BluesCup

Während der Saison 2019/20 wird das Team von NHL.com/de jeden Samstag in der Rubrik "Writer's Room" wichtige Themen der Liga diskutieren und analysieren. In dieser Ausgabe: Erste Trends und Favoriten.

Alle 31 Teams der NHL haben in diesen Tagen um die 20 Hauptrundenspiele mehr oder weniger erfolgreich hinter sich gebracht. Höchste Zeit für ein erstes Zwischenfazit. Welche Teams haben uns überrascht, wer ist nach den ersten Eindrücken der Favorit auf den Gewinn des Stanley Cups 2020? Welche Trends lassen sich ausmachen, was beschäftigt unsere Redakteure? Genau darüber haben wir in dieser Woche einmal diskutiert:
Ähnliches: [Hockey Hall of Fame ehrt großartige Karrieren]
Christian Göbel: Was fällt diese Saison besonders auf? Die Anzahl an Treffern ist enorm. Durchschnittlich fallen pro Partie und Team 3,03 Treffer und damit so viele wie seit 1995/96 (3,14) nicht mehr. Die offensive Ausrichtung der Teams beschreibt einen neuen Spielstil. Während sich das Spiel in den vergangenen 20 Jahren stark in die Richtung "Tore vermeiden" gewandelt hat, ist jetzt wieder eine Trendwende zu erkennen. Den Tampa Bay Lightning gelangen in der Vorsaison 325 Tore in 82 Partien, was einen Durchschnitt von 3,96 bedeutet. Zwar kann bislang kein Team diesen Wert erreichen, doch mit den Washington Capitals, Nashville Predators, Colorado Avalanche, Boston Bruins, Florida Panthers, Montreal Canadiens und erneut Tampa Bay treffen sieben Teams mehr als 3,5 Mal pro Begegnung. Es ist klar erkennbar, dass der Trend in der Liga zu mehr Offensive geht. Entsprechend scheint es, dass viele Mannschaften die Top-Mannschaft der vergangenen regulären Saison, die Lightning, kopieren. Ob das der richtige Weg ist darf zumindest angezweifelt werden, gewannen am Ende doch die St. Louis Blues mit einer wenige Chancen erlaubenden Defensive den Stanley Cup. Die Favoriten dürften die Teams sein, die eine gesunde Mischung zwischen Angriff und Verteidigung finden, wie Boston, Washington und die Colorado Avalanche.

NYR@TBL: Lightning mit gleich vier Treffern im 1.

