft weiterarbeiten möchte und welche er eventuell bis zur Trade Deadline am 25. Februar an den Mann bringen möchte.
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Trotzdem wird er sich die Frage gefallen lassen müssen, ob er nicht zu spät reagiert hat und die Saison vielleicht durch einen Schnitt Ende Januar noch zu retten gewesen wäre. Den Ducks fehlen acht Punkte auf den zweiten Wildcard-Platz, allerdings lauern sechs Teams dazwischen ebenso auf ihre Chance nach vorne zu rücken. Es wäre daher vermessen derzeit noch von einer Playoff-Teilnahme von Anaheim zu träumen.
Kapitän Ryan Getzlaf zeigte Verständnis für die Maßnahme und dass Murray sich selbst eingesetzt hat. "Er will sich das anschauen, wie es jeden Tag bei uns läuft, um zu verstehen, was wir in der Kabine brauchen und die Richtung vorzugeben, in der wir gehen müssen", erläuterte der 33-jährige Center. "Hoffentlich findet er den Hebel, den er sucht und kann in unserer Gruppe eine Flamme entzünden."
Die Ducks beginnen am Mittwoch (10:30 p.m. ET; ESPN+, SN1, FS-W, NHL.TV) im Honda Center eine Folge von drei Heimspielen, das erste gegen die Vancouver Canucks, einem direkten Konkurrenten in der Division. Es wird bereits ein Gradmesser für Murray, der nach eigener Aussage sicher nervös sein wird, wie beim Training am Sonntag, als er die Schlittschuhe anzog.