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Während der Saison 2019/20 wird das Team von NHL.com/de jeden Samstag in der Rubrik "Writer's Room" wichtige Themen der Liga diskutieren und analysieren. In dieser Ausgabe: Die Statistiken der Liga und ihre Bedeutung.

Das Spielgeschehen in der NHL liefert uns tagtäglich viele interessante Zahlen und Statistiken. Diese dienen nicht nur zur Analyse des Gesehenen, sie bedeuten deutlich mehr für die Beteiligten.
Welcher Stürmer ist der derzeit beste? Welcher Torhüter überzeugt konstant mit tollen Leistungsnachweisen? Spieler versuchen die unterschiedlichsten Schallmauern zu durchbrechen. 50 Saisontore. 100 Scorerpunkte. Was wiegt schwerer? Ein Torhüter der 40 Saisonsiege schafft? Die Möglichkeiten einer Bewertung erscheinen endlos und führen regelmäßig zu Debatten. Die Vorlieben der Betrachter sind dabei individuell sehr unterschiedlich. Welche Statistik hat für uns ganz persönlich den größten Stellenwert. Was finden wir besonders aussagekräftig und wichtig?
Ähnliches: Luca Sbisa aus]
Hier sind die aktuellen Aussagen unserer Redakteure:
Robin Patzwaldt: Als großer Fan der Torhüterposition bin ich natürlich befangen. Für mich haben die Goalies immer schon einen großen Teil der Faszination dieses Spiels ausgemacht. Ein Shutout ist für mich das Größte, was ein Spieler auf dem Eis bewerkstelligen kann. Dementsprechend hat die Anzahl der Rettungstaten an einem Abend und der Gegentorschnitt stets meine Aufmerksamkeit. Das mag etwas untypisch sein, träumt sich die Mehrzahl der Kinder und Jugendlichen doch bestimmt in die Rolle des umjubelten Torschützen in einem alles entscheidenden Spiel. Torjäger werden dafür gefeiert, wenn sie die 40- oder 50-Tore-Marke im Laufe einer Hauptrunde durchbrechen. Ich habe mich jedoch schon als Schüler im Mannschaftssport stets eher in der Rolle des schier unüberwindlichen Torhüters gesehen und diese früher auch hin und wieder aktiv ausgeübt.
Mein erster Blick am Morgen geht somit natürlich auch heute noch, wenn ich die Ergebnisse des Spieltags in der NHL in Erfahrung bringe, auf die Leistungen und Statistiken der beteiligten Goalies. Mein erstes NHL-Idol war vor etlichen Jahren übrigens Olaf Kölzig, der bei den Washington Capitals einer der ersten großen deutschen NHL-Stars war. Ihn im Jahre 2002 einmal in St. Paul vor Ort getroffen zu haben, das ist bis heute für mich eine der schönsten Erinnerungen aus Nordamerika. Die Zahlen der Torhüter aus unterschiedlichen Zeitperioden miteinander zu vergleichen, verbietet sich aber aus meiner Sicht. Das Spiel hat sich stetig verändert. Jeder große Torhüter ist daher nur innerhalb seiner aktiven Karriere zu bewerten. Ein Vergleich mit anderen Jahrzehnten wäre nicht gerecht. Die Voraussetzungen unterliegen einem ständigen Wandel. Auch hat sich die Ausrüstung im Laufe der Zeit massiv verändert.

