PWHL - Toronto v Ottawa

Sandra Abstreiter ist die erste Deutsche in der neu-gegründeten Profi-Liga PWHL. Die Nationaltorhüterin fängt für das Team aus Ottawa und sprach exklusiv mit NHL.com/de über die Vorzüge der neuen Liga, die Bedeutung von Frauen-Eishockey in der kanadischen Hauptstadt und die anstehende Weltmeisterschaft mit Deutschland.

Pionierin in der PWHL

Am 1. Januar 2024 begann eine neue Zeitrechnung. Mit der PWHL ging die erste Profi-Eishockey-Liga für Frauen an den Start. Das Ziel: faire Bezahlung, professionelle Bedingungen und eine neue Hockey-Attraktion für die Zuschauer.

Mit Boston, Minnesota, und New York sind drei US-amerikanische sowie mit Montreal, Ottawa und Toronto auch drei kanadische Teams vertreten. Im ersten Draft der PWHL-Geschichte am 18. September 2023 wurde die in Freising geborene Sandra Abstreiter in der zwölften Runde an insgesamt 68. Position von Ottawa ausgewählt. 

„Ich war damals in Memmingen, wo ich zwei Monate gespielt habe, bevor es dann nach Ottawa ging. Ich habe den Draft also in meiner Wohnung auf der Couch im Fernsehen angeschaut. Ich weiß noch, dass es spät war. Kurz vor Mitternacht wurde ich dann gedraftet. Ich habe es gleichzeitig über Facetime mit meiner Familie und Freunden verfolgt. Wir haben alle gleichzeitig losgeschrien“, erinnert sich Abstreiter an einen ganz besonderen Moment in ihrer noch jungen Karriere. Ein paar Monate später ist sie die erste Deutsche in der PWHL.

„Ich muss ganz bescheiden sagen, dass ich darüber nicht viel nachdenke. Natürlich ist es ein mega cooles Gefühl. Dass ich Deutschland repräsentieren kann, ist toll“, sagt die deutsche Pionierin. „Ich hoffe darauf, dass noch mehr kommen. Viele deutsche Spielerinnen sind bereits in Nordamerika und spielen dort am College.“

Abstreiter selbst ging den College-Weg. Die Torfrau studierte Management auf Bachelor und setzte einen Master of Business Administration oben drauf. Parallel fing sie in der NCAA. Jetzt befindet sie sich in einer komplett neuen Eishockey-Welt.

„Das ist schon ein riesiger Schritt“, sagt die 25-Jährige. „Ich mache gerne ein paar Witze mit Teamkollegen darüber, weil auch sie in der NCAA gespielt haben. Damals haben wir gesagt, dass die College-Liga die beste ist, dass wir alles schon können. Dann kommst du in die PWHL und merkst, dass du doch nicht alles kannst. Es ist kein Geheimnis, dass die Amerikaner und Kanadier die besten Spieler der Welt sind. Wenn du jeden Tag mit und gegen sie spielst, dann ist das ein ganz anderes Niveau.“

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Ausverkauftes Haus und Einladungen zum Frühstück

Kurioserweise haben die sechs PWHL-Teams noch keinen Namen, sondern heißen nach den jeweiligen Städten.

„Ich finde es schade, dass es noch keine Namen gibt. Das könnte sich ab der nächsten Saison ändern. Da alles so kurzfristig auf die Beine gestellt wurde, gab es Wichtigeres zu tun als sich Namen auszudenken“, erklärt Abstreiter. „Ein paar Gerüchte sind aber durchgesickert. Zum Beispiel Ottawa Alerts, Montreal Torch, Boston Wicked oder New York Sound. Ich finde es cool, wenn unser Name eine Verbindung zu einem ehemaligen Frauen-Team in Ottawa hätte. Bei Alerts wäre das der Fall.“

