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Die Boston Bruins haben ihren Saisonauftakt 2018/19 nicht vergessen. Am 3. Oktober 2018, also genau vier Monate vor ihrer Begegnung mit den Washington Capitals am Sonntag, starteten sie an selber Stelle, der Capital One Arena der US-amerikanischen Hauptstadt, in die neue Spielzeit. 7:0 hieß es am Ende für den Titelverteidiger, der vor Spielbeginn sein Stanley Cup Banner unter das Hallendach gehievt hatte. Es war eine bittere Erfahrung für Boston.

"Ich denke, wir ließen Kampfgeist vermissen", sagte Bruins-Trainer Bruce Cassidy damals in der Analyse. "Es ist das erste Spiel. Die Jungs sollten hungriger sein. Wir waren eindeutig nicht bereit und das war der Anfang vom Ende."
Am 3. Februar 2019 sah das etwas anders aus. Die Bruins traten, trotz zuletzt drei Niederlagen in Serie und nur einem Sieg aus ihren letzten sechs Auftritten (1-2-3) selbstbewusst, einsatzbereit und mit viel Willen auf. Es schien fast so, als wollten sie allen zeigen, dass sie es besser können.

BOS@WSH: Krejci nimmt Krugs Vorlage direkt ab

Das bezog sich aber nicht nur auf das Spiel von Anfang Oktober, sondern Cassidy hatte vergangene Woche seine Mannschaft dafür kritisiert, dass er die richtige Einstellung vermisse und gerade von der Defensive in zweierlei Hinsicht ein anderes Auftreten erwarte. Sie müssten einerseits kompakter stehen, aber andererseits in der Offensive präsenter sein, um Secondary Scoring zu ermöglichen, sprich zur Unterstützung der zweiten, dritten und vierten Sturmreihe mehr Druck von der Blauen Linie entfachen.
Besonders für die Kompaktheit der Verteidigung war der 1:0-Sieg gegen die Capitals ein Beweis. Neben den New Jersey Devils (6:0 am 11.10.18) und den New York Islanders (2:0 am 18.1.19) schafften es die Bruins als erst dritte Mannschaft in dieser Saison, die offensivstarken Capitals leer ausgehen zu lassen. Mit 175 erzielten Treffern in 52 Spielen besitzen die Capitals den siebtbesten Sturm der NHL, und die Gefährlichkeit eines Alex Ovechkin, T.J. Oshie oder Evgeni Kuznetsov sind hinlänglich bekannt.

BOS@WSH: Rask verhindert ein Tor bei Ovechkins Konter

"Heute war es unglaublich, sie haben die richtige Antwort gefunden", freute sich Cassidy, dass seine zuletzt geäußerte Kritik fruchtete. "Wir haben sehr viel Charakter in der Gruppe. Sie haben verstanden, dass es mental schlecht ist, spät im Drittel Konter oder schnelle Gegentore zuzulassen, nachdem du selbst getroffen hast. Sie wussten das selbst, weil sie lange genug im Geschäft sind, aber gelegentlich muss der Trainer das ansprechen und sie haben die Nachricht verstanden und gut geantwortet. Du gewinnst nicht jeden Abend, aber wenn du mit einer guten Defensive spielst, dann kannst du einiges übertünchen. Ich bin überzeugt, dass die Offensive davon profitiert. Das glaube ich wirklich."

Beeindruckend war darüber hinaus, dass sich die Bruins nicht nur auf ihren starken Torhüter Tuukka Rask verlassen mussten, da sie die Anzahl der auf seinen Kasten angekommenen Torschüsse lange Zeit überschaubar hielten. In den ersten zwei Dritteln musste Rask lediglich 13 Mal rettend eingreifen, alle anderen Versuche wurden von seinen Vorderleuten geblockt oder die Schützen verfehlten ihr Ziel.
Nachdem Boston ab der 31. Minute durch das Tor von David Krejci in Führung lag, intensivierten die Hausherren im Schlussabschnitt ihre Bemühungen den Ausgleich wiederherzustellen. Doch Rask verbuchte weitere elf Saves und rettete einige Male mit Glück und Geschick. Am Ende stand sein zweiter Saison-Shutout, der 43. seiner NHL-Karriere. Durch den 253. Sieg seiner Laufbahn überholte der Finne Tiny Thompson als Bruins-Torhüter mit den meisten Siegen in ihrer Franchisegeschichte.
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"Ich genieße es, ohne Frage, aber es ändert wirklich nichts an meiner Einstellung in dieser Saison oder danach", betonte Rask. "Es steht nur dein Name in den Geschichtsbüchern, das ist alles. Und dann kommt irgendjemand irgendwann und bricht ihn, von daher kann ich hoffentlich noch ein paar Siege draufpacken und es ihm schwerer machen."
Cassidy war ebenfalls begeistert vom Auftritt seines Stammtorhüters: "Er hat seit Jahren für die Bruins-Organisation eine großartige Arbeit abgeliefert und seine Performance heute war exzellent. Er hatte alles unter Kontrolle und wir konnten bis zum Ende alles vor ihm wegräumen. Wenn nicht, dann war er zur Stelle."
Am Ende fuhren die Bruins ihren ersten Sieg über Washington seit dem 29. März 2014 ein. In dieser Zeitspanne hatten sie elf Aufeinandertreffen nach regulärer Spielzeit und drei weitere in der Verlängerung verloren.
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"Es gibt uns definitiv ein bisschen Selbstvertrauen, dass wir ihnen endlich Paroli bieten konnten", freute sich Verteidiger Torey Krug. "Wir haben viele Male gut gegen sie gespielt, aber nicht jenes Ergebnis erzielt, das wir uns vorgestellt hatten. Es ist schön, es wieder geschafft zu haben."
Wie gegensätzlich die Stimmung am Sonntag im Vergleich zu der von vor vier Monaten war, verdeutlicht ein Zitat von Rask vom 3. Oktober: "Ich möchte gar nicht über den Auftritt des gesamten Teams sprechen. Schaut mich an. Ich bin da draußen, um uns eine Chance zu erhalten, damit wir gewinnen, und das war heute nicht der Fall. Ich habe drei leichte Gegentore kassiert. Da muss ich in den Spiegel schauen und mir an die eigene Nase fassen."
Das hat Rask getan: Er liegt mittlerweile mit einem Gegentorschnitt von 2,35 auf dem dritten Platz unter den Torhütern, die mindestens 20 Einsätze vorweisen. Seine Fangquote von 92,2 Prozent kann sich genauso sehen lassen. Und es ist zu vermuten, dass die Bruins auch in Zukunft weiterhin defensiv häufiger überzeugen werden als versagen.