Grubauer-salute

Es wäre so schön gewesen. Gerade sind die neuen VIP-Räumlichkeiten der Starbulls Rosenheim im ROFA-Stadion für die neue Saison fertiggestellt worden und an der Wand ist in Lebensgröße Philipp Grubauer in Lederhosen mit dem Stanley Cup dargestellt. Das Bild vom Torhüter der Colorado Avalanche stammt aus dem Sommer 2018, als der berühmte Sohn der Stadt und Eigengewächs der Starbulls, die Trophäe für die NHL-Meisterschaft als Mitglied der Washington Capitals nach Rosenheim brachte und eine große Feier schmiss.

Gerne hätten sie dieses Prozedere zu einer standesgemäßen Einweihung der VIP-Räume wiederholt, doch durch die Niederlage der Avalanche in der zweiten Runde der Stanley Cup Playoffs gegen die Vegas Golden Knights wurde aus diesem Traum nichts. Auch die Aussicht, dass Grubauer als frischgebackener Vezina Trophy Gewinner, die Auszeichnung für den besten Torhüter der Saison in der NHL, nach Rosenheim zurückkehren würde, musste begraben werden. Der 29-Jährige wurde schließlich Dritter, die Auszeichnung erhielt Marc-Andre Fleury von den Golden Knights.
Seiner Beliebtheit in der oberbayerischen Heimat wird das keinen Abbruch tun. "Wenn Philipp nach Rosenheim kommt und im Eisstadion ist, kennt ihn jeder", weiß Ingo Dieckmann, Organisatorischer Leiter Sport der Starbulls im Interview mit NHL.com/de zu berichten. "Es ist etwas Besonderes für Rosenheim und den deutschen Eishockeysport überhaupt, was der Philipp leistet. Dabei ist er nicht der Mensch, der so tut, als ob er etwas Besonderes wäre. Der nimmt sich die Zeit für die Kinder und redet mit ihnen. Er ist bestimmt kein abgehobener NHL-Star, der Millionen auf dem Konto hat und die Welt nicht mehr kennt. Ganz im Gegenteil, ein ganz bescheidener und feiner Kerl."

VGK@COL, Sp2: Grubauer wehrt Tuch mit Fanghand ab

Dieckmann hat an der im Jahr 2000 stattgefundenen Neugründung des heutigen Eishockey-Vereins intensiv mitgewirkt, nachdem die Eishockeyabteilung des SB DJK Rosenheim mit dem Verkauf der DEL-Lizenz der Star Bulls Rosenheim GmbH nach Iserlohn, wegen Unwirtschaftlichkeit aufgelöst wurde. Er ist stolz darauf, dass er damit einen ursprünglichen Beitrag leisten konnte, damit einige Eishockeyspieler das erreichen konnten, was sie geschafft haben.
"Wenn wir das nicht gemacht hätten, wäre einiges vielleicht nicht entstanden", merkt er an. "Da waren zwölf Verrückte, die gemeint haben, dass das Eishockey in Rosenheim weitergehen muss. Keiner hat eine Ahnung gehabt, wie es geht, aber wir haben einfach angepackt und beschlossen, dass wir die Kinder nicht auf der Straße stehenlassen können. Es ist viel daraus entstanden. Es ist ja nicht nur der Philipp, sondern weitere Nationalspieler wie Patrick Hager, Sinan Akdag und viele weitere, die als kleine Jungs, den Weg dann gegangen sind. Natürlich macht uns das stolz."

Grubauer über seine Leistung und das nötige Glück

Grubauer war damals acht Jahre alt und eines dieser Kinder, für die Eishockey in Rosenheim weitergehen sollte, nachdem er zwei Jahre zuvor in der Laufschule angefangen hat, sich in diese Sportart zu verlieben. Es war wohl auch für ihn wichtig, dass vor Ort nach wie vor Eishockey angeboten wurde. Vergessen hat Grubauer dies nicht, wie Dieckmann bestätigt. "Er weiß, dass er etwas erreicht hat, aber weiß auch, dass es ohne andere nicht geht", schwärmt der Sportdirektor. "Als er schließlich den Stanley Cup nach Rosenheim gebracht hat, ist auch keiner von uns vergessen worden. Da war ich auch dabei. Das zeichnet ihn als Menschen aus."
Dabei war ebenso Siegfried "Sigi" Harrer, der seit 1984 nach dem Ende seiner aktiven Karriere in der ersten und zweiten Liga in Deutschland, bis heute als Torwarttrainer in Rosenheim arbeitet. Über zehn Jahre hatte er Grubauer unter seinen Fittichen und dessen Entwicklung in der Kindheit und Jugend nachhaltig geprägt.
"Er war wahrscheinlich um die sechs Jahre alt", erzählt der 66-jährige Harrer gegenüber NHL.com/de, als wäre es gestern gewesen. "Ich weiß nur noch, dass er nicht besonders früh, aber auch nicht besonders spät angefangen hat. In diesem Alter fangen die meisten mit der Laufschule an. In den ersten ein bis zwei Jahre dürfen sie zwar schon mal als Torhüter spielen, doch sie werden auch auf dem Feld eingesetzt und sind nicht sofort als Torwart fixiert. Bei ihm war schon sehr früh klar, dass er Torhüter werden würde."

