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Die NHL-Saison 2018/19 wirft langsam aber sicher ihre Schatten voraus. Vor dem Start der Trainingslager analysiert NHL.com/de ab dem 5. August die 31 Teams der Liga in 31 Tagen. Zu jeder Mannschaft gibt es in der Serie "31 in 31" zwei Berichte mit interessanten Fakten, Einschätzungen und Einblicken.
In dieser Folge: Vegas Golden Knights

Bilanz 2017/18: 51-24-7, 1. Platz in der Pacific Division
Playoffs 2018: Stanley-Cup-Finale (1:4 gegen die Washington Capitals)
Trainer: Gerard Gallant, seit April 2017
Neuzugänge: Paul Stastny (Winnipeg Jets), Nick Holden (Boston Bruins), Curtis McKenzie (Dallas Stars), Daniel Carr, Zach Fucale (beide Montreal Canadiens), Alex Gallant (Tampa Bay Lightning), Brooks Macek (EHC München, DEL), Lucas Elvenes (Rögle BK, SHL), Jimmy Oligny (Milwaukee Admirals, AHL), Gage Quinney (Wilkes-Barre/Scranton Penguins, AHL), Jake Leschyshyn (Regina Pats, WHL)
Abgänge: James Neal (Calgary Flames), David Perron (St. Louis Blues), Paul Thompson (Florida Panthers), Luca Sbisa, Mikhail Grabovski, Jason Garrison, Clayton Stoner, Chris Casto (alle vereinslos).
Die Vegas Golden Knights pflegten in ihrer ersten Saison das Image der Außenseiter, der Gesetzlosen oder gar der bösen Buben. Durch den Expansion-Draft wurden alle Spieler von ihren Ex-Vereinen verstoßen, von den alten Kollegen abgenabelt und trafen in "Sin City" auf Gleichgesinnte, die dasselbe Schicksal teilten. In dieser bunt-blinkenden, völlig überdimensionierten "Stadt der Sünde" fand sich eine zusammengewürfelte Truppe ohne Superstars ein. Stürmer James Neal, der von den Nashville Predators nicht geschützt wurde, richtete für die Spieler einen Gruppen-Chat ein. Der Name: "Golden Misfits", also "Goldene Außenseiter".
Nicht denken, arbeiten!
Ausgerechnet ein furchtbarer und tragischer Anschlag in Las Vegas am 1. Oktober 2017 ließ die Neuankömmlinge enger zusammenrücken und brachte zudem eine hohe Identifikation mit der Stadt und ihren euphorischen Fans. Nicht denken, sondern arbeiten hieß fortan das Motto der Verstoßenen. Mit Erfolg: Die Golden Knights legten einen Sahnestart hin (drei Siege zum Auftakt), kamen ins Rollen, wurden immer schneller, gefährlicher, hungriger und waren am Ende kaum noch zu stoppen. "Letztes Jahr haben die Leute gesagt, dass wir abstinken werden. Dann waren wir aber gut. Dann haben sie gesagt, dass wir das nicht halten können, doch wir haben die Playoffs erreicht. Dann haben sie gesagt, dass die Playoffs etwas Anderes sind und wir zerstört werden, doch wir haben es bis ins Finale geschafft", sagte Stürmer William Karlsson trotzig.

Eine Gruppe von Außenseitern war kurioserweise zu einer verschworenen Mannschaft geworden, die mit einem aggressiven, temporeichen und körperlichen Stil sowie spielerischer Finesse die Hockey-Welt verzauberte. Ein echtes Eis-Märchen - wenn auch nicht mit einem hollywoodreifem Happy End: Im Stanley-Cup-Finale fing Vegas erstmals an nachzudenken und zog gegen erfahrene und abgezockte Washington Capitals den Kürzeren (1:4). Auch wenn die Golden Knights nur haarscharf am ultimativen Triumpf vorbeigeschrammt sind, so sind sie trotzdem das beste Expansion-Team aller Zeiten. In ihrer ersten Saison wurden sie mit 109 Punkten das fünfbeste Hauptrunden-Team der NHL und sie legten bis zum Final-Aus einen beeindruckenden Playoff-Run hin (13 Siege, drei Niederlagen).
Kollektive Leistungsexplosionen
Die "Goldenen Außenseiter" zeigten es vor allem ihren Ex-Klubs: Zwölf Spieler erreichten persönliche Karriere-Bestmarken bei den Scorerpunkten und stellten eindrucksvoll unter Beweis, warum es ein Fehler war, sie ziehen zu lassen. Das gilt besonders für die Stürmer Karlsson (78), Jonathan Marchessault (75), Reilly Smith (60), Erik Haula (55), die Verteidiger Colin Miller (41), Nate Schmidt (36), Shea Theodore (29), Deryk Engelland (23) sowie auch Torwart Marc-André Fleury (2,24 Gegentore/Spiel, 92,7 Prozent Fangquote).

