WM-Vorschau: Viele Teams bauen auf NHL-Stars
von Axel JeromaAm morgigen Freitag fällt der erste Puck bei der Weltmeisterschaft 2016 in Russland. In den Kadern der 16 Nationalmannschaften stehen zahlreiche NHL-Stars. Sie wollen mit ihrer Erfahrung zum Erfolg ihrer jeweiligen Landesauswahl beitragen. Die Bandbreite der Erwartungen könnte dabei unterschiedlicher nicht sein. Für die einen zählt nur der Titelgewinn, andere wären dagegen schon mit einer guten Platzierung oder dem Klassenerhalt zufrieden.
NHL.com/de wirft einen Blick auf die WM-Teams. Das Augenmerk liegt dabei auf den bekannten Spielern aus der nordamerikanischen Profiliga, deren Teilnahme zum jetzigen Zeitpunkt bereits feststeht. Weitere Akteure aus der NHL dürften traditionell nach dem Ausscheiden ihrer Klubs in den Stanley-Cup-Playoffs noch hinzustoßen.
Der Austragungsmodus:
Vom 6. bis 22. Mai werden insgesamt 64 Matches gespielt. Die 16 teilnehmenden Mannschaften treten zunächst in zwei Achtergruppen an. Jedes Team bestreitet in der Vorrunde sieben Spiele. Die Partien der Gruppe A - mit Gastgeber Russland, Schweden, Tschechien, Schweiz, Lettland, Norwegen, Dänemark und Kasachstan - werden in Moskau aus getragen. Die Begegnungen der Gruppe B mit Kanada, Finnland, USA, Slowakei, Deutschland, Weißrussland, Frankreich und Ungarn – finden in Sankt Petersburg statt.
Die vier Erstplatzierten jeder Gruppe sind für das Viertelfinale qualifiziert. Die Viertelfinalspiele werden über Kreuz gespielt. (1A-4B, 1B-4A, 2A-3B, 2B-3A). Die Sieger der Viertelfinals ziehen ins Halbfinale ein. Die Verlierer aus diesen Duellen bestreiten das Spiel um den dritten Platz, die Sieger das Finale in Moskau. Der jeweilige Letztplatzierte der Gruppen A und B steigt in die Division 1 ab. Mit zwei Ausnahmen: Deutschland und Frankreich haben als Gastgeber der WM 2017 den Klassenerhalt bereits in der Tasche.
Die Gruppe A
Für Gastgeber Russland zählt nur der Titelgewinn. Nach der blamablen 1-6-Niederlage gegen Kanada bei der WM 2015 und dem Viertelfinal-Aus bei Olympia 2014 gegen Finnland will sich das Team von Coach Oleg Znarok keinen weiteren Fehltritt bei einem Großereignis innerhalb von drei Jahren leisten. Entsprechend sind auch der Druck und die Unruhe im Umfeld der Russen. Dazu beigetragen hat zuletzt auch eine Dienstreise von Alexander Radulov in die USA, um dort über einen Wechsel in die NHL zu verhandeln anstatt sich auf die WM-Vorbereitung zu konzentrieren.

Bei der Mission Titelgewinn setzt Znarok unter anderem auf Goalie Sergei
Bobrovski (Columbus Blue Jackets) und Stürmer Artemi Panarin (Chicago
Blackhawks), der eine glänzende Saison als Rookie hinlegte. Offen ist, ob Alex Ovechkin oder Evgeny Kuznetsov bei einem möglichen Ausscheiden der Washington Capitals in den Playoffs gegen die Pittsburgh Penguins zum Kader stoßen würden.
Hartnäckigster Rivale der Russen dürften die Schweden sein, bei denen unter anderem Goalie Jacob Markstrom (Vancouver Canucks) sowie die Angreifer Mikael Backlund (Calgary Flames) und Alexander Wenneberg (Columbus Blue Jackets) im Team stehen. Darüber hinaus vertraut Coach Pär Marts zahlreichen Akteuren aus der Heimat und europäischen Top-Spielern wie Linus Klasen vom HC Lugano.
Eine gute Rolle möchte auch wieder Tschechien spielen, die zuletzt bei Weltmeisterschaften zwei vierte Plätze belegten. Die Stürmer Tomas Plekanec (Montreal Canadiens), David Pastrnak (Boston Bruins) Jiri Sekac (Arizona Coyotes) sollen dabei für die nötige Offensiv-Power sorgen.
Eine Überraschung ist der Schweiz zutrauen, 2013 immerhin Vizeweltmeister. Die „Nati“, wie das Team zu Hause liebevoll genannt wird, verfügt über eine ganze Reihe routinierter Akteure. Dazu zählen Rafael Diaz (New York Rangers), Reto Berra (Colorado Avalanche), Yannick Weber (Vancouver Canucks) und Sven Andrighetto (Montreal Canadiens). Im Verlauf der WM hinzukommen könnte Roman Josi (Nashville Predators), der im Moment noch in den NHL-Playoffs mitmischt. Definitiv nicht dabei sein wird dagegen Mark Streit (Philadelphia Flyers).