SJS@COL: Grubauer feiert den 6. Shutout der Saison

Harrer war schon früh von Grubauer beeindruckt und beschreibt Attribute, die seinen Schützling noch heute auf der großen Bühne des Eishockeys auszeichnen. "Er war immer ein sehr unkompliziertes Kind", berichtet er. "Nicht auffällig, nicht positiv, nicht negativ. Er war schon sehr früh auf seine Aufgabe fixiert. Was um ihn herum passiert ist, hat ihn nicht besonders beeindruckt. Er war immer ein sehr bescheidener Mensch. Er hat immer pflichtbewusst seinen Job gemacht. Das war schon früh zu erkennen. Der Philipp macht seinen Job, hieß es oft. Ich kenne ihn von den Trainingseinheiten, wo der Philipp immer da war und er hat alles umgesetzt, was man ihm gesagt hat. Es gab keine Diskussionen, weder mit dem Philipp noch mit seinen Eltern."
Grubauers Eltern stellt Harrer ein gutes Zeugnis aus, denn der oft schädliche Ehrgeiz, dass der Nachwuchs der Beste werden muss, trat dort überhaupt nicht zu Tage. "Sein Vater hat ja selbst auch gespielt und sich mit Eishockey beschäftigt", erinnert sich Harrer. "Das Schöne war, dass sich seine Eltern in Trainer- und Vereinsangelegenheiten vollkommen rausgehalten haben. Der Junge durfte seine Sache alleine durchziehen. Natürlich hatte er die Unterstützung, indem sie ihn zum Training oder Spiel gefahren haben und geschaut haben, dass er immer da ist. Aber keine Einmischung. Insofern konnte er ohne Druck von zu Hause seinen eigenen Weg finden."

LAK@COL: Grubauer verbucht seinen 7. Saison-Shutout

Harrer ist der Auffassung, dass sich erst im Jugendalter so richtig herauskristallisierte, was aus Grubauer werden könnte. "Es ging los in der U16, U17, als er in den Bereich des DEB kam", verdeutlicht er. "Er war im Verein ein sehr guter, aber wir hatten mehrere gute Leute im Verein. Im Alter bis zu 14, 15 Jahren konnte man sehen, dass er gut ist, seinen Job macht und konzentriert ist, aber da konnte man noch nicht sehen, dass er bis in die NHL richtig durchstarten würde. Das zeigte sich erst, als er in den DEB-Bereich und diese Altersgruppen kam. Da hat er gezeigt, dass er außergewöhnliche Aufgaben meistern kann, die es in Deutschland im normalen Spielbetrieb gar nicht so gibt, weil Juniorenspiele sehr einseitig laufen können und Torhüter manchmal nahezu beschäftigungslos sind. Aber sich dann zeigen zu können gegen andere Gegner, die wesentlich stärker sind. Das war ja zu dieser Zeit normal, weil gegen Finnland, Schweden, USA, Kanada, Russland und die anderen war der Torhüter immer gefordert. Da hat er sich gezeigt und bewiesen, dass er mithalten kann. Das waren entscheidende Momente, wo zu erkennen war, dass er besser ist als andere und etwas Großes entstehen kann."
Doch laut Dieckmann wussten sie auch bei den Spielen der Kinder in Rosenheim, was Grubauer konnte, wie er mit einer Anekdote untermauert. "Ich weiß noch, als mein Sohn vom Training nach Hause kam und zu mir sagte, 'Gott sei Dank spielt morgen der Philipp, dann gewinnen wir wenigstens', obwohl Philipp jünger als mein Sohn war", schildert er das Erlebte. "So war das schon bei den Kleinen. Er war immer deutlich besser als die anderen. Er hat viel Talent und den nötigen Willen, Zielstrebigkeit und Ehrgeiz dazu. Es war schon klar, dass er ein Riesentalent ist. Der Philipp hat als Kind schon gesagt, dass er in die NHL gehen möchte. Es war immer klar und sein Traum."
"Philipp hat schon früh in seinem Verwandten- und Bekanntenkreis erzählt, dass für ihn das Ziel die NHL ist", berichtet auch Harrer. "Das war für ihn irgendwie klar. Aber da muss ich natürlich dazu sagen, dass dieses Ziel in Rosenheim viele Kinder haben. Da gehört es fast zum Standard, dass die Kinder sagen, dass sie später NHL spielen werden. Ich gebe auf solche Aussagen im Kindesalter sehr, sehr wenig."

