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In seinem Scouting Report des Jahres 2011 stand, dass er ein gutes Gespür für das Spiel habe, dass er ein solider Zwei-Wege Spieler und schwer zu fassen sei. Vor allem müsse er aber noch körperlich zulegen, um auf eine ideale Körperstatur für die NHL zu kommen. Die Talentsucher der Liga attestierten ihm, nach Schulnoten bemessen, eine gute Drei.
Die Anaheim Ducks entschieden sich schließlich in der zweiten Runde beim NHL Draft 2011 an 53. Stelle für den nur bedingt als geeignet angesehenen schwedischen Stürmer.

Gut sechs Jahre und neun Monate danach rockt William Karlsson die Liga. Doch er trägt nicht mehr das Jersey der Ducks, auch nicht mehr jenes der Columbus Blue Jackets, die ihn am 2. März 2015 zusammen mit Rene Bourque und einem Zweitrunden-Draft-Pick 2015 gegen James Wisniewski sowie einem Zug in der dritten Runde eingetauscht hatten, sondern jenes der Vegas Golden Knights. Das neugegründete Franchise entschied sich beim NHL Expansion Draft für ihn, da sie zuvor in einem weiteren Deal mit den Blue Jackets ausgehandelt hatten, andere ungeschützte Spieler nicht zu nehmen.
Wer hätte damals gedacht, dass der skandinavische Center, der es in seinen ersten 183 NHL-Partien bei den Ducks und Blue Jackets auf 18 Tore und 30 Assists gebracht hatte, in Las Vegas so einschlägt?

Karlsson baute in den vergangenen fünf Partien des Tabellenführers in der Pacific Division seine Punktausbeute um vier Tore und acht Vorlagen auf 75 Scorerpunkte (43 Tore, 35 Assists) aus und schickt sich an, als Dritter in der ligaweiten Torschützenliste einem Alex Ovechkin (46 Tore), einem Patrik Laine (44 Tore), einem Evgeni Malkin (42 Tore) oder einem Connor McDavid (41 Tore) die Maurice Rocket Richard Trophy streitig zu machen.
An Treffsicherheit können alle oben genannten Kandidaten ohnehin nicht an den 25-Jährigen heranreichen, dessen Selbstvertrauen von Spiel zu Spiel gewachsen ist.
Einen seiner schönsten Treffer erzielte er am vergangenen Wochenende in der Heimpartie gegen die San Jose Sharks bei einem Konter in Unterzahl zum 3:2-Endstand. Karlsson lief alleine auf Gästeschlussmann Martin Jones zu und verlud ihn aus kurzer Distanz, indem er nach rechts ziehend die Scheibe durch seine eigenen Beine über den sich streckenden Jones hob.
"Ich achte nicht darauf, ob ein Tor schön ist oder nicht. Mir kam es nur auf die zwei Punkte an. Eigentlich war ich mehr darauf bedacht, in eine gute Position zu kommen, dann legte er sich hin, um die rechte Seite dicht zu machen und gab mir den Raum zu schießen", schilderte Karlsson seinen sensationellen Treffer.
Von den 182 Torschüssen, die Karlsson in dieser Saison auf den gegnerischen Kasten abgefeuert hat, landeten 23,6 Prozent im Netz.
Zur Verdeutlichung dieser außergewöhnlichen Ausbeute: Seitdem die NHL zur Saison 1959/60 die abgegebenen Schüsse erstmals erfasste, zeigten sich nur 17 Spieler, die in einer Saison mindestens 180 Torschüsse abgaben, noch treffsicherer als der Schwede.

Der letzte Akteur, der eine bessere Schussquote als Karlsson auswies, war Cam Neely von den Boston Bruins in der Spielzeit 1993/94 mit 27,0 Prozent. Seit der Jahrhundertwende kamen, angeführt von Karlsson, mit Brad Boyes (STL 2007/08; 20,8%), Milan Hejduk (COL 2002/03; 20,5%) und Joe Thornton (BOS 2000/01; 20,5%) nur vier Spieler über eine Effektivität von 20 Prozent.
Karlsson punktet unabhängig davon, mit wem er in einer Sturmformation steht. Die meiste Zeit der Saison bildete er mit Jonathan Marchessault und Reilly Smith die erste Reihe. Nach Smiths Verletzung rückte häufiger Alex Tuch an Karlssons Seite.
Vegas-Debütant Brandon Pirri erzielte seine ersten zwei NHL-Tore am Dienstag in der Partie bei den Vancouver Canucks. Zu seinem zweiten Treffer, wie sollte es anders sein, leistete unter anderem Karlsson die Vorarbeit.
Auf seinen außergewöhnlichen Einstand angesprochen, wusste Pirri, bei wem er sich zu bedanken hatte: "Ich darf mich glücklich schätzen, dass ich heute Abend mit solch guten Eishockeyspielern auflaufen durfte. Diese Chance gibt es nicht so oft. Ich hatte das Gefühl, dass wir die ganze Zeit in Puckbesitz waren, wir haben schnell gespielt und das liegt mir. Als Stürmer musste ich nur darauf achten, dass ich freistehe und mich anbiete."
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Der erfolgreiche Saisonverlauf der Golden Knights trägt viele Namen. Doch einer der wichtigsten ist Karlsson, jener Stürmer, dem zu Beginn seiner NHL-Karriere nur Mittelmaß bescheinigt wurde, und der nun als solider Zwei-Wege Spieler nicht nur zu den erfolgreichsten Vollstreckern der Liga zählt, sondern auch die ligaweite +/-Statistik mit einem Wert von +49 anführt - vor seinen Sturmkollegen Marchessault und Smith sowie 19 Punkte vor keinem Geringeren als Verteidiger Victor Hedman von den Tampa Bay Lightning.
Das neue Solide nennt sich halt Spitzenklasse!