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Als Sven Andrighetto vor gut vier Jahren beim NHL Draft 2013 von den Montreal Canadiens ausgewählt wurde, war nicht davon auszugehen, dass er postwendend einen Einstiegsvertrag bei der Traditionsfranchise erhalten würde. Selbstverständlich sprach die Ausbeute von 98 Scorerpunkten (31 Tore, 67 Assists) in 53 Partien bei den Rouyn-Noranda Huskies (QMJHL) für den damals 20-jährigen flinken Flügelstürmer, dennoch trauten sich die Canadiens erst mit ihrem 25. Zug in der dritten Runde an insgesamt 86. Stelle den in Zürich geborenen Angreifer auszuwählen.

Vorbehalte gab es vor allem im Hinblick auf seine Körpergröße von 1,78m. Wird er in der Lage sein sich gegen die großgewachsenen NHL-Verteidiger durchsetzen zu können? Eine Frage, die sich die sportliche Leitung eines NHL-Teams immer wieder fragt, dabei gibt es doch ausreichend Beispiele aus der Vergangenheit, welche die Mär wiederlegen, dass ein Eishockeyspieler mindestens 1,85m groß und 90kg wiegen muss, um sich in der besten Eishockeyliga der Welt durchzusetzen. Mit Martin St. Louis wurde einer, der diese Vorgaben an vermeintlichen Gardemaßen ebenfalls nicht einhalten konnte, erst vor ein paar Tagen in die Hockey Hall of Fame aufgenommen.
Colorado Avalanches Executive Vizepräsident und General Manager Joe Sakic, der sich am Mittwoch mit Andrighetto auf einen neuen 2-Jahres Vertrag über insgesamt US$ 2,8 Millionen geeinigt hatte, dürfte nichts dagegen haben, sollte der Schweizer Angreifer in die Fußstapfen eines St. Louis treten können, der zweimal die Art Ross, einmal die Hart Trophy und sogar den Stanley Cup gewinnen konnte.
Die Avalanche blicken auf eine Saison zurück, die sie am liebsten vergessen würden. Mit 48 Punkten und einer Bilanz von 22-56-4 standen sie im Tabellenkeller der Liga. Sie kassierten die mit Abstand meisten Tore (276), trafen so selten wie keine andere Mannschaft (165), hatten das schlechteste Powerplay (12,6%) und das zweitschlechteste Penalty Killing (76,6%). Was ist nur aus dieser einst so erfolgreichen Franchise geworden, die nach ihrem Umzug aus der frankokanadischen Hauptstadt Quebec nach Denver von 1995 bis Anfang der 2000er Jahre das Geschehen in der Western Conference bestimmt und sogar zweimal den Stanley Cup in die Mile High City entführen konnte.
Die Einführung des Salary Cap zur Saison 2005/06 war der Anfang vom Ende der erfolgreichen Zeiten der Avalanche, die sich in den folgenden zwölf Jahren achtmal nicht für die Playoffs qualifizieren konnten - zuletzt dreimal in Folge.
Andrighetto, der am 1. März 2017, zum Ende der Wechselfrist, von den Montreal Canadiens im Tausch gegen Andreas Martinsen zu den Avalanche transferiert wurde, war einer der wenigen Lichtblicke im Spiel der Avalanche als sich die letzte Saison ihrem Ende näherte. In den 19 Partien, denen er den Avalanche zur Verfügung stand erzielte er fünf Tore, bereitete weitere elf vor und war damit ihr Topscorer in den Partien von Anfang März bis zum Saisonende.

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Center Nathan MacKinnon, 21, der an insgesamt erster Stelle im gleichen Jahr wie Andrighetto gedraftet wurde, brachte es auf vier Tore und acht Assists, Gabriel Landeskog, 24, Colorados Draft Pick Nr. 2 beim NHL Draft 2011 kam auf fünf Tore und zwei Vorlagen und Matt Duchene, 26, Colorados Erstrundenzug an dritter Stelle beim NHL Draft 2009, gelangen zwei Tore und drei Vorlagen. Während US$6 Millionen-Mann Duchene mit einem +/-Wert von -14 teamintern das Schlusslicht bildete, war Andrighetto zusammen mit MacKinnon und Linksaußen J.T. Compher, 22, einer von drei Spielern der Avalanche, die keinen negativen +/-Wert auswiesen.
Der 24-jährige Rechtsaußen scheint sich sehr wohl in Denver zu fühlen. Während seiner Zeit in Montreal wurde er immer wieder zurück ins AHL-Farmteam der Canadiens geschickt. In den 83 Spielen, die er für die Canadiens knapp drei Spielzeiten lang zwischen 2014 und 2017 bestritt, traf er elfmal ins Schwarze und war an weiteren 17 Treffern mit der Vorarbeit beteiligt, was einem Zählerschnitt von 0,34 entsprach. In Colorado punktete er durchschnittlich 0,84 Mal pro Spiel.
"Ich bin glücklich und fühle mich geehrt auch in den kommenden zwei Jahren ein Teil der Avalanche zu sein", schrieb der Stürmer auf Twitter. Andrighetto ist das beste Beispiel dafür, welche Leistungssteigerungen eines Sportlers möglich sind, wenn das Umfeld stimmt und er sich wohlfühlt. Es ist Andrighetto durchaus zuzutrauen, dass er kommende Saison die Fans im Pepsi Center erneut begeistern wird.

Die Zeiten, in denen Teamkapitän Landeskog nach einer verlorenen Partie haderte und davon sprach, dass sie wie eine drittklassige Juniorenmannschaft gespielt hätten, sollten, auch dank Andrighetto, der Vergangenheit angehören.