grubauer

Dieckmann und Harrer erzählen unabhängig voneinander eine weitere Begebenheit, die sie nachhaltig beeindruckt hat. "Ein weiterer Zeitpunkt, wo wir erkannt haben, wozu er im Stande ist, war, als der Philipp als 16-Jähriger in den Playoffs in der Herrenmannschaft plötzlich zum Einsatz kam und uns mit tollen Leistungen vor dem Abstieg gerettet hat", betont Harrer. "Er hat sofort überzeugt, nachdem wir unter den Torhüter eine Pechsträhne an Verletzungen hatten. Das war für Rosenheim der große Moment und dann hat Philipp relativ schnell beschlossen nach Nordamerika zu gehen."
"Als der Philipp 16 Jahre alt war, war ich der Team Manager in Rosenheim von der Herrenmannschaft und wir sind (in der Saison 2007/08) nach Kaufbeuren zum Spiel gefahren", beschreibt Dieckmann die Szene. "Unser Stammtorhüter hat keinen guten Eindruck gemacht und da hat der Trainer in der Kabine gesagt, dass Philipp heute spielen würde. Und Philipp hat kurz aufgeschaut, 'OK' gesagt, ist rausgegangen und wir haben das Spiel 2:1 gewonnen. Philipp hat überragend gehalten. Ich dachte vorher noch 'oh 16 Jahre, naja schauen wir mal, zu verlieren haben wir nichts. Es kann nur gut werden.' Und er war es einfach, nur gut."
Bereits kurze Zeit danach hat Grubauer den Sprung nach Nordamerika gewagt. "Als er dann früh rübergegangen ist, war es für ihn auch nicht einfach", legt Dieckmann klar. "Man kommt drüben in ein Team, wo vier bis fünf Torhüter spielen, die so gut sind. Man muss immer seine Leistung bringen und überzeugen, weil man es als Deutscher immer schwerer hat. Man muss immer mehr machen als die anderen, um zum Zug zu kommen. Er hat sich nicht von seinem Weg abbringen lassen. Er hat mir mal erzählt, dass er Riesenglück mit seiner Gastfamilie hatte. Sie hatten ein super Verhältnis. Wenn Philipp dann im Sommer nach Hause kam, auch als er schon in der NHL war, dann hat er gefragt, ob er mittrainieren kann, aber ohne große Forderungen zu stellen, sondern ganz bescheiden."

grubauer

Harrer charakterisiert Grubauer sehr detailliert und hebt hervor, was ihn ausmacht und warum er es an die Spitze geschafft hat. "Philipp weiß sehr genau, was er will und weiß dann auch, was er dafür tun muss, um das zu erreichen", ist der Torwarttrainer sich sicher. "Er ist nicht jemand, der das nur schafft, weil er hart arbeitet. Das ist er nicht. Sondern er weiß, um das zu erreichen, muss ich das tun, das tun oder das tun. Das ist, denke ich, das Entscheidende. Er erkennt, wie hart er arbeiten muss und wie viel. Im Spiel ist es genauso. Er erkennt die Situationen, um sie richtig anzugehen. Diese Fähigkeit hat er und das hilft ihm, denn sonst würde die ganze Arbeit nichts helfen. Ich mache den Job schon sehr lange. Es gibt viele, die hart arbeiten, aber es gibt wenige, die bis zur Spitze durchstoßen."
Schließlich beschreibt Harrer erneut die Wichtigkeit von Grubauer, auch für seine Tätigkeit bei den Starbulls. "Philipp hat eine riesige Vorbildfunktion in unserem Verein", unterstreicht er. "Für mich als Trainer ist das sehr wichtig, weil ich gerne die Kinder und Jugendliche auf den Philipp verweise, wenn es darum geht, was man erreichen kann. Ich zeige dann gerne in der Ausbildung auch Videos von ihm. Er ist für das Eishockey hier ein Riesengewinn und hat mittlerweile einen großen Bekanntheitsgrad, weil er auch oft genug in der Zeitung steht. Und seine Feier, als der Stanley Cup nach Rosenheim kam, war unbeschreiblich, wie viele Leute da auf den Beinen waren."
Grubauer dürfte in der NHL noch viel vorhaben und vielleicht steht der Stanley Cup, mitgebracht vom Vezina Trophy Gewinner, in Zukunft etwas verspätet im neuen VIP-Raum des ROFA-Stadions. Und selbst wenn nicht, dann lieben sie ihren Philipp in Rosenheim trotzdem. Das wird sich kaum ändern.