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Sechs Minuten, 57 Sekunden - so viel Zeit verbringen die Spieler der St. Louis Blues in den Playoffs 2019 durchschnittlich auf der Strafbank. Das ist der drittbeste Wert in der Endrunde. Disziplinierter sind nur noch die Toronto Maple Leafs, für die schon lange Schluss ist in Sachen Stanley Cup, und die Boston Bruins. Sechs Minuten und 45 Sekunden sitzen die Bruins im Schnitt auf dem Sünderbänkchen.

Es ist gemeinhin eine der ältesten Weisheiten im Eishockey, dass auf der Strafbank keine Spiele gewonnen werden. Die Spieler, vor allem die Unterzahl-Spezialisten, brauchen mehr Kraft. Die fehlt ihnen dann womöglich wenn es in die entscheidende Phase geht. So versteht es sich fast schon von selbst, dass in den Playoffs, wenn es um alles geht, noch mal besonderes Augenmerk auf den Faktor Disziplin gelegt wird.
Bei den St. Louis Blues war da allerdings in Spiel 3 der Serie gegen die Bruins der Schlendrian eingekehrt. Vier Strafzeiten leisteten sich die Gastgeber. Die Gäste von der Ostküste sagten artig Dankeschön und ließen sich nicht zweimal bitten. Aus allen vier Gelegenheiten mit einem Mann mehr auf dem Eis schlug Boston Kapital. Die Blues bekamen nicht mal groß die Chance, ihr Unterzahlspiel zum Laufen zu bringen. Jeweils der erste Schuss war drin. Diese Hypothek war schließlich zu viel.
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"Disziplin ist immens wichtig", betonte Trainer Craig Berube am Dienstag. "Ich denke die Schiedsrichter haben das Spiel wirklich gut geleitet und wir waren sehr diszipliniert. Wir haben sauber gecheckt und nicht gehakt oder behindert und solche Strafen genommen."
Diesmal leisteten sie sich nur zwei Unterzahlsituationen. Und der wichtigste Unterschied im Vergleich zum 2:7: In beiden Situationen ließen die Blues keinen Treffer zu.
"Ich denke, dass wir es im vorherigen Spiel in Unterzahl nicht so gespielt haben, wie wir es tun wollten", verdeutlichte Stürmer Alexander Steen, der häufig in diesen Situationen zum Einsatz kommt. "Wir haben etwas mehr zu unserer Struktur zurückgefunden. Wir waren etwas geordneter und wussten wann wir aggressiv sein mussten und wann nicht. Und natürlich hat Binner [Jonathan Binnington] einige starke Saves gezeigt."
Wichtiger war noch dazu, dass den Blues kurz nach einer Strafzeit das entscheidende Tor des Abends gelang. Knapp zwei Minuten, nachdem Blues-Verteidiger Jay Bouwmeester eine Strafe wegen hohen Stocks gegen Charlie Coyle abgesessen hatte, traf Ryan O'Reilly zum 3:2 für die Gastgeber. Darauf fanden die Bruins keine Antwort mehr.

BOS@STL, Sp4: O'Reilly bringt Blues mit 2. Tor in Fro

"Es war ein großartiger Sieg", befand Blues-Stürmer Oskar Sundqvist. Ein Hauptgrund für den Erfolg sei gewesen, dass die Blues mehr Fünf gegen Fünf spielen konnten. "Wenn wir das erreichen können, haben wir eine größere Chance zu gewinnen", meinte der Schwede. Auch nach dem Ausgleich im zweiten Drittel sei die Grundstimmung bei den Blues positiv gewesen. "Wir haben einfach weiter nach vorne geschaut und hart gearbeitet. Das machen wir schon seit Januar."
Sundqvist, ursprünglich 2012 in der dritten Runde an 81. Stelle von den Pittsburgh Penguins im Draft gezogen worden, verriet auch, wie die Mannschaft diesmal das so gefährliche Powerplay der Bruins entschärfte: "Wir haben die Räume eng gemacht, haben ihnen keine Möglichkeiten zur Entfaltung gegeben. Wir wissen, dass wir ein gutes Unterzahlspiel haben, wenn wir für den Gegner die Räume eng machen." "Wir haben verstanden, wie gut das Powerplay der Bruins ist", sagte auch Blues-Verteidiger Colton Parayko.
Für Steen war die Rückkehr von Sundqvist nach seiner Sperre in Spiel 3 ein wichtiger Faktor: "Yeah, ein großer Schub. Oskar, wie es schon häufig gesagt habe, wird wie Barbie Ivan Barbashev] in Bezug auf Intelligenz und Cleverness unterschätzt. Er hat ein gutes Timing und arbeitet enorm hart."
Berube hatte keinen Zweifel daran, dass sich sein Team nach dem 2:7 fangen würde. "Wir haben gut trainiert. Ich habe gemerkt, dass die Jungs bereit waren." Vielleicht seien in Spiel 3 zu viele Emotionen dabei gewesen. Immerhin war es die erste Partie vor eigenem Publikum in einem Stanley Cup Finale seit fast 50 Jahren. Das Ergebnis habe dann zu etwas Frust bei seiner Truppe geführt.
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Berube, der den Job auf der Blues-Bank im November übernommen hatte, befand aber auch, dass seine Mannschaft in Spiel 4 eine gute Antwort gegeben habe. "Wir wussten, was wir zu tun hatten, um das bessere Team zu sein." Unterm Strich attestierte er seiner Truppe ein gutes Spiel in allen Belangen. Auch aus seiner Sicht war es ein Schlüssel zum Sieg, dass die Blues nicht mehr so oft wie in der Partie zuvor die Strafbank aufgesucht hatten. Allerdings hatte er auch bemerkt, dass sich seine Mannschaft mehr Zeit in der offensiven Zone erarbeitet hatte. "Wir haben die Scheibe besser laufen lassen", analysierte Verteidiger Vince Dunn. Dann sei man auch entsprechend einfacher in die Zone der Bruins gekommen. "Und wir sind dort auch nicht in Panik verfallen", meinte der 22-Jährige.
Die Serie geht jetzt wieder zurück nach Boston für Spiel 5. Auch dafür wird Berube versuchen, sein Team wieder optimal vorzubereiten. Sein Stürmer Sundqvist hat auch schon ein Rezept, wie es im TD Garden mit dem nächsten Sieg klappen kann: "Wir müssen einfach so weiterspielen, wie wir es in Spiel 4 gemacht haben. Wir müssen schauen, dass wir Fünf gegen Fünf spielen oder Powerplay. Wenn wir das machen, haben wir eine gute Chance zu gewinnen."
Und egal, wie Spiel 5 am Donnerstag (Fr. 2 Uhr MESZ; live auf NHL.tv, Sport1+, DAZN, Teleclub Sport) ausgeht: Die Fans der Blues sehen ihr Team auf jeden Fall noch mal in Spiel 6 am Sonntag im Enterprise Center wieder.
Den ersten Sieg in einem Stanley Cup Finale vor eigenem Publikum haben die Blues jetzt geschafft. Und die Mannschaft ist bereit, einen zweiten folgen zu lassen. "Die Stadt hat lange darauf gewartet. Es ist eine großartige Sportstadt. Die Fans sind super. Sie haben uns die komplette Saison lang nicht aufgegeben. Und sie haben uns auch in den Playoffs nicht aufgegeben. Wir werden für sie unser Bestes geben", versprach Blues-Kapitän Alex Pietrangelo.