Die Resonanz auf die neue Profi-Liga war unabhängig davon überwältigend. Auch in der kanadischen Hauptstadt, wie Abstreiter bestätigt: „Seit dem Training Camp vor der Saison haben uns die Leute unterstützt. Teilweise werden wir sogar auf der Straße erkannt. Einmal beim Frühstücken mit einer Freundin wurden uns sogar die Getränke von einem Fan gezahlt. Wir hatten auch schon zwei Veranstaltungen mit Dauerkartenbesitzern, von denen wir so viel positives Feedback erhalten haben. In Ottawa ist Eishockey alles. Durch diese neue Liga haben wir Fans akquiriert, die vorher vielleicht gar keinen Sport verfolgt haben. Für sie war es aber die Chance, von Anfang an bei etwas Neuem dabei zu sein. Auch der Bürgermeister hat schon beim Training zugeschaut. Als die Liga damals wegen eines Teams angefragt hat, hat die Stadt sofort zugestimmt und alles in die Wege geleitet, damit es klappt. Wir sind fast in jedem Spiel ausverkauft. Das ist ein mega cooles Gefühl.“

Ottawa spielt in der TD Place Arena, einem Eisstadion mit 8500 Plätzen. Minnesota trägt seine Heimspiele im Xcel Energy Center aus, wo auch die Minnesota Wild in der NHL spielen. „Die Gegebenheiten dort sind etwas ganz Besonderes“, so Abstreiter. „Vor kurzem hatten wir auch ein Highlight in Detroit. In der Little Caesars Arena waren 13.000 Zuschauer – das war sehr eindrucksvoll. Ich finde es in Montreal auch sehr cool. Ähnlich wie in Ottawa wurde die Liga dort sehr gut aufgenommen. In zwei von drei Spielen in Montreal haben wir in der Arena der Laval Rocket gespielt, wo noch einmal deutlich mehr Leute reinpassen. Es war dort eine regelrechte Party in der Eishalle, der DJ hat für gute Stimmung gesorgt, alle haben gejubelt.“

Die „NHL für Frauen“

Abstreiter kam bislang dreimal für Ottawa zum Einsatz und kann dabei eine Fangquote von 91,3 Prozent vorweisen. 

„Bis jetzt habe ich nicht viel gespielt. Gleich in meinem ersten Spiel habe ich mich im ersten Drittel verletzt. Dann bin ich einmal zur Hälfte einer Partie reingekommen. In meinem ersten kompletten Spiel hatte dann viel zu tun bekommen, was die gute Fangquote erklärt“, ordnet die Oberbayerin ein. „Ich habe alleine im Training hier jeden Tag viel gelernt. Wir haben einen guten Torwarttrainer (Pierre Groulx) hier, der NHL-Erfahrung mitbringt, und jeden Tag mit uns arbeitet. Bei uns spielt hauptsächlich unsere Nummer 1, Emerance Maschmeyer. Sie ist Nationaltorhüterin von Kanada und weiß, was sie tut. Auch wenn das doof klingt: Selbst von der Bank aus kann ich viel lernen.“

Immerhin geht es regelmäßig gegen die besten Eishockey-Spielerinnen der Welt. Abstreiter zieht einen Vergleich zur NHL: „Alleine von der Professionalität her ist es vergleichbar. Wir haben das Gefühl, nur in die Eishalle kommen und uns sonst um nichts anderes kümmern zu müssen. Das gab es noch nie, in keiner Frauen-Liga dieser Welt, egal ob in Schweden, Finnland oder sonst wo. Was ich so mitkriege, ist es ähnlich wie in der NHL. Die Spieler sollen auch da das machen, wofür sie bezahlt werden – und das ist Eishockey spielen.“

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Kurioser Playoff-Modus

Bei Ottawa zeigt die Formkurve nach einem schwierigen Start in die Saison zuletzt nach oben. Die Hauptstädter rangieren auf Platz vier und wären Stand heute für die Playoffs qualifiziert.

