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Jeden Donnerstag während der Saison 2018/19 wird NHL.com/de in der Rubrik "Tete-a-Tete" ein exklusives Interview mit Spielern oder Persönlichkeiten der NHL zu Themen auf und abseits des Eises präsentieren.
In dieser Ausgabe: Marco Sturm, Co-Trainer der Los Angeles Kings.

Der größte Triumph im deutschen Eishockey jährte sich Anfang dieser Woche erstmalig: Am 25. Februar 2018 gewann die deutsche Nationalmannschaft die Silber-Medaille bei den Olympischen Spielen in Pyeongchang. Im großen Finale unterlag die DEB-Auswahl denkbar knapp den Olympischen Athleten aus Russland mit 3:4 n.V. Zuvor hatte Deutschland, die Eishockey-Nationen Schweden im Viertelfinale (4:3 n.V.) sowie Kanada im Halbfinale (4:3) ausgeschaltet und für weltweites Aufsehen gesorgt.
Vater des Erfolgs war Bundestrainer Marco Sturm. Der ehemalige NHL-Stürmer (938 Spiele, 242 Tore, 245 Assists, 487 Scorerpunkte) hatte die Nationalmannschaft zuvor als Trainer-Novize übernommen und zur Sensation geführt. Dieses Eishockey-Wunder blieb auch in der NHL nicht unentdeckt: Die Los Angeles Kings installierten den 40-jährigen Dingolfinger im November 2018 als Co-Trainer. Für Sturm ging damit ein Traum in Erfüllung, wie er im Interview mit NHL.com/de verriet.
Marco, seit November bist du Assistenz-Coach in Los Angeles - wie fällt deine Bilanz aus?
Ganz gut. Wir waren ganz unten im Tabellenkeller und haben ein paar Sachen geändert. In den letzten zwei, drei Wochen spielen wir viel besser und nehmen auch sehr viele Punkte mit. Wir denken jetzt von Spiel zu Spiel und schauen, was dabei herauskommt. Es war und ist keine leichte Aufgabe, aber sie macht mir Riesenspaß. Es ist genau das, was ich immer wollte: Jetzt bin ich hier.
Ähnliches: [Tete-a-Tete: Marco Sturm\]
Was genau ist deine Aufgabe als Co-Trainer?
Die Rollen sind klar aufgeteilt. Ich bin jetzt für die Verteidigung zuständig, für die ganze Gruppe im defensiven Bereich im Fünf-gegen-fünf und für das gesamte Powerplay.
Du selbst warst als aktiver NHL-Profi Stürmer. Wie kommt es, dass du nun für die Verteidiger verantwortlich bist?
Als ich nach L.A. gekommen bin, war geplant, dass ich mich um die Stürmer kümmern werde. Mein Chef (Head Coach Willie Desjardins, d. Aut.) hat dann nach einigen Wochen anders entschieden, und deswegen bin ich jetzt auch für mich zum ersten Mal für die Verteidiger zuständig.

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Was konntest du von deinem Engagement als Bundestrainer für den Job in der NHL mitnehmen?
Das gibt es so vieles. Bundestrainer war mein erstes Amt als Coach, von daher habe ich viel gelernt. Am meisten, speziell bei Olympia, wie wichtig der Zusammenhalt ist und was man erreichen kann, wenn sich jeder einzelne Spieler und auch der Trainer an die Regeln hält.
Inwiefern hat Olympia-Silber dabei geholfen, in der NHL Fuß zu fassen?
Genau das hat mir definitiv geholfen. Es war aber nicht nur ich, es waren auch meine Spieler, die Jungs auf dem Eis, die täglich für diesen Erfolg gearbeitet haben. Es war kein Zufall: Wir haben gemeinsam etwas Besonderes geschafft. Sie haben mir die Möglichkeit gegeben, dass ich jetzt hier sein kann.
Ähnliches: [Gocs NHL-Kolumne\]
Der Zusammenhalt war der große Trumpf der deutschen Nationalmannschaft bei den Olympischen Spielen. Ist Teamgeist auch trainierbar?
Ich bin schon der Meinung. Sicher ist es sehr schwierig. Bei Olympia oder der Nationalmannschaft ist man immer nur eine kurze Zeit zusammen, jetzt ist es ein längerer Zeitraum, die Herausforderung ist also ein bisschen größer. Man kann jeden fragen, der schon einmal den Stanley Cup gewonnen hat, warum man ihn gewonnen hat - und da sagt fast jeder dasselbe…
Mit welchen Olympia-Helden stehst du noch in Kontakt?
Mit Spielern eigentlich weniger, aber ich bin immer noch mit dem DEB, den anderen Trainern und dem Stab verbunden.
Ist der Kontakt zu den deutschen NHL-Spielern wieder enger geworden?
Eigentlich nur bei Spielen. Da trifft man sich vor oder nach dem Spiel kurz, redet über Eishockey, Privates und ein paar Kleinigkeiten. Dann geht es auch schon wieder weiter. Wir Deutschen versuchen schon immer, dass wir es schaffen, uns wenigstens fünf oder zehn Minuten zu unterhalten.
Mit 29 NHL-Treffern in einer Saison warst du lange der deutsche Rekordhalter. Diese Anzahl hat Leon Draisaitl in der laufenden Spielzeit bereits überboten. Wie hast du das aufgenommen?
Wenn dieser Rekord geblieben wäre, dann hätte mich das gewundert. Der Leon ist ein überragender Spieler, der es immer wieder schafft, seine Leistung abzurufen. Es ist schön, dass er mit den Toren so weit oben steht. Er ist etwas Besonderes, und das zeigt er täglich.
Was ist in dieser Saison noch für die Kings drin?
Es ist noch alles drin. Aber wenn man einmal unten drinsteht, dann wird es schwierig, weil auch die anderen Teams nicht schlafen. Es sind sehr viele gute Mannschaften, und es ist schwierig, egal gegen wen, zu gewinnen. Aber trotzdem: Wir müssen abwarten, täglich weiterarbeiten und positiv bleiben.
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Was ist dein persönliches Ziel? Kannst du dir auch vorstellen, in einem anderen Amt in der NHL tätig zu sein?
Ich wollte immer in eine NHL-Organisation kommen, was gar nicht so leicht ist, speziell als Europäer, und das bin ich jetzt. Mein Vertrag läuft zwei, drei Jahre und ich hoffe, dass ich hier Erfolg haben werde. Was danach ist? Keine Ahnung! Dieses Geschäft ist verrückt. Es passiert immer etwas Besonderes. Ich habe früher gesagt, ich werde nie Trainer - und dann war ich Bundestrainer. Man kann es nie wissen…
Solltet die Kings die Playoffs verpassen, könnte es sein, dass wir dich bei der Weltmeisterschaft hinter der Bande als Assistent vom neuen Bundestrainer Toni Söderholm sehen?
(lacht) Nein, auf gar keinen Fall. Toni weiß, dass ich ihm jederzeit mit Rat und Tat zur Seite stehe, aber das sollten wir nicht tun und wäre das vollkommen falsche Zeichen.