Zu den Außenseitern in der Gruppe A zählen die beiden skandinavischen Teams aus Dänemark und Norwegen. Die Dänen setzen ihre Hoffnungen vor allem auf die NHL-erprobten Angreifer Lars Eller (Montreal Canadiens), Nikolaj Ehlers (Winnipeg Jets) und Jannik Hansen (Vancouver Canucks). Mit Mats Zuccarello (New York Rangers) und Andreas Martinsen (Colorado Avalanche) vertraut auch Norwegens Trainer Roy Johansen auf Offensivpower aus der NHL.
Für Lettland und Kasachstan geht es in erster Linie um den Klassenerhalt. Lettlands Mannschaft befindet sich im Umbruch und ist daher schwer auszurechnen. Zemgus Girgensons (Buffalo Sabres) ist der einzige Spieler im Kader, der seine Brötchen aktuell in der NHL verdient. Bei den Kasachen, die von den meisten Experten als Kandidat für den prompten Wiederabstieg gehandelt werden, steht kein Akteur aus einem NHL-Klub im Aufgebot.
Die Gruppe B
Die ganz großen Namen sucht man dieses Jahr bei Team Kanada vergeblich - zumindest unter den Leuten, die Coach Bill Peters für den Beginn des Turniers vorgesehen hat. Verteidiger Matt Duma (Minnesota Wild) sowie die Stürmer Brad Marchand (Boston Bruins) und Connor McDavid (Edmonton Oilers) zählen zu jenen Spielern, die über NHL-Insiderkreise hinaus bekannt sind. Vor allem McDavids Auftreten wird mit Spannung erwartet, da dem Rookie nach seiner guten Saison bei den Oilers eine große Karriere vorausgesagt wird.
Für Kanada dürfte es schwer werden, den eindrucksvollen Triumpf von der WM 2015 zu wiederholen. Zehn Spiele, zehn Siege (davon ein zweistelliger) und nur ein Gegentor ab dem Viertelfinale lautete die eindrucksvolle Bilanz – gekrönt mit dem 6-1 im Finale von Prag gegen Russland.

Mit einer Mischung aus Talenten und ausgebufften Kufencracks will Finnland diesmal weit kommen und das Aus im Viertelfinale bei den letztjährigen Titelkämpfen vergessen machen. Mit Goalie Niklas Backstrom (Calgary Flames) und den Angreifern Aleksander Barkov, Jussi Jokinnen (beide Florida Panthers), Mikko Koivu (Minnesota Wild) und Leo Komarov (Toronto Maple Leafs) schenkt Finnlands Coach Kari Lehtonen gleich mehreren NHL-Stars das Vertrauen.
Das Team USA tritt wie in den Vorjahren mit einer Mischung aus NHL- und Collage-Spielern an und ist deshalb schwer einzuschätzen. 2013 und 2015 gewann die US-Boys immerhin Bronze. Viel wird davon abhängen, welche weiteren Spieler dem Ruf von Coach John Hynes folgen, wenn sie in den NHL-Playoffs ausgeschieden sind. In den ersten Partien sollen es Akteure vom Schlage eines Dylan Larkin (Detroit Red Wings) oder Nick Foligno (Columbus Blue Jackets) richten. Mit Spannung erwartet die Fachwelt zudem den Auftritt von Supertalent Auston Matthews (ZSC Lions Zürich), der als erster NHL-Draftpick im Sommer gehandelt wird.
Eine Wundertüte ist die Slowakei. Man weiß nicht so recht, was im Kader wirklich drinsteckt. In den vergangenen Jahren verpassten die Slowaken häufiger das Viertelfinale als es den Verantwortlichen und den Fans lieb war. Martin Marincin (Toronto Maple Leafs), Andrej Sekera (Edmonton Oilers), Marko Dano (Winnipeg Jets) und Tomas Jurko (Detroit Red Wings) bilden die NHL-Fraktion der Slowakei.

Für Weißrussland ist das Viertelfinale dieses Jahr durchaus in Reichweite. Das Team ist eingespielt, da das Gros bei Dinamo Minsk unter Vertrag steht. NHL-Profis sucht man vergeblich. Mit den Verteidiger Kirill Gotovets (Rockford IceHogs) und Angreifer Oleg Yevenko (Lake Erie Monsters) stehen aber zwei Spieler aus der AHL im weißrussischen WM-Kader.
In einer komfortablen Lage befinden sich Deutschland und Frankreich. Da sie die WM im nächsten Jahr gemeinsam ausrichten, sind sie heuer „unabsteigbar“. Dennoch wollen beide mit dem nötigen Ehrgeiz an die Sache herangehen und mit einem guten Turnier Werbung für 2017 machen.
Für Deutschland steht erstmals bei einem großen Turnier der neue Bundestrainer Marco Sturm an der Bande, der in seiner aktiven Karriere 938 Begegnungen in der NHL absolvierte. Die Fans sind gespannt, wie sich die Übersee-Delegation mit Christian Ehrhoff (Chicago Blackhawks), Korbinian Holzer (Anaheim Ducks), Leon Draisaitl (Edmonton Oilers) und Tobias Rieder (Arizona Coyotes) präsentiert.
Bei Frankreich und dem krassen Außenseiter Ungarn sind keine NHL-Spieler dabei. Dadurch, dass die Ungarn mit Deutschland und Frankreich in einer Gruppe spielen, brauchen sie ein Wunder, um dem Abstieg zu entgehen.