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Christian Treptow: Okay, ich gebe es zu: Ich stehe auf Tore. Sämtliche Trainer werden mich dafür verfluchen, aber ich kann einem gepflegten 8:7 mehr abgewinnen als einem 2:1. Von daher konzentriere ich mich bei den Statistiken auf die Torjäger- und die Scorerwertung. Die harten Onetimer eines Alex Ovechkin oder die präzisen Schüsse in den Winkel von David Pastrnak sind einfach klasse. Und daher hat auch die 50-Tore-Marke eine besondere Bedeutung. 82 Spiele gibt's in der regulären Saison in der NHL. Die Torjäger haben also an 82 Abenden die Gelegenheit, zu treffen. Das ist in der modernen NHL schwierig genug. Die Torhüter werden immer besser und athletischer. Die Trainer entwickeln Spielsysteme, um die besten Sturmreihen der Gegner zu neutralisieren. Und die Verteidiger werden ebenfalls immer mobiler und kennen dank modernster Videoanalyse die Bewegungsabläufe ihrer Kontrahenten aus dem Effeff. 50 Tore in einer Saison, das bedeutet, dass der Spieler öfter als in jedem zweiten Spiel getroffen hat. Das ist aus meiner Sicht eine phänomenale Leistung, weil es zeigt, dass ein Spieler im Laufe einer Saison konstant gute Leistungen gezeigt hat. Ich gebe Robin Recht.
Die einzigen Zeitabschnitte in der NHL sind auch beim Scoring nicht zu vergleichen. Interessant wäre, ob Wayne Gretzky auch gegen Verteidiger wie Alex Pietrangelo, Zdeno Chara oder Victor Hedman solche Statistiken angehäuft hätte. Natürlich schaue ich auch auf andere Statistiken. Und bei aller Liebe zum Scoring - auch ich weiß einen Shutout zu schätzen. Und wenn ein Keeper in einer Saison einen Gegentorschnitt von unter zwei hat, dann ist das ebenfalls eine Leistung, die Hochachtung verdient. Einen Extrablick werfe ich übrigens noch auf die Meilensteine, die erreicht werden können. Vor der Saison rechne ich gerne hoch, wer aus der modernen NHL einen der Helden von einst überholen kann. Egal, ob Feldspieler oder Torhüter.
Christian Rupp: Auch ich halte viel von Torhüter-Statistiken. Mein Lieblingswert ist hier die Fangquote, da diese die individuelle Leistung der Goalies am besten und unabhängiger vom Auftreten der Vorderleute widerspiegelt. Gerade aus deutscher Sicht sind Torwart-Zahlen aktuell besonders sexy: Sowohl Thomas Greiss bei den New York Islanders (93,1 Prozent Fangquote) als auch Philipp Grubauer von den Colorado Avalanche (91,6 Prozent) zählen für mich zu den besten Keepern in der Liga. Zu den wichtigsten Daten zählen natürlich auch Tore und Scorerpunkte. Umso beeindruckender, dass mit Leon Draisaitl ein weiterer Deutscher hier ganz vorne mitwirkt: In der Saison 2018/19 war der Kölner der zweitbeste Torjäger (50 Treffer) - in der laufenden Spielzeit 2019/20 führt er die Scorer-Wertung mit Teamkollege Connor McDavid an (53 bzw. 52).

