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In der Rubrik "Person of Interest" widmet NHL.com/de jeden Dienstag einem Spieler oder einer anderen Persönlichkeit aus der NHL- und Eishockey-Familie eine Story abseits des aktuellen Tagesgeschehens.
In dieser Ausgabe: Christian Wohlwend (Trainer der Schweizer U20-Junioren)

Während Weihnachten viele Menschen mit ihren Familien verbringen, ist Christian Wohlwend zu dieser Zeit auf der Welt, meist in Nordamerika, mit Jugendlichen unterwegs und stellt sich mit seiner jungen Mannschaft als Trainer dem Wettbewerb bei der IIHF U20-Junioren-Weltmeisterschaft, die traditionell am zweiten Weihnachtfeiertag beginnt.
Der bald 42-jährige, am 4. Januar 1977 in Montreal, Quebec geborene Schweiz-Kanadier steht bei der ältesten Junioren-Mannschaft der Eidgenossen seit dem Jahr 2016 hauptverantwortlich hinter der Bande, nachdem er zuvor bei Juniorenturnieren schon mehrmals als Assistent mitgearbeitet hatte.
Auch beim überraschenden Gewinn der Silbermedaille der Schweizer Herren-Nationalmannschaft bei der IIHF Weltmeisterschaft im Mai 2018 und dem äußerst knappen Vorbeischrammen am Weltmeistertitel durch eine Niederlage im Finale gegen Schweden im Penaltyschießen, war Wohlwend als Assistent von Patrick Fischer dabei. Er verfügt schon über mehr als ein Jahrzehnt Erfahrung als Trainer, nachdem er seine aktive Spielerkarriere früh beendete.
Bei der U20, die bei diesem WM-Turnier am Mittwoch das Auftaktspiel gegen Tschechien bestreitet, fühlt sich Wohlwend sichtlich wohl und hat seinen Anteil, dass die Junioren der Schweiz seit 2010 dauerhaft erstklassig sind, während Deutschland immer wieder ab- und aufgestiegen ist. Doch mehr noch, denn vor zwei Jahren bei der WM 2017 in Montreal und Toronto waren die Schweizer Junioren nur denkbar knapp am Halbfinale gescheitert.
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"Wir haben damals vor der WM gegen Kanada und USA nur sehr knapp verloren und da sind wir gleich ganz anders ins Turnier gegangen", erzählt ein sichtlich gut aufgelegter Wohlwend im exklusiven Interview mit NHL.com/de. "Wir wussten, 'wow, wir sind genauso gut wie alle anderen'. Im Viertelfinale haben wir gegen die USA (dem späteren Weltmeister) nur mit 3:2 verloren, aber wir waren auf Augenhöhe, wenn nicht besser. Es war so knapp, aber wir hatten leider wieder verloren."
Eine Halbfinalteilnahme, wie es die Schweizer schon nach dem Aufstieg bei der WM 2010 schafften, als sie Russland im Viertelfinale sensationell mit 3:2 nach Verlängerung bezwangen, wäre das, was reizen würde oder vielleicht auch eine Medaille, die damals durch zwei klare Niederlagen im Halbfinale gegen Kanada mit 6:1 und im Spiel um Bronze gegen Schweden mit 11:4 verpasst wurde.
"Zunächst ist wichtig in der Vorrunde gegen Dänemark zu gewinnen und den einen oder anderen Punkt gegen eine Topnation, dann kannst du im Viertelfinale angreifen", sagt Wohlwend sehr realistisch. "Wir haben dieses Jahr 13 Spieler, die letztes Jahr schon dabei waren und jetzt ein Jahr älter sind. Das macht gerade in diesem Alter sehr viel aus. Aus Jungs werden dann schnell Männer. Die Dänen sind nicht mehr so stark, weil einige gute Spieler bei ihnen weg sind, die beim Aufstieg dabei waren, aber trotzdem darfst du sie nicht unterschätzen."
