Manuel Wiederer

Jeden Donnerstag im Laufe der Saison 2017/18 widmet NHL.com/de einem deutschsprachigen Spieler einen speziellen Bericht. Dabei stellen wir sowohl junge Spieler, die sich einen Namen machen wollen, als auch etablierte Akteure und Teamleader ins Rampenlicht.
In dieser Ausgabe geht es um Manuel Wiederer.

Nach zwei Jahren in der QMJHL startet der Deutsche Manuel Wiederer seit Sommer 2017 in der AHL durch. Beim San Jose Barracuda, dem Farm-Team der San Jose Sharks, von denen er 2016 in der 5. Runde an insgesamt 150. Stelle gedraftet wurde. Dabei überrascht der gebürtige Deggendorfer nicht nur seine Trainer, sondern auch sich selbst. Nun träumt der 21-Jährige nicht nur von der NHL, sondern auch von der Nationalmannschaft.
Schon jetzt fühlt es sich ein wenig nach NHL an: Der Barracuda trägt seine Heimspiele im großen SAP Center, der Heimspielstätte der Sharks aus. Zwar sind die Ränge deutlich schwächer besucht, doch der Traum von der besten Liga der Welt ist dennoch allgegenwärtig - auf dem Eis, an den Wänden und sogar in der Kabine. Mit Paul Martin sitzt dort aktuell ein 859-maliger NHL-Veteran sowie mit Verteidiger Tim Heed und Danny O'Regan auch zwei Spieler, die erst Stunden zuvor vom NHL- ins AHL-Team geschickt wurden.
"Der Vorteil ist, dass beide Mannschaften in San Jose sind. Die Kabinen sind nebeneinander", berichtet Wiederer von kurzen Wegen innerhalb der Organisation. "Es ist also nur ein Anruf, ein Wort - und du bist oben oder unten. Spieler wie O'Regan oder Heed haben schon bei uns mittrainiert und waren dann am Abend in der NHL im Einsatz."

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Überraschend steile Entwicklung
Neben O'Regan und den ebenfalls vielversprechenden Letten Rudolphs Balcers stand Wiederer am Mittwochabend (Ortszeit) beim Heimspiel gegen die Tucson Roadrunners in den Starting-Six. "Da braucht man sich nicht beschweren - das ist eine gute Reihe", berichtet der Deggendorfer hinterher. Anders als in den Spielen zuvor agierte der Rechtsschütze nicht mehr als Center, sondern als Rechtsaußen. "Ich mag beides und spiele da, wo ich eingesetzt werde", so der 21-Jährige, der auch im Powerplay und in Unterzahl aufs Eis geschickt wurde. "Ich hätte vor der Saison nicht gedacht, dass ich so viel Eiszeit habe - ich spiele ja Special Teams und meistens erste oder zweite Reihe", zeigt sich Wiederer verblüfft.
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Auch seine Trainer sind vom Fortschritt des talentierten Deutschen überrascht: "Er ist als Viertreihen-Flügelspieler in die Saison gestartet und hat sich bis in die Top-Reihe vorgearbeitet, wo er mit unseren besten Spielern spielt. Als Rookie in dieser Liga ist das schwer", beschreibt AHL-Coach Roy Sommer den Werdegang Wiederers und ist voll des Lobes: "Er hat all das erfüllt, was wir von ihm erwartet haben. Mehr sogar."
Auch auf dem NHL-Radar ist Wiederer bereits aufgetaucht. Peter DeBoer, Chefcoach der Sharks, bestätigte gegenüber nhl.com/de: "Alle Berichte, die ich gelesen habe, waren gut. Ich habe ihn auch schon ein paar Mal spielen sehen. Wir haben stetigen Kontakt mit den AHL-Trainern und die sind sehr glücklich mit ihm. Sie sagen, dass er einer ihrer besten Spieler ist und einer, der sich vom ersten Tag bis heute am meisten entwickelt hat."

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"Er geht dem Gegner unter die Haut"
Der NHL-Traum ist für Wiederer also greifbar, wenn auch "noch ein Stück entfernt", wie es der Blondschopf selbst einschätzt. "Ich muss von Spiel zu Spiel besser werden. Ich bin in diesem Jahr noch ein bisschen zu inkonstant, hatte richtig gute Spiele und dann auch wieder nicht so gute. In den letzten zehn, 15 Partien wurde es besser. Ich habe einen Weg vor mir, aber der ist realistisch und ich muss weiter hart arbeiten." Ähnlich sieht es auch sein Trainer: "Er hat noch einen Weg vor sich. Er war nicht im Fokus - jetzt ist er es", sagt Sommer.
Die Vorzüge des Niederbayern liegen nicht nur in seiner Variabilität, auf die er sehr stolz ist. "Er ist ein guter Checker, ein harter Arbeiter, er geht dem Gegner unter die Haut und versteht das Spiel. Ich mag ihn als Center sogar mehr, weil er von dort das Spiel machen kann. Ich kann ihn aber überall einsetzen", zählt Sommer auf. Wiederer selbst sieht sich als "Zwei-Wege-Stürmer" und "guten Schlittschuhläufer". Besonders wichtig sei ihm, "dass man das Vertrauen vom Trainer hat und das dann auch zurückzahlt".
Der Traum von der NHL
In der laufenden Saison stehen für den 21-Jährigen 31 AHL-Spiele, vier Tore und sechs Assists zu Buche. Dazu kommen unterschiedliche Rollen und jede Menge Eiszeit in einer Liga, die der Stürmer mit der heimischen DEL vergleicht. "Der größte Unterschied ist, dass die Spieler hier jünger und talentierter sind. Auch das Tempo ist sehr hoch. Alle arbeiten hier für Plätze in der NHL." Trotz des großen Konkurrenzkampfs sei die Stimmung in der Mannschaft aber hervorragend: "Der Chemie macht das gar nichts aus", unterstreicht Wiederer. "Wir verstehen uns eigentlich alle super. Jeder freut sich für jeden."
Und so hofft der Deggendorfer auf einen Anruf aus der NHL oder sogar von Marco Sturm, dem deutschen Bundestrainer: "Längerfristig ist es mein Ziel, für die Sharks zu spielen und hoffentlich auch mal in der Nationalmannschaft", blickt der Mann mit der Rückennummer 59 voraus, der diese eher unfreiwillig trägt. "Jede Nummer wird bei den Sharks und beim Barracuda nur einmal vergeben. Wenn man mal in die NHL hochkommt und länger dort spielt, dann darf man sich die Nummer aussuchen, aber da bin ich noch nicht."
Fragt sich nur, wie lange noch.