Robin Patzwaldt: Jetzt, wo alle Teams um die 20 Spiele absolviert haben, mögen die Tabellen langsam an Aussagekraft gewinnen. Ich tue mich aber schwer aufgrund dieser relativ wenigen absolvierten Begegnungen schon neue, markante Trends und Entwicklungen auszumachen. So etwas bedarf meiner Meinung nach immer eines etwas längeren Zeitraums. Ich habe festgestellt, dass die Liga wieder recht abwechslungsreich daherkommt. Teams, die im Vorjahr noch dominant aufgetreten sind, haben noch nicht wieder ganz die alte Klasse. Hier denke ich in erster Linie an die Tampa Bay Lightning, die im Vorjahr echte Überflieger waren, bis sie dann in den Playoffs im Frühjahr das überraschend frühe Aus ereilte. Zwar lief es für das Team in den vergangenen Tagen mit drei Siegen in Serie wieder gut, doch haben sie bis zur Form des Vorjahres noch etwas Luft. Positiv überrascht hat mich bisher das Auftreten der St. Louis Blues. Von einer Leistungsdelle nach der gewonnenen Meisterschaft ist dort nicht viel zu erkennen. Ganz im Gegenteil, die Mannschaft liegt aktuell weit besser als im Vorjahr, wo man ja erst auf den letzten Drücker zur Top-Form auflief und einen schwachen Saisonstart auf beeindruckende Art und Weise korrigieren konnte. Herausragend in den ersten Wochen der Saison fand ich die Erfolgsserien der Washington Capitals und New York Islanders, die beide jeweils in zwölf aufeinander folgenden Spielen Punkten konnten. Gerade für die von mir mit viel Sympathie begleiteten Islanders freut mich das sehr. Es ist wirklich beachtlich, wie sehr Barry Trotz als Trainer das Team der 'Namenlosen' weiterentwickeln konnte. Der Abgang von John Tavares im Sommer 2018 wurde viel besser verkraftet, als das die große Mehrheit der Beobachter seinerzeit wohl erwartet hätte, ist inzwischen fast vergessen. In Sachen Stanley Cup-Favoriten tue ich mich immer schwer. Die Vergangenheit hat gezeigt, dass es in den Playoffs regelmäßig große Überraschungen gibt, eine herausragende Hauptrunde dann gerne einmal entwertet wird. Wie grausam das Sport-Schicksal von Zeit zu Zeit zuschlagen kann, das haben uns die Lightning ja erst kürzlich gezeigt, als sie nach ihrer sensationellen Spielzeit direkt mit 0:4 gegen die Blue Jackets scheiterten, als es im April richtig ernst wurde. Gehe ich nach meinen ersten Eindrücken, würde ich die Washington Capitals in dieser Spielzeit sehr ernst nehmen. Das Team hat offenkundig noch immer die Klasse für eine Meisterschaft und durch den Titel in 2018 inzwischen auch die Routine in der KO-Runde zu bestehen.

TOR@NYI: Tavares nutzt springenden Puck

Alexander Gammel: Der Trend zur Offensive ist eine Fortsetzung der vergangenen vier Jahre. Der Torschnitt erreichte 2015/16 mit 2,71 Toren pro Spiel den tiefsten Punkt seit der Saison 2003/04. Seitdem geht es Jahr für Jahr bergauf. Die Tabelle zeigt aber, dass man diesem Trend nicht um jeden Preis folgen darf. Die Toronto Maple Leafs, New York Rangers und Nashville Predators sind alle unter den zehn besten Offensiven der NHL nach Toren pro Spiel, aber keines der drei Teams belegt einen Playoff-Platz. Die neun besten Defensiven stehen hingegen allesamt mindestens auf einem Wildcard-Platz. Interessant ist auch die Art und Weise, wie die Teams zu ihren Toren kommen. Die Predators etwa, haben die drittmeisten Tore der Liga, ihr bester Scorer, Verteidiger Roman Josi, liegt mit 18 Punkten (fünf Tore, 13 Assists) im ligaweiten Vergleich aber nur auf Platz 37. Das zeigt, wie ausgeglichen die Beiträge in der Offensive auf das ganze Team verteilt sind. Das extreme Gegenteil sind die Edmonton Oilers, deren Leon Draisaitl mit 41 Punkten (15 Tore, 26 Assists) und Connor McDavid mit 37 Punkten (14 Tore, 23 Assists) die Liga anführen. Der Vorteil für die Oilers ist, dass solch ein Duo jederzeit ein Spiel im Alleingang gewinnen kann. Allerdings stehen sie vor gewaltigen Problemen, wenn sich einer der beiden verletzt, schlicht nicht in Form ist, oder doch ausnahmsweise einmal von der gegnerischen Abwehr matt gestellt wird. Eine Verteilung wie bei den Predators, Blues, oder Penguins erlaubt mehr Flexibilität und macht das Team weniger von Einzelspielern abhängig. Deshalb zweifele ich auch daran, dass die Oilers am Ende der regulären Saison den Spitzenplatz belegen werden, den sie in der Pacific Division aktuell halten und weit in die Playoffs vordringen werden. Ausgeglichener besetzte Teams, wie die drei eben genannten, haben langfristig einen klaren Vorteil, besonders am Ende einer Saison mit 82 Spielen.

COL@EDM: McDavid verleiht den Oilers viel Schwung