Wohlwend verdeutlicht, dass es trotzdem einen großen Unterschied zwischen den Topnationen und der Schweiz und Deutschland gäbe. So wären beide darauf angewiesen auch auf einige Spieler der jüngeren Jahrgänge zurückzugreifen, während die USA und Kanada in der Regel nur ältere Jahrgänge auflaufen lassen können. "Sie haben so eine große Auswahl an Spieler, davon können wir oder die Deutschen nur träumen", schildert er. "Sie haben vielleicht mal wenn überhaupt zwei oder drei Spieler aus dem jüngeren Jahrgang dabei und dann müssen das schon Ausnahmetalente sein, oder?"

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Gerade im Alter von 18 oder 19 Jahren gäbe es Riesenunterschiede, wie aus seiner langjährigen Erfahrung wisse. "Die Entwicklung in einem Jahr ist unglaublich und das in allen Bereichen, sei es im taktischen oder mentalen und nicht zu vergessen der körperlichen Ausprägung", ist sich Wohlwend sicher. "Wir sind halt sehr jahrgangsabhängig. Das ist das Problem, aber gleichzeitig die Herausforderung."
So war er im vergangenen Jahr froh, dass die Relegation durch ein knappes 3:2 in der Vorrunde gegen Weißrussland vermieden werden konnte. "Wir haben in der Vorbereitung gegen Kanada gespielt und 8:2 verloren", erinnert er sich. "Wir hatten nicht den Hauch einer Chance und hätten auch gerne 15:2 verlieren können. Im Viertelfinale war es nicht anders." Wieder war das Endergebnis 8:2. "Trotzdem hatten wir ein gutes Turnier gespielt, denn in allen Spielen der Vorrunde lagen wir gegen die Großen nach 40 Minuten nur mit einem Tor zurück und hatten zehn Minuten vor dem Ende noch Chancen auf den Punktgewinn. Und das mit unserer jungen Mannschaft."
Das macht ihm Hoffnung für dieses Jahr, auch wenn er zugibt, dass es schwer einzuschätzen sei, wie stark sein Team wirklich sei, bis die Testspiele gelaufen seien. In diesem Jahr soll es mit der gewonnen Erfahrung und mehr Reife im Team besser laufen, wie auch die Ergebnisse in den Testspielen zeigten. Dort waren die Schweizer den Kanadiern (3:5) und Russen (1:4) knapp unterlegen und besiegten Aufsteiger Kasachstan mit 4:1.
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Wohlwend hat ein durchaus besonderes Erfolgsrezept: "Wir haben zwei Wochen Vorbereitung gehabt und alle wichtigen Abläufe und Taktiken einstudiert. Den Fokus müssen wir auf alle Bereiche legen. Aber das Wichtigste für mich ist, dass die Mannschaft spürt, dass sie in jedem Spiel, auch gegen die Topnationen, eine Chance hat und gewinnen kann."
Vorfreude verspürt Wohlwend schon heute auf ein Wiedersehen mit Deutschland nach deren Aufstieg in die Top-Gruppe der Weltmeisterschaft im nächsten Jahr, nachdem er kürzlich seinen Vertrag verlängerte. "Ich habe mich sehr gefreut für die Deutschen, dass sie aufgestiegen sind und (Trainer) Christian (Künast) ist ein Supertyp", erzählt er. "Wir haben gegen sie zweimal in der Vorbereitung im Juli und November gespielt und sie haben eine gute Mannschaft mit guten Einzelspielern, wie Dominik Bokk und Leon Gawanke. Sie haben von der kämpferischen Seite ein starkes Kollektiv und wenn einzelne Talente dazukommen, dann ist immer mit ihnen zu rechnen."
Doch zunächst liegt der Fokus auf das kommende Turnier und dort will die Schweiz wie häufiger in den vergangenen Jahren zeigen, dass sie zur Weltklasse im Eishockey aufgeschlossen haben. Eine Medaille zu gewinnen wäre ein Traum und Träume sind nie verboten, werden sogar manchmal wahr.