„Ich habe seit dem Draft gesagt, dass Ottawa ein Team ist, das leicht übersehen werden kann. Wir haben vielleicht nicht die ganz krassen Superstars, dafür aber eine unglaubliche Tiefe in der Mannschaft. Wir haben ein wenig gebraucht, bis wir uns gefunden haben, jetzt geht es steil bergauf. Wir machen viel mentales Training und haben ein Mannschaftsgefühl entwickelt, was unsere große Stärke ist. Wir fühlen uns wohl, haben viel Spaß – das zeichnet uns aus und hilft uns enorm“, sagt Abstreiter. „Von fast allen Teams bekommen wir das Feedback, dass es am schwierigsten ist, gegen uns zu spielen, weil wir sehr physisch sind und über 60 Minuten voll durchziehen.“

Der Playoff-Modus in der PWHL ist durchaus gewöhnungsbedürftig. Vier Teams qualifizieren sich für die Playoffs. Der Hauptrunden-Erste darf sich seinen Halbfinal-Gegner selbst aussuchen und zwischen dem Dritten und Vierten wählen.

„Ich finde es ganz interessant und eine ganz pfiffige Idee“, so Abstreiter. „Ich kann mir zwar kaum vorstellen, dass der Erste nicht den Vierten auswählen wird. Allerdings haben wir zum Beispiel drei von vier Spielen gegen Toronto gewonnen. Die werden uns also vielleicht eher nicht nehmen. Auch gegen Montreal haben wir immer gut ausgesehen. Alle Spiele sind wirklich knapp. Egal gegen wen: Wir haben erst ein Spiel mit mehr als einem Tor Unterschied verloren.“

Startklar für die WM mit Deutschland

Aufgrund der anstehenden Frauen-Weltmeisterschaft 2024 in Utica (3. bis 14. April) ist der Spielbetrieb in der PWHL derzeit unterbrochen.

„Ich freue mich darauf, seitdem ich den Kader kenne. Ich glaube, dass wir dieses Jahr eine gute Mannschaft haben“, betont Abstreiter. „Überhaupt ist es immer cool, wieder mit meinen Freundinnen in der Nationalmannschaft zusammenspielen zu können. Jetzt wird es nochmal cooler, weil ich auch viele Spielerinnen aus den anderen Mannschaften kenne.“

Abstreiter selbst wird als Starterin der DEB-Auswahl eine Menge Verantwortung schultern müssen. „Ich finde es cool, dass die Leute an mich glauben. Das weiß ich auch wertzuschätzen. Das Schöne ist, dass ich mich auf meine Mannschaft verlassen kann, genauso wie sie sich auf mich. Das ist das Wichtigste. Keiner würde mich hängen lassen, was gut zu wissen ist, dadurch fällt es leichter und man kann man viel entspannter spielen.“

Als Ziel hat sich Abstreiter das Viertelfinale gesetzt. „Danach würde ich es von Tag zu Tag neu bewerten“, so die Torhüterin. „Ein Spiel ist ein Spiel und man weiß nie, was alles passieren kann. Realistisch wäre aus meiner Sicht Platz fünf.“

Vorbild-Rolle für die nächste Generation

Im Anschluss an die WM steht dann der Saison-Endspurt und voraussichtlich auch die Playoffs in der PWHL an. Die deutsche Pionierin will dann weiter als Vorbild für die nächste Generation an jungen Spielerinnen voran gehen.

„Ich hoffe, dass man in Deutschland auch ein bisschen was davon mitkriegt. Immerhin kann man sich die Spiele kostenlos anschauen. Die Mädels zu Hause können sehen, dass es hier eine Profi-Liga gibt“, sagt Abstreiter. „Jungs konnten schon immer von der NHL träumen, jetzt haben die Mädels denselben Traum von der PWHL. Es kann auch dazu führen, dass in Deutschland versucht wird, den nächsten Schritt zu gehen. Das ist genauso wichtig.“

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