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Die NHL-Teams haben durch den späteren Beginn der Saison 2020/21 ihre unter Vertrag stehenden europäischen Spieler, insbesondere jüngeren Alters, teilweise an Mannschaften in Europa verliehen, um ihnen frühzeitig Spiel- und Trainingspraxis zu verschaffen. NHL.com/de wird in einer wöchentlichen Serie über einzelne dieser Spieler berichten, wie sie ihre Zeit bis zum Start der kommenden NHL-Saison überbrücken. In der heutigen Ausgabe: Tobias Geisser.

Der EV Zug grüßt derzeit mit 22 Punkten aus zehn Spielen gleichauf mit dem HC Lausanne von der Tabellenspitze der Schweizer National League. Am Samstag hatten sie zu Hause in einer spannenden Partie gegen den SC Rapperswil-Jona Lakers das Ergebnis erst in den letzten zehn Minuten drehen können und einen 4:3-Sieg eingefahren.
Mittendrin Tobias Geisser, der im erwähnten Spiel 18:27 Minuten Eiszeit, davon 1:53 in Unterzahl, erhielt und zwei Torschüsse abgab. Der 21-jährige Verteidiger steht seit dem 22. März 2018 bis einschließlich der Saison 2021/22 bei den Washington Capitals unter Vertrag, die den 1,93 Meter großen Verteidiger beim NHL Draft 2017 in der vierten Runde an insgesamt 120. Position gezogen hatten.
Im Sommer 2018 wechselte Geisser über den Teich zum Farmteam der Capitals in der AHL, den Hershey Bears. 41 Spiele in der regulären Saison 2018/19 mit einem Assist als Ausbeute und sechs weitere Einsätze in den Calder Cup Playoffs (ohne Punkt) stehen für ihn zu Buche. Doch in der Saison 2019/20 war das Abenteuer Nordamerika bereits nach sieben Spielen vorübergehend beendet, denn Geisser kehrte zu seinem Heimatverein zurück.

Tobias Geisser

"Ich bin ja schon letztes Jahr im Dezember zurück nach Zug gekommen", erzählt Geisser im Telefoninterview mit NHL.com/de. "Im Endeffekt war der Grund dafür, dass ich mich hier in der Schweiz einfach besser entwickeln kann. Und im Sommer war klar, nachdem die NHL länger gespielt hat und jetzt später anfängt, dass ich gleich hier bleibe. So wurde die Ausleihe mit dem Zweck mich zu entwickeln und zu verbessern verlängert."
Es ist mittlerweile nicht ungewöhnlich, dass Spieler, die bei NHL-Teams unter Vertrag stehen, nach Europa verliehen werden, um ihnen Spielpraxis zu geben. Doch die dahinter steckenden Gründe sind häufig unterschiedlich. Bei Geisser lag es einfach daran, dass der Wettbewerb im System der Capitals sehr ausgeprägt ist.
"Hauptsächlich waren sehr viele gute Spieler da und die Konkurrenz sehr groß, so dass ich nicht so viel Eiszeit wie nötig erhalten hätte", verdeutlicht er. "Dann fehlt einfach die Spielpraxis, die man in meinem Alter braucht, um besser zu werden und Erfahrungen zu sammeln. Es war eine gemeinsame Entscheidung mit meinem Agenten und den Verantwortlichen von Washington, dass es wahrscheinlich besser ist, wenn ich in Zug regelmäßig spielen kann, was in Hershey nicht der Fall war."
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Zumal er in Zug auf viele ehemalige NHL-Spieler trifft, die beim EV oder auch den Gegnern in der starken National League aktiv sind. Sein Partner im zweiten Verteidigerpaar ist zum Beispiel Mannschaftskapitän Raphael Diaz, der von 2011 bis 2015 insgesamt 201 Spiele (8 Tore, 41 Assists) für die Montreal Canadiens, Vancouver Canucks, New York Rangers und Calgary Flames in der NHL absolvierte. In den Stanley Cup Playoffs wurde der 34-jährige Schweizer 13 Mal eingesetzt (ein Assist).
"Er hat eine unglaubliche Erfahrung und es ist sehr nützlich für mich, um mich weiter zu entwickeln und besser zu werden", schwärmt Geisser von Diaz. "Wenn ich Fragen habe, kann ich mich immer an ihn wenden. Das ist sehr hilfreich für mich, vor allem mich auch mit ihm direkt zu messen und zu sehen, was mir noch fehlt, um sein Niveau zu erreichen."
Wie ist Geisser mit seinen bisherigen Leistungen zufrieden? In acht Spielen konnte er immerhin ein Tor erzielen und musste erst einmal für zwei Minuten auf die Strafbank. "Ich hatte eine gute Vorbereitung und der Start in die Meisterschaft verlief bisher gut", sagt er. "Darauf lässt sich für mich gut aufbauen und deswegen bin ich zufrieden, wie es läuft."
Doch wie es in dieser aufgrund der COVID-19-Pandemie ungewöhnlichen Spielzeit weitergeht ist noch völlig offen. "Ich habe einen temporären Vertrag hier und sie könnten mich jederzeit abberufen, was zum Trainingscamp eventuell passieren wird", erklärt Geisser. "Aber wie genau das dann aussehen wird, weiß ich auch nicht. Es weiß ja derzeit auch niemand, wie sich alles entwickeln und weitergehen wird. Von daher heißt es abwarten."
Einer mit dem sich Geisser regelmäßig austauscht ist Jonas Siegenthaler, der sich in der abgelaufenen Saison in der Verteidigung der Capitals etabliert hat und mit dem er zukünftig ein Schweizer Verteidigerpaar in Washington bilden könnte.

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"Wir sprechen immer wieder regelmäßig miteinander", macht Geisser klar. "Es hat mich gefreut, dass er kürzlich seinen Vertrag mit den Capitals verlängern konnte. Er bereitet sich derzeit auch in der Schweiz auf die neue Saison vor. Aber auch für ihn heißt es flexibel zu bleiben, weil vieles noch unklar ist."
Geisser ist klar, dass die Zeit bis zu seinem Vertragsende im Sommer 2022 knapp werden könnte, sich in der NHL einen Namen zu machen, sollte der Spielbetrieb in dieser Saison stark verkürzt werden. Sorgen macht er sich deswegen allerdings keine.
"Ich hatte die letzten Wochen keinen Kontakt mit den Capitals", bekennt er. "Ich bin deswegen nicht auf dem aktuellen Stand, ob sie mit mir in der Vorbereitung planen und mich gerne im Farmteam sehen würden, falls in Nordamerika gespielt wird. Wir müssen hier noch nach einer Lösung suchen. Davon ist auch abhängig, wie es in der Schweiz überhaupt weitergeht. Sollte hier der Spielbetrieb unterbrochen werden, dann kann ich auch problemlos zum Trainingscamp rübergehen und würde nichts verpassen. Ich muss einfach für alles bereit sein."