LAK@EDM: Draisaitl trifft im PP von Doughtys Schuh

Die aus meiner Sicht am meisten unterschätzte Statistik im Eishockey ist allerdings die Zahl der geblockten Schüsse. Jeder Block bedeutet, dass Torgefahr verhindert wurde und der eigene Torwart nicht arbeiten musste. Gleichzeitig wird jeder geblockte Schuss meist mit großen Schmerzen teuer bezahlt. Umso heldenhafter sind hohe Zahlen in diesem Bereich, die aus meiner Sicht nicht genug wertgeschätzt und beachtet werden. In der Vorsaison verbuchte Andy Greene stolze 208 Blocks in der Hauptrunde. Alex Pietrangelo vom späteren Champion St. Louis Blues sowie Brent Burns vom West-Finalisten San Jose Sharks lagen in den Playoffs mit jeweils 48 Blocks ganz vorne. In der laufenden Spielzeit führt Oscar Klefbom von den Edmonton Oilers diese Statistik mit bereits 101 geblockten Schüssen an.
Stefan Herget: Jede individuelle Statistik ist problembehaftet, denn Eishockey ist ein Mannschaftssport und daher ist jeder Spieler stark von seinen Mitspielern abhängig. Überhaupt werden die Statistiken gerade in Nordamerika häufig überstrapaziert, alles wird bis ins kleinste Detail analysiert und ausgefiltert. Was ich interessant finde ist, dass in Zukunft durch das automatische Spieler- und Pucktracking, das die NHL zu den Stanley Cup Playoffs einführen wird, es mehr Möglichkeiten zu Auswertungen geben wird, die meiner Meinung nach Sinn machen. Dann werden Laufwege und Distanz einzelner Spieler gemessen, wie scharf und präzise Schüsse sind und vieles mehr. Das finde ich wiederum interessant.
Alexander Gammel: Als jemand, der schon von Kindesbeinen an eine Begeisterung und ein gewisses Talent für Mathematik und Zahlenspielereien hatte, liebe ich es Statistiken bis ins kleinste Detail zu zerlegen und zu analysieren. In dieser Saison achte ich mehr denn je wie Robin auf die Torhüter. Allerdings nicht, weil ich unbedingt seine Begeisterung für die Position teile, da halte ich es eher mit der einleitenden Aussage des Kollegen Treptow: Lieber ein spektakuläres 8:7, als ein taktisch beeindruckendes 2:1. Darum freut mich umso mehr, dass wir die torreichste Saison seit langem erleben. Genau das ist aber der Grund dafür, dass mich etwa die 1,97 Gegentore pro Spiel von Darcy Kuemper, dem Torhüter der Arizona Coyotes, besonders beeindrucken, oder dass die Boston Bruins mit Tuukka Rask und Jaroslav Halak gleich zwei Torhüter mit rund 93 Prozent Fangquote ins Feld schicken.
Das gesagt, sind die Leistungen der Spitzenstürmer in dieser Saison natürlich absolut sensationell und ich wünsche mir, dass die Stars in der Offensive in diesem Tempo weitermachen. Ein Punkt, der mich in diesem Bereich besonders fasziniert, wurde hier noch nicht genannt. Trotz des Trends zu jüngeren Spielern und schnellerer Spielweise stellen einige der älteren Spieler weiterhin mit die besten Zahlen der Liga und lassen sich offensichtlich von nichts bremsen. Der 34-jährige Alex Ovechkin ist mit 20 Treffern der zweitbeste Torschütze, und Patrick Kane und Brad Marchand sind mit 31 Jahren unter den besten Scorern der Liga und steuern auf persönliche Rekorde an Punkten in einer Saison zu.

FLA@WSH: Ovechkin zieht rasch ab und trifft

Christian Göbel: Ich bin beim Thema Statistiken hin und her gerissen. Auf der einen Seite sehe ich es wie Stefan. Die übermäßige Nutzung von Zahlen der Vergangenheit ist nur teilweise sinnvoll. Es ergeben sich schöne und interessante Geschichten, doch die Aussagekraft im Teamsport Eishockey ist begrenzt. Viele auf dem Papier gute Einzelspieler machen noch keine Meistermannschaft. Beispiele dafür gibt es genügend. Auf der anderen Seite ist es spannend generelle Entwicklungen zu betrachten und zu sehen, ob die Meilensteine der Vergangenheit jemals wieder erreicht werden.
Ich blicke hierbei weniger auf Zielwerte wie 50 Tore in einer Saison oder weniger als zwei Gegentreffer im Schnitt. Mehr stellt sich mir die Frage, ob jemals die 92-Tore-Bestmarke von Wayne Gretzky (1981/82) geknackt wird oder ob es einem Goalie irgendwann gelingen kann, den 0,92-Gegentorrekord von George Hainsworth (1928/29) zu brechen. Bei beiden Marken sieht es nicht so aus, also sollte ich wohl doch eher realistische Hoffnungen in den Vordergrund stellen. Hier kommt wieder das, von Stefan schon erwähnte, Spieler- und Pucktracking-System in den Vordergrund. Viele neue Statistiken und Möglichkeiten neue Rekorde für die Ewigkeit zu setzen.