"Viele Spieler hatten die Möglichkeit, regelmäßiger und in höheren Reihen zu spielen. Viele von ihnen haben sich entwickelt", findet Knights-GM George McPhee einen Erklärungsansatz. "Auch die Erfahrung in den Playoffs kann Spieler besser machen als je zuvor. Also erwarten wir, dass die Jungs und die Mannschaft noch besser sind, wenn sie im September zurückkehren."
Euphorische Fans und die beste Show der Liga
Darauf hoffen auch die Fans in der Wüstenmetropole, die sich unerwartet als komplett Eishockey-verrückt erwiesen haben. Nicht nur in Las Vegas und Nevada selbst, sondern auch aus den umliegenden Bundesstaaten strömten die Fans in die T-Mobile Arena. Die Identifikation mit den Golden Knights ist riesig, der schon fast hypnotisierende gold-stahlgraue Ritterhelm mit dem V-Visier ist an Spieltagen allgegenwärtig.
Hinzu kommt der Vegas-typische Entertainment-Faktor. Nicht nur die Knights sorgen auf dem Eis für beste Unterhaltung, sondern auch zahlreiche Show-Acts, Live-Auftritte und Video-Einspieler, die keine Sekunde Langeweile zulassen. Mit Spannung wird erwartet, ob dieses Gesamtpaket noch getoppt werden kann.

Golden-Knights-Fans

Gestiegene Erwartungshaltung
Der märchenhafte Aufstieg der Golden Knights bringt allerdings auch eine negative Begleiterscheinung mit sich: Nach der berauschenden Debüt-Saison ist die Erwartungshaltung gestiegen. "Viele Leute werden sagen, dass es ein Feuerwerk war. Du weißt, dass es explodiert ist und danach ist es vorbei. Das wird die größte Herausforderung", malt Center Pierre-Edouard Bellemare ein passendes Bild mit Worten und hofft weiter auf den unbändigen Teamgeist: "Die Mannschaft ist der Star. Wir müssen schnell verstehen, dass wir für etwas spielen, was größer ist als jeder Einzelne. Letztes Jahr haben wir das geschafft, weil wir uns selbst vergessen hatten, nachdem was im Oktober passiert war. Jetzt müssen wir es wiederholen. Die Initiative muss aber von uns Spielern ausgehen."
Kleinere Brötchen wollen die Golden Knight jedenfalls nicht backen. McPhee kündigte an, sich in der kommenden Saison sogar noch verbessern zu wollen. "Eine Verbesserung wäre, den Cup zu gewinnen", weiß Karlsson, "also ist es das, was wir anstreben." Kein leichtes Unterfangen. Immerhin sind die 30 anderen NHL-Teams nun gewarnt. "Nachdem was wir getan haben, werden unsere Gegner wissen, dass wir kein Expansion Team mehr sind. Sie werden bereit für uns sein", so Trainer Gerard Gallant.
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Wieder unberechtigte Zweifel?
Greifen nun die Eishockey-Gesetze bei den "Gesetzlosen"? Oder schreiben die "Goldenen Außenseiter" das nächste Märchen? Trotz der Neuzugänge Paul Stastny und Nick Holden, die aus freien Stücken über den Free Agent Markt in Vegas gelandet und damit keine Verstoßenen sind, prophezeien viele Experten den Knights eine schwere Saison. Sie könnten erneut falsch liegen.