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Seit fast 14 Jahren steht Thomas Greiss in einem Tor einer NHL-Mannschaft. Der heute 35-jährige Allgäuer hat nach den San Jose Sharks, Phoenix Coyotes, Pittsburgh Penguins, New York Islanders mit den Detroit Red Wings sein fünftes Team, bei dem er aktiv ist. Über 300 Spiele in der regulären Saison hat er absolviert, ob es 350 werden, steht noch in den Sternen.

"Ich will dieses Jahr abschließen und werde dann sehen wie es weitergeht", stellt er im exklusiven Interview mit NHL.com/de klar.
"Vielleicht ist es auch mein letztes Jahr." Sein Vertrag mit den Red Wings läuft noch bis zum Saisonende, danach wird sich zeigen, inwieweit die Dienste von Greiss in Detroit oder woanders in der NHL noch gefragt sein werden. Eine Rückkehr nach Deutschland schließt er jedoch definitiv aus.
"Ich werde mich auf jeden Fall mit meiner Familie in den USA niederlassen. Meine Frau kommt von hier und meine Kinder sind auch hier geboren und gehen hier in die Schule. In zwei Jahren kann ich wahrscheinlich die amerikanische Staatsbürgerschaft bekommen."
Wo er sich mit seiner Familie niederlassen wird, weiß er noch nicht so genau. "Eher Richtung Süden - Carolina oder Florida, wo es etwas wärmer ist, aber das steht noch nicht fest", sagt er.

SEA@DET: Greiss glänzt bei Sieg

Doch einstweilen konzentriert er sich nur auf das Sportliche. Eine gute Saison zu haben und wirklich nix anderes, außer der Mannschaft so gut zu helfen, wie er kann, sind seine Ziele. "Dann hoffe ich, dass wir ein anderes Team als letztes Jahr sind und einen Schritt vorwärts machen."
Im vergangenen Jahr hatte Greiss in 34 Einsätzen mit einer soliden Fangquote von 91,2 Prozent und einem Gegentorschnitt von 2,7 pro Spiel durchaus überzeugt, obwohl sich die Mannschaft im Neuaufbau befand und kaum konkurrenzfähig zeigte. In 56 Spielen wurden lediglich 19 Siege geholt.
Diese Bilanz werden die Red Wings in Kürze bereits toppen, obwohl gerade etwas mehr als ein Viertel der Saison absolviert wurde. Greiss hat jedoch in diesem Jahr erst selten zu seiner Form gefunden und muss zulegen, um an seine alten Werte anzuknüpfen. Licht und Schatten wechseln, ein Umstand, der ihn aber nicht nervös macht, auch wenn seine Zahlen letztendlich darüber entscheiden werden, ob er ein neues Angebot erhält oder nicht.

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Grundsätzlich fühlt er sich in Detroit wohl und auch ein Engagement bei einer traditionsreichen Organisation wie den Red Wings gefällt ihm.
"Eine tolle Sache, wenn man die Geschichte und die Erfolge in der Vergangenheit sieht", schwärmt er. "Dann die ganzen Meisterschaftsbanner und Trikots unter dem Dach."
Greiss ist mit Jahrgang 1986 mittlerweile der Älteste im weitgehend jungen Team der Red Wings. "Wenn man so zurückschaut, ging das auf einmal sehr schnell (lacht)", macht er deutlich. "Für mich persönlich hat sich aber nichts geändert. Ich fühle mich immer noch jung, habe genug Kraft und Spaß am Eishockey. Doch auf einmal ist man der Älteste."
Natürlich ist sein Rat aus diesem Grund gerade bei den jüngeren Spielern gefragt. "Klar versucht man immer wieder mal mit dem ein oder anderen Spieler zu reden und seine Hilfe anzubieten", betont Greiss. "Wir haben viele junge Spieler, die teilweise das erste Jahr in der NHL sind. Die schauen natürlich auf die älteren Spieler, ob die nach dem Eistraining noch in den Kraftraum gehen oder wie sie sich verhalten."
Greiss ist eher als ein ruhiger Mann bekannt. Ergreift er trotzdem auch einmal das Wort in der Kabine, wenn es nicht so läuft? "Es gibt verschiedene Möglichkeiten, wie man Vorbild sein kann", bekennt er.

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"Herumschreien sieht man mich in der Kabine nicht. Ich überzeuge lieber durch Taten als durch Worte."
Von der Art, wie Trainer Jeff Blashill die Mannschaft führt, ist er angetan, was durchaus ein Kompliment ist, nachdem er bei seinen bisherigen Stationen schon ganz andere Coaches erlebt hat. "Er ist sehr gut und detailorientiert", lobt er. "Ein sehr intelligenter Trainer, der einen guten Job macht."
Seine Arbeit zwischen den Pfosten will Greiss ebenfalls gut erledigen.
Aber auch abseits des Eises ist er sehr engagiert bei sozialen Projekten, unter anderem für Kinder mit Behinderung, Autismus-Kranke oder Service- und Blindenhunde. Die amerikanische Flagge ziert mittlerweile groß die Seite seines Helmes, doch stellvertretend für seine Wurzeln ist das bayerische Wappen auf der Rückseite ebenfalls weiter vorhanden.
"Die Maske hätte nach der letzten Saison zugunsten der Blindenhunde-Ausbildung öffentlich versteigert werden sollen", erläutert er zu einem Bild, das unter der Stars and Stripes abgebildet ist.
"Leider hat uns Corona einen Strich durch die Rechnung gemacht. Ja mei, jetzt trage ich sie halt weiter." Wie lange noch wird sich zeigen.