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Während der Saison 2018/19 wird das Team von NHL.com/de jeden Freitag in der Rubrik "Writer's Room" wichtige Themen der Liga diskutieren und analysieren. In dieser Ausgabe: Die Rückkehr der 100-Punkte-Saison.

Im Jahr 1969 hatte mit Phil Esposito von den Boston Bruins erstmalig in der NHL-Geschichte ein Gewinner der Art Ross Trophy, also der beste Scorer in der regulären NHL-Saison, über 100 Punkte gesammelt (126). Das regelmäßige Knacken dieser Marke stand seitdem an der Jahresordnung, ehe Jaromir Jagr von den Pittsburgh Penguins in der Saison 1999/2000 nur 96 Punkte erreichte - die verkürzte Lockout-Saison 1994/95 ausgenommen. 2014/15 kam Topscorer Jamie Benn von den Dallas Stars gerade einmal auf 87 Punkte und damit auf so wenige wie Stan Mikita von den Chicago Blackhawks im Jahr 1968. 2016/17 konnte nur Connor McDavid von den Edmonton Oilers als Bester die 100 Punkte vorweisen.

BUF@TBL: Kucherov erreicht die 3-stellige Punktemarke

In der laufenden Saison werden neben Nikita Kucherov von den Tampa Bay Lightning, der mit 115 Punkten schon deutlich über der magischen Grenze liegt, mit McDavid (100) und Patrick Kane (99) von den Chicago Blackhawks mindestens zwei, wenn nicht fünf bis sieben weitere Spieler in den dreistelligen Bereich vorstoßen.
Das Redaktionsteam von NHL.com/de tauscht sich darüber aus, warum eine steigende Anzahl von Punkten bei den Spielern festzustellen ist und ob der Trend ihrer Meinung nach weitergehen wird:
Christian Rupp:Ich denke schon, dass der Trend der vielen Tore und Scorerpunkte fortgesetzt wird. Die laufende NHL-Saison 2018/19 ist so offensiv geführt wie schon lange nicht mehr. Tore fallen wie am Fließband. Neue, junge Spieler sind schlittschuhläuferisch und stocktechnisch hervorragend ausgebildet und können auch dank des technologischen Fortschritts scharf und präzise schießen. Hinzu kommt die Verschärfung der Stock-Strafen, die konsequent gepfiffen werden, so dass angreifende Spieler ein Stück weit mehr Freiheiten genießen. Ein Ende dieses Offensivdrangs sehe ich auf absehbare Zeit nicht, zumal es auch das Bestreben der Liga ist, mit vielen Toren für Unterhaltung zu sorgen. Weitere Regelanpassungen, die die Torflut einschränken, dürften also nicht kommen. Die 100-Punkte-Scorer und auch die Eishockey-Fans wird das sicher freuen.

NJD@EDM: McDavid kommt zu 100. Punkt bei Bennings Tor

Robin Patzwaldt:Es klingt zunächst einmal ausschließlich positiv, wenn die individuellen Stärken der Stürmer vermehrt zu Toren und Punkten führen. Gründe dafür gibt es viele. Das Spiel wird seit Jahren stetig schneller, viele Spieler der Gegenwart sind extrem jung und entsprechend flink. Das ist schön zu sehen und tut der Sportart gut. Etwas Essig in den Wein der vielen Lobgesänge könnte man gießen, wenn man bedenkt, dass es in den nahenden Stanley Cup Playoffs vermutlich einmal mehr weit weniger Tore pro Spiel geben wird. Daraus könnte man ableiten, dass, wenn die Konzentration tatsächlich am Anschlag ist und die Aktiven wirklich 100 Prozent Einsatz und Konzentration abrufen, die Stürmer nicht mehr ganz so viel glänzen. Wie auch immer, erfreuen wir uns lieber an den vielen torreichen Spielen und den so erfolgreichen Individualisten in dieser Hauptrunde.
Stefan Herget: Ein bisschen muss ich Robins Argument, warum die Torausbeute in den Playoffs zurückgeht, einschränken, denn in den Playoffs sind auch die 16 besten Mannschaften vertreten und dadurch nimmt die Qualität der Begegnungen insgesamt zu. Das wirkt sich auch klar auf die Defensiv- und die Offensivleistungen der Mannschaften aus. Somit liegt es nicht nur daran, dass die Konzentration steigt.
Doch zurück zur 100-Punkte-Saison der Spieler. Ich gehe ebenfalls stark davon aus, dass der Trend anhält, zumal dieser Prozess auch durch die Liga mit Regeländerung und schnellerer Bestrafung von Vergehen, die Torchancen verhindern oder eine bereits vorgenommene Reduzierung der Bemaßung von Torhüterausrüstung gefördert wird. Den Fans kann es nur recht sein. Für mich ist es faszinierend, wie knapp sich Leon Draisaitl mit seinen 89 Punkten (42 Tore, 47 Assists) vor dieser Marke befindet. Ich hätte niemals gedacht, dass ein Deutscher jemals in diese Sphären vorstoßen kann. Weiter so, Leon! Vielleicht knackst du die 100 auch noch.
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Axel Jeroma:Es spricht in der Tat sehr viel dafür, dass sich der Trend zur 100-Punkte-Saison bei den Top-Scorern verstetigen wird. Das hängt vor allem damit zusammen, dass sich zu den üblichen Verdächtigen, wie etwa Connor McDavid, Sidney Crosby, Evgeni Malkin, Nikita Kucherov, Claude Giroux, Patrick Kane oder Alex Ovechkin, weitere Angreifer hinzugesellt haben, denen diese Marke ohne weiteres zuzutrauen ist. Dazu zähle ich in erster Linie Draisaitl, Nathan MacKinnon, Mikko Rantanen, Taylor Hall oder Mathew Barzal. Nicht nur die herausragenden Stürmer in der Liga sind in den vergangenen Jahren jünger und flinker geworden, sondern auch die Verteidiger. Davon profitiert die Offensive der Mannschaften insgesamt. So finde ich es bemerkenswert, dass mit Rasmus Dahlin der erst 18 Jahre alte First-Overall-Pick von 2018 bei einem äußerst mittelmäßigen Team wie den Buffalo Sabres nach 70 Einsätzen bereits 37 Scorerpunkte auf dem Konto hat.
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Bernd Rösch:Zuallererst freut es mich wie Stefan riesig, dass sich mit Leon Draisaitl ein deutscher Stürmer unter den oben erwähnten fünf Spielern befindet, die in der laufenden Saison noch eine dreistellige Punktzahl schaffen und damit ein weiteres positives Kapitel der deutschen Eishockeygeschichte schreiben könnte. Bei zwölf ausstehenden Partien fehlen ihm noch elf Scorerpunkte auf die 100. Das Gelingen wird zwar schwer, aber es ist durchaus möglich.
Es wird in den vergangenen drei Jahren im Vergleich zu den Spielzeiten zuvor deutlich öfters der Abschluss gesucht, was wiederum zu mehr Toren führte. Daraus folgend nahm auch die Anzahl der erzielten Scorerpunkte zu. Aktuell kommt im Durchschnitt jedes Team pro Spiel auf 31,3 Schüsse, 2017/18 waren es 31,8. Zum Vergleich: Seit der Saison 1994/95 bis 2016/17 lag der Schnitt nur fünfmal über 30,0 Torschüsse und kein einziges Mal waren es mehr als 31,0.